Archiv für den Monat: März 2006

Macht, Verantwortung und Augenmaß

Darüber sollten wir noch mal reden. In Zukunft, in den nächsten Wochen, in den nächsten Monaten. Wir sollten über die Kontrollmöglichkeiten der Macht der Blogger reden. Blogger haben Macht, nämlich Linkmacht und damit können sie PR machen, können kritische Beiträge ganz nach oben bei Google oder anderen Suchmaschinen platzieren. (ein Gedanke am Rande: wann wird man eigentlich Druck auf Suchmaschinen ausüben, doch die doofen Blogs geringer zu gewichten?)

Macht, und wenn auch mit einem noch so guten Vorsatz daherkommt, muss kontrolliert werden. Früher oder später wird versucht, sie zu missbrauchen. Die jetzigen Beispiele Euroweb und Transparency Deutschland sind meines Erachtens noch nicht dazu geeignet, von Machtmissbrauch oder einem Lynchmob zu reden. Die Gründe für die Empörung waren beide Male die gleichen: Unternehmen/Organisation versucht, ungerechtfertigter Weise abzumahnen. Das Pendel kann aber auch in eine andere Richtung ausschlagen.

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Unverhältnismäßigkeit

An den Wochenenden hat die Blogosphäre zur Zeit eine neue Beschäftigung gefunden: Sau durchs Dorf jagen. Vorletztes Wochenende hieß die Sau Euroweb, letztes Wochenende nun Moni vs. Transparency Deutschland. Weil Moni den bemängelten Blogeintrag mittlerweile entfernt hat, muss man ihn woanders lesen, z.B. bei Robert Basic.

Kleinbloggersdorf jagt nun kollektiv hinter dem quiekenden Borstenvieh hinterher und verpasst damit der NGO Transparency International Deutschland (TI-D) eine sagenhaft schlechte Publicity. Die Mehrheit der Blogger haut kräftig auf TI-D ein. Den besten und besonnensten Beitrag zum Thema habe ich allerdings bei Stefanolix gelesen.

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Minderheitenregierung in Sachsen-Anhalt

Egal welche Koalition in Sachsen-Anhalt regieren darf, es wird immer eine Minderheitenregierung sein. Nur eine Minderheit der Bevölkerung – 44,4% – sind noch zur Wahl gegangen.

Eine Mehrheit hat kein Vertrauen mehr in die Politik, ihnen ist es wurscht, wer sie regiert. Die andere Erklärung für schlechte Wahlbeteiligungen, dass es den Leute im Grunde gut geht und sie zufrieden mit der Situation sind, kann man in Sachsen-Anhalt kaum gelten lassen. Noch nicht mal die rechte Protestpartei DVU hatte Erfolg: 3%. Protest äußert sich mittlerweile eher in Nichtwahl als in Protestwahl. Schweigender Protest führt aber nur selten zum Erfolg.

Auskunftsanspruch

In dem heise-Artikel zur Neufassung des Urheberrechts bin ich besonders über den Absatz zum „zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Provider“ gestolpert. Weil das im gleichen Artikel drin stand, dachte ich, es hätte sich mit der Neufassung des Urheberrechts auch daran was verändert. Im Kommentar von netzpolitik.org hatte ich das schon versucht aufzudröseln, wenn auch falsch.

Der Auskunftsanspruch gegenüber Provider steht nicht im Urheberrechtsgesetz. Besser gesagt: das steht zwar schon was von einem Auskunftsrecht, nämlich in §101a. Das hat die Musikindustrie auch schon mal als Auskunftsanspruch gegenüber Provider gedeutet, ist damit aber vor Gericht gescheitert. Da dieser Paragraph im vorliegenden Gesetzentwurf aber nicht angetastet wurde, konnte sich damit eine Einführung eines Auskunftsanspruches nicht erklären.

Der Auskunftsanspruch soll demnächst in einem anderen Gesetz geregelt sein, dass die Umsetzung einer EU-Richtlinie „zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentum“ (PDF) ist. Dazu gibt es bereits einen Referentenentwurf (PDF).

Also: der Auskunftsanspruch ist wieder eine andere Baustelle. Wobei das eine sehr gefährliche Sache werden könnte, wenn plötzlich Schnüffelabteilungen der Musikindustrie Tauschbörsen überziehen und massenhaft Zivilklagen führen. Das würde eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Rechtsanwälte werden. Rein rechtlich ist das natürlich höchst bedenklich, wenn das Fernmeldegeheimnis, unter das die Verbindungsdaten ja fallen dürften, einfach so ohne richterliche Anordung und ohne Strafverfahren herausgegeben dürften. Das Abgreifen der Verbindungsdaten dürfte leicht sein, weil Provider in Zukunft verpflichtet werden, diese Daten zu speichern(„Vorratsdatenspeicherung„).

Verantwortlichkeit

Derzeit drischt alles wegen der Veränderungen im Urheberrecht auf die Musikindustrie (MI) ein. Der Popkulturjunkie spielt den Ball zurück an die Politik, die hat den Kram verbockt. Recht hat er.

Die MI ist nur der Einflüsterer, der die Paragraphen diktiert. So sind Lobbyisten nunmal. Zu verantworten haben es Politiker. Kopier- und damit teilweise auch abspielgeschütze Musik, überteuerte, qualitativ minderwertige, DRM-verdongelte Songs in Onlineshops – ja, für den Dreck ist die MI verantwortlich, aber nicht für Urheberrechtsgesetze.

Die SPD-Fraktion kündigte schonmal Änderungsbedarf an. Dann bitte auch den Auskunftsanspruch der MI an Provider unterbinden. Eine Hilfspolizei brauchen wir nicht.

Wer, wenn nicht Bush?

Bush wollte den Irak-Krieg nicht. Berichtet Spiegel Online. Das sagte er neulich in einer Pressekonferenz:

In one exchange, Helen Thomas, the longtime White House correspondent and Hearst newspaper columnist, asked Mr. Bush why he really wanted to go to war with Iraq. He curtly replied that „to assume I wanted war is just flat wrong, Helen, in all due respect.“

Na, da hat der Herr Präsident seinen Unwillen aber gut kaschieren können. Für den Rest der Welt sah es eher danach aus, als wolle er nicht dringender als mit seinen Truppen in den Irak einzumarschieren. Denn müssen musste er nicht, Massenvernichtungswaffen wurden ja bis heute nicht gefunden.

Andernfalls – Bush könnte sogar Recht und in der Pressekonferenz einen Anfall von Ehrlichkeit gehabt haben. Bush wollte nicht, aber weil er sowieso nichts zu sagen hat, er also nur eine Marionette ist, konnte er gar nichts tun, als Rumsfeld und Cheney die Truppen aufmarschieren ließen.

Ende der Meinungsfreiheit?

Udo Vetter vom Lawblog sieht die Blogger bedroht. Grund: zunehmende Abmahnungen und Abmahnversuche.

Das Ziel ist klar: Blogger sollen die Klappe halten, ihre ins Internet rausposaunte Kritik soll verhindert werden:

Sie wollen – für ihre jeweiligen Auftraggeber – Angst verbreiten, die Schere im Kopf der Blogger installieren. Wenn du was über die schreibst oder zulässt, dass über die geschrieben wird, brauchst du einen Anwalt. Also lass es besser.

Dann gibt Vetter ein paar praktische Tipps, wie man Bloggen sollte, um Ärger möglichst zu vermeiden: Nur Meinung schreiben, auf Beleidigungen verzichten, bei Tatsachenbehauptungen immer darauf achten, dass man sie auch belegen kann und nicht aus der Luft gegriffen sind:

Also: Im Zweifel lieber eine Meinung äußern. Bei den belegbaren Tatsachen bleiben.

Eigentlich sollte das aber klar sein, oder? Haltlose Behauptungen oder Beleidigungen haben nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Wenn ich behaupte, mein Nachbar sei ein Säufer und schlage im Suff Frau und Kinder, dann darf er sich zu Recht beleidigt fühlen, wenn er in Wahrheit ein netter Kerl ist, auf den ich lediglich einen Groll habe und ihn deshalb mal ein bisschen madig mache.

Stelle ich mich dagegen hin und sage: „Ich finde Autos von BMW total hässlich, ich mag lieber die von Audi“, kriege statt einer Abmahnung von BMW wohl höchstens eine Werbebroschüre von Audi zugesandt.

Also, wo ist das Problem mit der Meinungsfreiheit? Natürlich kann trotzdem eine Klage kommen, aber ist sie unberechtigt, hat man wohl gute Chancen, dass nach der Drohung nichts weiter kommt:

Dazu sollte man wissen, dass Anwälte gerne drohen. Aber sich schwer tun, ihre Drohungen in die Tat umzusetzen.

Und nicht jede Drohung ist gleich eine Abmahung, wie Jens Scholz in den Kommtaren klarstellte. Trotzdem hat Udo Vetter vorsorglich schonmal einen Brief aufgesetzt, in dem er gegen eben jene „Unterlassungsaufforderung“ vorgeht.
Auch wenn nicht gleich die Meinungsfreiheit in Gefahr sein sollte, ein Schuss vor den Bug von Abmahnhanseln kann nicht schaden. So ein Quatsch muss sich gar nicht erst einbürgern.

Anders gelagert ist allerdings der Fall des Supernature-Forums. Hier wurde man aufgrund eines noch nichts rechtskräftigen Urteils gegen das Heise-Forum abgemahnt. Es geht hierbei um die Moderation von Kommentaren, hat also erstmal nichts weiter mit Blogs zu tun. Fürs Leben im Netz sind allerdings Foren nicht weniger wichtig als Blogs und darum ist die Absicht, eine Entscheidgung gegen die Abmahnung juristisch durchzufechten, unterstützenswert. Schließlich solch eine Klage für mehr Rechtssicherheit im Internet, kann uns Bloggern auch nur gut tun.

Irak: was soll man glauben?

Für den ehemaligen Übergangspemierminister im Irak, Allawi, sind die derzeitigen Zustände im Irak wie ein Bürgerkrieg:

Jeden Tag sterben 50 bis 60 Menschen, wenn nicht mehr. Wenn das kein Bürgerkrieg ist, dann weiß Gott allein, was ein Bürgerkrieg ist.

Im September 2004, als Allawi noch in Amt und Würden war und von der Regierung Bush getragen wurde, da klang das alles noch sehr viel optimistischer. Ein irakischer Journalist erklärt im Interview mit dem Morgenmagazin der ARD, die USA müssten nur schnell ihre Truppen abziehen, dann würde alles besser. Im Irak gäbe es derzeit kein normales Leben, die öffentliche Ordnung sei nicht wiederhergestellt worden, selbst die Wasser- und Stromversorgung sei schlecht. Selbst Benzin gäbe es kaum in einem Land mit den zweitgrößten Erdöllagerstätten.

Was ist also los? Panikmache? Bürgerkriegsähnliche Zustände scheint es weit überwiegend in Bagdad und Umgebung zu geben. Dort leben 5,5 Mio. der 26 Mio. Iraker (lt. Wikipedia). Das sind 21%. Würde also bedeuten, für 80% der Menschen könnte das Leben zumindest ohne Angst vor Anschlägen weitergehen.

Journalisten und Reporter scheinen sich aber nur in Bagdad aufzuhalten und nur von dort zu berichten. Ins Land rein geht offenbar keiner. Vom Alltag von Irakern fernab der Hauptstadt hört man wenig. Würde man von Deutschland nur aus Berlin berichten, ergäbe das sicher auch eine schiefes Bild von Deutschland.

Fakt ist, die Amerikaner haben – und hatten wohl auch nie – einen Plan für einen Irak nach dem Krieg. Aber ich tue mich schwer, vom „Chaos im Irak“ zu sprechen, wenn ich statt des Landes nur immer „Bagdad“ sehe.

Mir geht es nicht darum, denjenigen zuzustimmen, die meinen, dass alles besser sei als unter dem Diktator Hussein zu leben. Das ist Quatsch. Die Menschen interessiert in ihrem Alltag, ob sie genug zu Essen, ob sie Wasser und Strom haben, ob sie selbst ohne Angst um Leib und Leben sein können. Erst dann kommen Demokratie und politische Freiheiten. Aber offenbar schaffen es die USA (und nicht die Briten vergessen, die munter mitgemacht haben aber jetzt aus der Verantwortung entlassen werden) nicht, wenigstens diese Grundbedürfnisse der Menschen zu gewährleisten. Dazu kommt, dass der Irakkrieg den Terroristen und Fanatikern im Islam Zulauf beschert, weil dieser illegale Krieg eine ganz großartige Argumentationshilfe ist, warum der Westen böse ist. Oder kurz: der Krieg war nicht nur illegal sondern auch falsch.

Mir fehlt „das ganze Bild“ aus dem Irak. Manchmal schwingt mir zuviel Häme gegenüber den USA in der Berichterstattung über den Irak mit. Ich habe den Verdacht, dass auch (deutsche) Journalisten ganz gerne mal das Positive unter den Tisch fallen lassen.

noch ne andere Suchmaschine

Nachdem schon Ask.com versucht, den Marktführer Google anzugreifen, gibt es jetzt auch was aus Old Europe: exalead. Wenn man der Nachricht von heise online glauben darf, handelt es sich hierbei um einen Vorläufer der kommenden Europasuchmaschine Quaero. Zumindest bei schwer zu merkenden Namen ist exalead ein Vorgeschmack auf Quaero.

Neu ist exalead allerdings gar nicht. Beim Copyright steht ©2000-2006. Französischer als normal sieht die Suchmaschine aber aus (z.B. Bestandteile der URIs sind französisch). Scheint eher so zu sein, dass exalead ein etablierter Suchtechnologiehersteller ist, der dann auch an Quaero beteiligt ist. Wie kommt es, dass ich von exalead noch nie was gehört habe?

Aber abgesehen davon bietet exalead nette Features, die beispielsweise Google nicht bieten kann: Screenshots der Seiten neben den Suchergebnissen, die sich auf Klick AJAXig vergrößern; verwandte Themen, um ähnliche Dinge suchen lassen zu können; Dokumententyp und Spracheinstellungen. Nachteil: exalead ist recht langsam und wirklich unübersichtlich und überladen.