L’état c’est Schily?

Der Regierung Schröder scheint die Amtszeit nicht gut bekommen zu sein. Erst rumpelstielzt der Chef selbst im Fernsehen, jetzt tut es ihm sein Innenminister Schily gleich und bürstet in einem Interview mit dem Spiegel seine Kritiker ab:

Schily: Die Fraktion werde ich schon überzeugen. Es sind doch nur ein paar Hanseln, die mich kritisieren.

SPIEGEL: Dieter Wiefelspütz, innenpolitischer Sprecher der SPD, gehört dazu.

Schily: Herr Wiefelspütz ist nicht die Instanz, das zu beurteilen. Er hätte gut daran getan, sich erst einmal richtig zu informieren, bevor er sich in der Presse verbreitet.

SPIEGEL: Monika Griefahn, Vorsitzende des Kulturausschusses und ebenfalls Mitglied Ihrer Fraktion, nennt die Aktion empörend und fordert Sie auch auf, sich bei den Journalisten zu entschuldigen.

Schily: Frau Griefahn sollte sich bei mir entschuldigen für ihr törichtes Gerede.

SPIEGEL: Frau Griefahn hat auch angekündigt, die SPD-Fraktion wolle mit Ihnen ein klärendes Gespräch in der Angelegenheit führen.

Schily: Ich bin gern bereit, mit Frau Griefahn ein klärendes Gespräch zu führen, um ihr einige elementare Kenntnisse über das Straf- und Strafprozessrecht in Erinnerung zu bringen. Das hätte sie vor leichtfertigen Äußerungen vor der Presse bewahrt.

SPIEGEL: Die Grünen-Chefin Claudia Roth wirft Ihnen einen Angriff auf die Demokratie vor. Alles notorische Schily-Gegner, die einfach nicht begreifen wollen, dass der Staat vor den Medien geschützt werden muss?

Schily: Der Vorwurf von Frau Roth ist an Albernheit nicht zu übertreffen.

Worum geht es? Es geht darum, dass Bruno Schirra im Magazin Cicero einen Artikel über den Terroristen Al Zarkawi verfasst hat, in dem er aus einem vertraulichen Bericht des Bundeskriminalamtes (BKA) zitiert. Das BKA wollte die undichte Stelle aufspüren und die Staatsanwaltschaft Potsdam durchsuchte daraufhin die Räume von Schirra und beschlagnahmte allerhand Akten. Der Vorwurf: Beihilfe zum Geheimnisverrrat. Danach brach großes Palaver aus und der der Vorwurf des Eingriffes in die Pressefreiheit war schnell bei der Hand. Kritik kam u.a. von den im o.g. Spiegel-Interview erwähnten Personen. Politisch wird das Thema auch in einer Sondersitzung des Innenausschusses des Bundestages behandelt .

Nun könnte man tatsächlich denken, es handele sich hierbei um eine riesen Sauerei und der altersstarsinnige Schily setzt sich über Gesetze hinweg. Aber dann sagt Schily in dem Interview folgende Sätze:

Ich bin lange genug im politischen Geschäft, um den investigativen Journalismus durchaus positiv zu würdigen. Ich habe auch den SPIEGEL und andere Zeitungen für diese Art des Journalismus immer gelobt und werde das auch weiterhin tun. Aber wo ist hier der Skandal, der aufzudecken ist? Ist es ein Skandal, wenn das Bundeskriminalamt ermittelt wegen Terrorismusgefahr?

Hmm, da hat der Innenminister nicht mal Unrecht. Es ging ja hierbei nicht um einen Skandal beim BKA, den es aufzuklären galt, sondern um eine Recherche über einen Terroristen, über den das BKA auch Informationen sammelte. Und indem Schirra dessen Datenlage über Zarkawi im Cicero ausbreitete, brachte er Interna an die Öffentlichkeit, die dort nicht mit Quellenangabe hingehören. Denn was eine staatliche Behörde über diesen Terroristen weiß, braucht die Öffentlichkeit nicht zu wissen. Anders sähe die Sache aus, wenn mit BKA-Papieren ein Skandal im BKA selbst oder im Innenministerium aufgedeckt hätte werden sollen. Nein, im Fall Cicero wollte Schirra seine Recherchen nur mit BKA-Informationen unterfüttern und ist dabei offenbar weiter gegangen, als es nötig war. 

So ist dann auch Kritik an der Kritik in der Neuen Zürcher Zeitung und im „Altpapier“ der Netzeitung zu lesen. Tenor: Mit den vertraulichen Unterlagen ist Schirra einfach zu wenig sorgfältig umgegangen. Inwieweit jetzt die Durchsuchung durch die Staatsanwaltschaft und die Beschlagnahmung zahlreicher Rechercheunterlagen einen Eingriff in die Pressefreiheit darstellen, wird ein Gericht klären. Nur soviel scheint mir klar: Schily ist hier aber in der Rolle des bösen Innenministers, der die Pressefreiheit mit Füßen tritt, falsch besetzt.


Nachtrag, 11.10.05:
Robert Leicht in der Zeit meint, dass es „keinen Fall Cicero“ gibt.

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