Kinder, Kinder

Kinder sind ja zurzeit wieder groß in den Medien. Oder besser gesagt: das Fehlen der Kinder. „Dramatischer Geburtenrückgang in Deutschland“, meldet die Tagesschau. Nur noch 1,36 Kinder pro Frau (zwischen 15 und 45 Jahren = sog. zusammengefasste Geburtenziffer) und Jahr. Oder anders ausgedrückt: 8,6 Geburten pro 1000 Einwohner und Jahr. Die ganzen Begriffe der Bevölkerungsstatistik sind ziemlich kompliziert, selbst die Wikipedia stiftet mehr Verwirrung als sie aufklärt (oder ich bin zu dämlich, es zu begreifen).

Lassen wir mal die statistischen Kennziffern beiseite und stellen fest, dass wir von der Zahl 2,1 Kinder pro Frau, die für eine stabile Bevölkerungslage nötig ist, weit entfernt sind. Wir werden also weniger. Der Spiegel schiebt auch schon mal Panik und sieht überall Geisterdörfer entstehen.

Konservatives Familienbild als vermeintlicher Lösungsansatz

Und weil Geisterdörfer nun nicht so schön sind, macht sich das Bildungsbürgertum Gedanken, was denn nun getan werden muss. FAZ-Herausgeber Schirrmacher schreibt erstmal ein neues Buch und Spiegel-Kulturchef Matussek macht eine Titelgeschichte im Spiegel, in der dann der Kumpel vom Spiegel-Chef Aust, wieder der Schirrmacher, auch was sagen darf. Heraus kommt dann eine ziemlich peinliche Nummer, ein Loblieb auf die heile Familie, ohne die unser Land vor die Hunde geht. Oder es kommt sogar soweit, dass die Moslems in unser Land hineinstoßen. Wie schlecht muss es einem Menschen gehen, dass er solchen Käse schreibt?

Zumal die beiden Retter des Abendlandes zusammen Väter von gerade mal zwei Kindern sind. Dann bekommt das ganze ein kleines Glaubwürdigkeitsdefizit. Wenn schon denn schon sollten sich die beiden ein Vorbild an ihrem Bruder im Geister, dem Verfassungsrichter Udo Di Fabio, nehmen. Dieser stramme Konservative, der auch gerne mal in Buchform das traditionelle Familienbild propagiert, hat 4 Kinder gezeugt.

Fakten statt Pamphlete

Wer dagegen ein paar Fakten statt Polemiken haben möchte, sollte sich die Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, die gestern vorgestellt wurde und der Grund ist, dass plötzlich das Thema Geburtenrate wieder überall zu lesen ist, genauer ansehen (PDF, 4 MB). Und am besten in die Suche nach Gründen der für sinkende Geburtenzahlen auch noch einen Blick reinwerfen (Leseempfehlung, PDF, 0,5 MB).

Als Fazit heißt es dort:

Der Rückgang [der Geburten] ist dort am stärksten ausgeprägt, wo Frauen weitgehend emanzipiert sind, wo der Rest der Gesellschaft aber noch auf einem vergleichsweise traditionellen Entwicklungsstand verharrt. Gesellschaften, in denen die neue Rolle der Frauen anerkannt und unterstützt wird, zeichnen sich hingegen durch relativ hohe Kinderzahlen aus.

und weiter:

Die wichtigsten Maßnahmen auf dem Weg zu höheren Kinderzahlen und zu demografischer Nachhaltigkeit sind deshalb
– die Gleichbehandlung der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt;
– die Abschaffung von finanziellen Privilegien für die Institution Ehe, solange sie die Abhängigkeit der Partner voneinander fördern;
– die Sicherstellung einer Kinderbetreuung bereits ab dem ersten Lebensjahr.

und:

Deutschland ist Schlusslicht in Sachen Kinderfreundlichkeit

Leider fehlt der Blick auf das, was die Wirtschaft tun kann. Das ewige Gerede von mehr Flexibilität, dass man gefälligst seinem Job hinterherziehen soll, dass befristete Arbeitsverhältnisse doch was ganz tolles sind, bitte mal ablegen. Familie braucht Planbarkeit. Auch in finanziellen Dingen. Längere Arbeitszeiten, fehlende Teilzeitstellen sind zwar gut für Unternehmen, aber schlecht für Eltern. Geld ist wichtig, aber Zeit für den Nachwuchs ist noch wichtiger. Weil aber Frauen verständlicherweise nicht mehr Hausfrau sein wollen, muss sich Arbeitszeitflexibilität an den Bedürfnissen der Menschen ausrichten, nicht an denen der Unternehmen. Sonst sind nämlich auch bald keine Konsumenten mehr zum Kauf der Produkte da.

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