Archiv für den Monat: Juli 2006

Israel möchte die UNO nicht mituntersuchen lassen

Gillerman machte aber auch deutlich, dass Israel einer Beteiligung der Vereinten Nationen an der Untersuchung des Vorfalls nicht zustimmen werde. Noch nie habe Israel einer gemeinsamen Untersuchung zugestimmt.
(Spiegel Online, 28.07.06)

Soso, erst den lange bekannten UNO-Stützpunkt in die Luft jagen, nachdem die dort stationierten UNO-Mitarbeiter die israelische Armee darauf aufmerksam machten, dass die Raketen ziemlich nah an ihrem Haus vorbeizischen und dann auch noch mauern. Eine rein israelische Untersuchung erscheint mir zu wenig glaubwürdig.

Dass die iraelische Armee den UNO-Stützpunkt absichtlich angegriffen hat, glaube ich nicht. Aber offenbar wird der Schonung von Unschuldigen keinerlei Bedeutung beigemessen. Anders ist die Vernichtung des UN-Gebäudes trotz der Telefonate der UN-Mitarbeiter nicht zu erklären. Anders sind auch die vielen hundert zivilen Opfer nicht zu erklären.

Nachtrag (15.09.06): Offenbar waren falsche Karten mit ungenau eingezeichnetem UNO-Standort der Grund für die Bombardierung. Das geht aus einem Untersuchungsbericht Israels hervor, die UNO führen eigene Untersuchungen durch.

Regen

Herrlich, wenn endlich wieder Wasser vom Himmel fällt. Nach so langer Zeit der Trockenheit muss ich dabei sogar ein wenig grinsen. Werde ich im November wohl kaum wieder tun.
Wunderbar, diese frische kühle Luft. Seit vielen Tagen hat sich die Luft nicht mehr so angenehm angefühlt wie jetzt.

Nachtrag: Im Gegensatz zu anderen Teilen des Landes gab es in Halle einen schönen leichten Landregen.

Viecher

Nerviges Insektenzeuchs. Schwirrt um die Lampe herum, wenn man abends und nachts gezwungen ist, die Wohung durchzulüften, um keinen Hitzekoller beim Schlafen zu kriegen.
Will man aber in den Lüftungsstunden vorm Schlafengehen nicht untätig im dunklen Zimmer hocken, dann umschwirren einen gleich vielfältige Formen geflügelter Insekten. Lästig.

Lyssa und Kanzlerin Merkel: naiv und unpolitisch

Nun sag ich doch was dazu. Zu Katharina „Lyssa“ Borcherts Homestory mit Bundeskanzlerin Merkel.

Ich mag Reportagen, die mir den Menschen hinter der Figur des Politikers zeigen. Meist werden diese Porträts von Journalisten gemacht, die einen Politiker eine ganze Weile lang begleiten dürfen und Beobachtungen jenseits des Medieninteressen zeigen. Das gibt nicht selten tiefere Einblicke in den Politikbetrieb als man für gewöhnlich aus der Zeitung erfahren kann.

Aber natürlich schrammen solche Porträts immer nah an der PR vorbei. Schon allein deshalb, weil die Gefahr besteht, dass man die Politik dieses Politikers plötzlich gar nicht mal so schlecht findet, weil er auf einmal so menschlich erscheint. Ein gutes Porträt schafft es, den Unterschied zwischen Person und Politik zu wahren.

So nun zu Lyssa: Das Interview war natürlich nicht spontan, wie bei xolo.tv angekündigt, sondern abgesprochen. Spontan war nur Frau Merkel, als das Tage vorher vereinbarte Interview thematisch eine Stunde vorher über den Haufen warf und nur noch über ein bisschen locker plaudern wollte. So wurde aus einem Interview dann eine Homestory.

Der Termin für das Interview mit anschließendem Gespräch übers Bloggen war etwa zehn Tage vorher abgestimmt. Logischerweise läuft man nicht einfach vor dem Kanzleramt auf und ab und hofft, die Kanzlerin spontan zu Gesicht zu bekommen. Das Interview hat sie dann etwa eine Stunde vorher abgesagt und wollte nur über neue Medien reden. Das Mini-Gespräch, also das, was jetzt als Videoblog im Netz stand, kam tatsächlich ganz spontan zustande.
(Lyssa in den Kommentaren auf ihrem Blog)

Letztlich ist nichts gescheites herausgekommen. Es ist kein Interview geworden, weil keine Fragen von Belang gestellt wurden. Es ist kein Porträt, weil die journalistische Auseinandersetzung mit der Figur/Person Merkel fehlt. Stattdessen haben wir eine Homestory bekommen, die am Ende nah an der PR ist, bei der Lyssa vor Stolz, im Kanzleramt zu sein und der Bundeskanzlerin ein paar Plauderfragen stellen zu dürfen, fast platzte. Von einer angehenden Chefredakteurin erwarte ich mehr. Da erwarte ich mehr als ein „Ooohhh, sie ist ja so spontan“. Als Journalistin sollte man weniger Respekt vor einem Amt haben, sonst kann das später mit der Kritik an eben diesem nicht sonderlich gut werden.

Damit erwies sie sich als wesentlich cooler und spontaner als ich („meine Fragen, wo sind meine Fragen, warum ist mein Kopf so leer, Hiiiilfeee“), was z.B. auch erklärt, warum ich zwischendrin so ungeschickt neben ihr am Schreibtisch stehe und eben nicht 30 schlaue Fragen stelle. Gabe und ich waren aber so beeindruckt von ihrer unkomplizierten Art, daß wir das Video auf jeden Fall zeigen wollten, auch wenn es so gar nicht dem entspricht, was wir uns ursprünglich vorgestellt hatten.
(Lyssa über ihre Arbeit bei der Bundeskanzlerin)

Nein, ich sehe nicht ein, warum ich jetzt in Euphorie verfallen soll, nur weil eine Bloggerin mit der Kanzlerin plaudern durfte. Weil es so gewaltig nach Bürgerjournalismus aussieht. Allerdings muss ich nun nicht an Verschwörungstheorien mitstricken Überlegungen weiterspinnen, nach der Lyssa das Interview die Homestory nur machen durfte, weil ihr Vater Jochen Borchert mal Landwirtschaftsminister war und Mitglied der CDU/CSU-Fraktion ist. Statt über Papas Netzwerk hat die Tochter ein eigenes Journalisten-Neue-Medien-Netzwerk geklöppelt, das ihr den Termin mit der Kanzlerin verschaffte:

Das wird mir zwar ohnehin niemand glauben wollen, weil die Vater-Tochter-Erklärung besser in das Weltbild paßt, aber das Zustandekommen des Termins hatte recht wenig mit meinem Vater zu tun und sehr viel mit meinem eigenen Journalisten-Neue-Medien-Netzwerk. Ja, es gab zu einem späten Zeitpunkt eine Rückfrage bei meinem Vater, was denn seine Tochter so für eine sei und geschadet hat die Verwandtschaft in diesem Fall ausnahmsweise auch nicht, aber der eigentliche Kontakt kam ganz anders zustande.

Ich denke nicht, dass ich mit diesem Eintrag Teil einer hysterischen Aufregung bin:

witzig isses nur deshalb, weil man so kritik daran übt dass lyssa völlig naiv und unpolitisch der merkel ne bühne zur imagepoliturr bietet, aber die kritik genauso unsubstanziell, unpolitisch und naiv formuliert wie das was man kritisiert: die eine sagt „i’m excited“, der andere sagt „ich bin empört“.

Ich finde die meiste Kritik, die ich gelesen habe, gar nicht mal so unsubstanziell. An eine zukünftige Chefredakteurin darf ich doch wohl den Anspruch erheben, eben nicht „naiv und unpolitisch“ der Bundeskanzlerin nicht einfach eine Bühne zur Selbstdarstellung zu geben, oder? Spätestens nachdem alles im Kasten war und man sich die Bilder nochmal angesehen hat, hätte Lyssa merken müssen, dass sie da keine gute Arbeit geleistet hat, dass sie eine PR-Arbeit für Merkel abgeliefert hat. Das zu erkennen, das erwarte ich von einer Journalistin.

Postbank-Phishing mal anders

Normalerweise funktioniert Phishing ja so: man bekommt eine fingierte Mail, die vorgibt, von der Bank des Angemailten zu sein. Dann soll man auf einen Link klicken und PIN und TAN-Zahlen eingeben. Phishing bei der Postbank ist ja nichts neues.

Heute mal die etwas andere Variante. Ich habe einen handgeschriebenen (!) Brief von der Postbank im Briefkasten zu liegen. In dem steht, dass eine Frau von der Postbank hier in Halle mich vergeblich versucht hat anzurufen. Sie hätte „wichtige Informationen“ für mich und erbittet einen Rückruf.

Wichtige Informationen, die man mir telefonisch mitteilen muss und dafür sogar postalisch um einen Rückruf bittet? Klingt ja ziemlich wichtig. Vielleicht ist mein Konto leergeräumt? Glücklicherweise nicht, Onlinekontostand ist zwar niedrig, aber nicht anders als sonst auch. Mehr als Kontobewegungen hab ich mit der Bank nicht zu tun, also kann es so furchtbar wichtig nicht sein. Also gehts doch nur um Werbung? Hmm, da krieg ich nur Briefe für Kreditkartenangbote, die ich nicht haben will, auch nicht bei Super-Sonder-Special-Aktionen. Und wenn es um Werbung geht, muss ja wohl auch nicht noch selbst anrufen, oder?

Also gut, ruf ich die gute Frau mal an. Anderthalb Stunden lang ist nur besetzt, dann krieg ich sie an die Strippe. Ich bin der Herr Haase und ich sollte mich bei Ihnen melden. Ja, sie habe mich angeschrieben, weil die Postbank darüber informiere, dass im nächsten Jahr andere Konditionen bei den Freibeträgen von Zinseinkünften gäbe (jaja, Steuerreform, ich weiß) und sie mit mir gerne ein Anlagegespräch führen würde.

Anlagegespräch? Das war jetzt nun so wichtig, dass ich sie anrufen sollte? Dafür hab ich jetzt anderthalb Stunden die Wahlwiederholung gedrückt? Nur weil sie mir Geldanlagen andrehen will?!
Ich lehne dankend ab, weil ich nichts zum Anlegen ha…
„… ich würde aber trotzdem gern einen Termin für ein Gespräch mit Ihnen vereinbaren!“ Nun etwas unfreundlicher und bestimmter: „Nein, ein Anlagegespräch ist nicht nötig!“.

Ist das jetzt die neue Werbestrategie der Postbank? Den Leuten mit handgeschriebenen Briefchen von wegen wichtigen Informationen Angst machen und dann, wenn die Kunden merken, dass mit ihrem Konto alles in Ordnung ist und sie darüber erleichtert sind, ein Anlagegespräch aufschwatzen.

Über Klinsmann und Wendehälse

Zur Zeit sind alle Klinsmann-Fans. Bis kurz vor der WM waren das nur sehr wenige. Besonders in der Presse. Und ganz besonders natürlich die Blöd-Zeitung, aber eben nicht nur die. Da mochte ihn kaum jemand, da wurde er gerne kritisiert – von Redakteuren oder von vermeintlichen Fußballexperten (Ex-Spielern, Ex-Trainern, Bundesligavereinsmanagern), denen man eine Plattform bot, sich richtig auszukotzen.
Es waren natürlich immer die anderen. Die eigene Zeitung hat beim Klinsmann-Bashing natürlich nicht mitgemacht. Spiegel Online beispielsweise listet Kritiker und ihre Kritik auf. Kritik aus dem Spiegel kommt darin nicht vor. Gab es wohl nicht? Doch, gab es. Die Spiegelkritik hat was gefunden und listet die Skepsis an Klinsmann auf.
Schade, dass man jetzt keine Selbstkritik in den Sportteilen findet.

Ich habe Klinsmann am Anfang auch sehr skeptisch gesehen. Weiterlesen

Rätsel der Wirtschaft

Niedrige Löhne und längere Arbeitszeiten – ja, dann entstehen Arbeitsplätze. Kriegt man regelmäßig von Wirtschaftsverbänden, Ökonomen und Lobbyisten gesagt.

Wenn das so stimmen würde, dann müsste Ostdeutschland kaum Probleme mit Arbeitslosigkeit haben:

Die Arbeitskosten in den neuen Bundesländern lagen 2004 rund 28 Prozent unter Westniveau.

[…] im Verarbeitenden Gewerbe – also in der Industrieproduktion – [war der Lohnabstand zwischen Ost und West] mit 40,5 Prozent am größten.

Dass Arbeit in Ostdeutschland günstiger ist, liegt jedoch nicht nur an niedrigeren Löhnen. Der Abstand zum Westniveau ergab sich den Angaben zufolge auch aus längeren Arbeitszeiten.

Verglichen mit den übrigen Branchen lagen im Verarbeitenden Gewerbe die geleisteten Arbeitsstunden mit 7,5 Prozent am weitesten über denen im Westen.

(Netzeitung, 12.07.06)

Da stimmt doch was nicht. Wenn der Markt immer nach den günstigsten Produktionsbedingungen strebt, warum haben wir dann in Ostdeutschland flächendeckende Arbeitslosigkeit von 15-20%? Natürlich, Infrastruktur, Ausbildungsgrad und Rechtsnormen sind auch Standortfaktoren, die in die Produktionsbedingungen einfließen. Doch die sind im Osten gleichwertig zum Westen.

Die Bundesregierung hat heute eine Veränderung der Unternehmensbesteuerung beschlossen. Ok, man will die nominale Steuerlast senken. Also die Steuerlast, die außen drauf steht, aber in Wirklichkeit niemand zahlt. Das schreckt Investoren ab. Leuchtet mir ein.
Wenn aber der  Staatshaushalt knapp bei Kasse ist, warum gestaltet man diese Reform nicht einfach aufkommensneutral, sondern reißt ein 8-Milliarden-Loch in die Kasse?