Archiv für den Monat: September 2006

1,5 Millionen

Mehr als 1,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sterben jedes Jahr durch verseuchtes Wasser.
(tagesschau.de, 28.09.06)

Wegen wievielen Toten haben wir den „Krieg gegen den Terrorismus“ ausgerufen? – 3000.
Wieviele Milliarden stecken wir seitdem in Rüstung und Krieg? Zählt das noch einer?

Ich will keine Toten gegeneinander aufrechnen, aber die Zahl von 1.500.000 toten Kindern pro Jahr rückt vielleicht die Dimensionen zurecht.

Fehldarstellungen

„An einer deutlichen Senkung der Steuertarife für die Unternehmen führt kein Weg vorbei, will Deutschland zurück zu mehr Wachstum und Beschäftigung“, sagte ein Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) am Dienstag in Berlin.

Bräunig zufolge wird die steuerpolitische Diskussion in der Öffentlichkeit „von längst widerlegten Fehldarstellungen überfrachtet“. Dem würden jetzt Fakten gegenüber gestellt.
(Förderland via ddp, 26.09.06)

In einer Broschüre (PDF) mit „Fakten für die politische Diskussion“ legt dann der BDI lang und breit dar, warum die deutschen Industrieunternehmen zuviel Steuern zahlen und warum da dringend was getan werden muss.

„Fehldarstellungen“ ist dabei ein gutes Stichwort: manchmal gibt es Zufälle, die glaubt man kaum. Genau am selben Tag, an dem der BDI die hohe Steuerlast beklagt, legt das Handelsblatt eine Studie vor, nach der die Unternehmen in der Lage sind, ihre tatsächlich bezahlte Steuerquote kräftig zu senken:

Deutsche Aktiengesellschaften zahlen im Schnitt 28,2 Prozent Ertragssteuern und damit etwa zehn Prozent weniger als theoretisch nach der Gesetzgebung fällig wäre. Fast drei Viertel der 130 Industrie-, Handels- und Dienstleistungskonzerne schaffen es sogar, die Steuerquote auf weniger als 38,6 Prozent [der nominale Ertragssteuersatz] zu drücken.

Bund und Gemeinden müssen deshalb auf 7,3 Mrd. Euro Steuereinnahmen verzichten. Die Unternehmen nutzen gesetzliche Möglichkeiten zur Steuergestaltung wie Abscheribungen und niedrigere Steuersätze im Ausland.

Jaja, die armen Unternehmen, brechen fast zusammen unter der Steuerlast, nagen sozusagen am Hungertuch. Finanzminister Steinbrück nutzte auch gleich die Zahlen des Handelsblatt bei einer Rede vor dem BDI, will aber trotzdem wie bisher die Unternehmen um 5 Milliarden Euro entlasten. Er will bei der geplanten Unternehmenssteuerreform die Nominalsätze auf knapp unter 30% senken, dabei aber gleichzeitig Steuerschlupflöcher schließen.

Wenn man sieht, wie man die Steuerlast runterrechnen kann, klingt das vernünftig.

Kommt bald der große Lehrermangel?

Der Philologenverband, die Vertretung der Lehrer in Deutschland, warnt: Uns gehen die Lehrer aus. In den nächsten zwölf Jahren hören 350.000 Lehrer auf zu arbeiten.

Das klingt ja erstmal nach einer gewaltigen Zahl. Weniger gewaltig wird die Zahl allerdings, wenn man die prognostizierte Zahl der neuen Lehrer aus den Unis dagegen stellt: 296.000 (Zahlen der Kultusministerkonferenz). Macht eine Lücke von 75.000 – innerhalb von etwa 10 Jahren. Ok, klingt schon mal weniger dramatisch. Hinzu kommt ja noch, dass die Schülerzahlen in den nächsten 15 Jahren um 15-25% (je nach Schulbereich) sinken werden (Bildungbericht für Deutschland, PDF, S. 23). Die sinkenden Schülerzahlen sollte man meiner Meinung nach aber eher zur Verkleinerung der Klassen nutzen.

Diese Stellen sollen nicht besetzt werden können? Kann ich mir nicht vorstellen. Allerdings muss man dann vielleicht mehr Quereinsteiger einstellen. Natur- oder Geisteswissenschaftler mit pädagogischer Zusatzqualifizierung für weiterführenden Schulen und Sozialpädagogen für die Grundschulen könnten diese Lücken recht gut füllen, denke ich.

Es gibt 14.000 offene Lehrerstellen und mehr als 20.000 (PDF) arbeitslose Lehrer. Klar kann man das nicht 1:1 gegeneinander aufrechnen. Ein Geschichtslehrer kann nicht Mathe oder Bio unterrichten. Mir drängt sich aber eher der Verdacht auf, dass man eine bestimmte Anzahl an Lehrerstellen auch gar nicht besetzen will, um Geld zu sparen. Stattdessen werden vermutlich preiswertere Hilfskräfte eingestellt. Deren Qualität der Unterrichtsgestaltung muss dabei nicht mal schlecht sein. Lebenserfahrung kann viel mehr wert sein als ein Hochschulabschluss.

Bisher haben sich die Länder jedenfalls nicht als spendabel gezeigt, wenn es um Bildungsausgaben ging. In Sonntagsreden hingegen wird gerne Bildung angemahnt, Stundenausfall beklagt und besser finanzierte Hochschulen gefordet. Beim nächsten Haushaltsentwurf kümmert sich der jeweilige Finanzminister dann aber nicht mehr darum.

Weniger kompliziert und langwierig?

Wie war das, als die Föderalismusreform beschlossen wurde? Sollte nicht alles besser, schneller und einfacher werden?

Die Zuständigkeiten von Bund und Ländern werden klarer abgegrenzt, die Gesetzgebung wird weniger kompliziert und langwierig.
(Bundesregierung, 06.03.06)

Oh ja, wie klar die Kompetenzen abgegrenzt sind, wie wenig sich die Länder in die Gesetzgebung einschalten können, kann man jetzt beispielhaft an dem Gezerre um die Gesundheitsreform sehen. Nichts dagegen, dass die Koalitionsfraktionen um eine Lösung feilschen, aber was haben denn die Länder mit dem Gesundheitssystem am Hut?

Nachtrag (26.09.06): Die Länder haben mit dem Gesundheitssystem eine ganze Menge am Hut. Das Gesundheitswesen ist nämlich ein tolles Beispiel für die Mischkompetenzen zwischen Bund und Ländern. Jede größere Reform tangiert also auch in irgendeiner Form die Gesetzgebungskompetenz der Länder – schwups, schon sitzen die Ministerpräsidenten am Gesundheitsreformtisch. Gerade hier sollte eigentlich die Föderalismusreform doch ansetzen, dachte ich.

Telekom-Rechnung Online mit Virus

Die aktuellen Virenmails, die im Anhang angeblich die neue Rechnung haben, sind gar nicht mal schlecht gemacht. Zumindest sehr unverdächtig auf den ersten Blick. Schon deshalb, weil viele ja tatsächlich ihre Rechnung per Mail (Rechnung online) bekommen. Und der Virenscanner springt auch nicht an, obwohl die Signatur von gestern abend ist.

Der Text ist in passablem Deutsch verfasst, nur Umlaute gibt es keine. Der Text der Mail ist zwar grundverschieden von den richtigen Rechnungsmails, aber plausibel:

Guten Tag,
die Gesamtsumme fur Ihre Rechnung im Monat August betragt: 8500 Euro.

Sind Sie Unternehmer und benotigen unsere Rechnung zur Geltendmachung von Vorsteuerabzug? Bitte beachten Sie dann, dass Sie seit 29.12.2004 die Moglichkeit haben, Ihre Rechnung per E-Mail mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu erhalten. Sie konnen diese im Bereich „personliche Einstellungen“ aktivieren.
Sollten Sie dem Finanzamt bisher eine von Ihnen zusatzlich beauftragte Rechnung in Papierform zum Vorsteuerabzug vorgelegt haben, bitten wir au?erdem zu beachten, dass wir Ihnen diese nur noch in Form eines „Rechungsdoppels“ bieten konnen, da nur so vermieden werden kann, dass T-Com mehrere Rechnungsoriginale ausstellt.

Antworten auf Ihre weiteren Fragen zur digitalen Signatur finden Sie auch in unseren FAQs unter dem Stichwort „Digitale Signatur“.
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RECHNUNG ONLINE – TIPP DES MONATS
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Bei Fragen zu Rechnung Online oder zum Rechnungsinhalt klicken Sie bitte unter www.t-com.de/rechnung (oben links) auf „Kontakt“.

Mit freundlichen Gru?en
Ihre T-Com
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Ok, plausibel bis auf die Summe 8500 Euro.

„Waaaas? Aaaaachttausendfünfhunderteuro?! Das muss ich mir gleich mal angucken, wofür die Telekomiker soviel haben wollen.“

Dann klickt man auf den Anhang, der eine Datei mit der Endung .pdf.zip hat. Windows blendet bei mir immerhin das Symbol für Archive ein, wenn ich die Datei speichere. Das ändert sich, wenn man den Inhalt entpackt. Dann hat die Datei die Endung .pdf.exe und Windows zeigt das PDF-Symbol an. Standardmäßig sind bei Windows die Dateiendungen ausgeblendet, Otto-Normaluser klickt wohl jetzt sorglos auf das vermeintliche PDF und hat schwuppst einen Virus, Trojaner, Backdoor, Keylogger oder ähnliches Kroppzeuch auf seinem Rechner.

Steinhöfel vs. Rainer, Teil 3

Langsam entwickelt sich der Fall zu einem Running Gag. Nur ohne Witzigkeit. Rainer hat sich allerdings mit seinem letzten Beitrag, in dem er sich über Steinhöfel lustig gemacht hat, keinen Gefallen getan.

Wegen diesem Eintrag mit Bild (inzwischen ja entfernt; der Beitrag, nicht das Bild, das stammte von Steinhöfels Seite) über Steinhöfel hat Rainer erneut eine Abmahnung erhalten, diesmal mit einem Gegenstandswert von 40.000 (!) Euro. Steinhöfel sieht durch das Bild sein Persönlichkeitsrecht verletzt (wie geht das bei einem Bild aus einer Zeitung, das auch auf Steinhöfels Webseite steht?)
Sieht eigentlich danach aus, als wolle man Rainer mit hohen Gegenstandswerten und damit verbundenen hohen Kostennoten für die Abmahnung Angst machen und die Kasse der Anwaltskanzlei füllen. 30.000 Euro Gegenstandswert führten zu rund 1400 Euro Anwaltskosten. Wobei mir diese Kosten zu hoch vorkommen, wenn man sie mit diesem Rechenbeispiel und dieser Kostentabelle vergleicht.

Bei einem Gegenstandswert von 30.000 und einem Gebührensatzfaktor von 1,3 (mehr ist nur zulässig, wenn der Fall schwierig oder aufwändig war, trifft wohl bei einem Blog eher nicht zu, lässt sich ja leicht finden) komme ich nur auf 1166,26 Euro.

Ralf macht sich derweil mal Gedanken, ob wir alle von Steinhöfel verklagt werden, weil wir auf Rainers Blog verlinken und uns damit mit der Sache gemein machen.

Post vom Alki

Neulich noch wünschte sich Wagner mehr Frauen wie seine Mutter: Trümmerfrau, sexlos und spaß- und freizeitarm. Frauen, die einfach nur Mütter sind.

Jetzt allerdings ändert sich Wagners postulierter Frauengeschmack dramatisch: er wünscht sich ein Frau die raucht und säuft – so wie selber.

Ich jedenfalls liebe Frauen, die fluchen, die zu viel trinken, zu viel rauchen. Ich liebe Frauen, die so sind wie ich.

Prost!

Opel und Blogs – Die Fortsetzung

Beim Opel Astra ließ Opel 4 Blogger bloggen. Das gab ziemliche heftige Auseinandersetzungen über Käuflichkeit und Glaubwürdigkeit von Blogs. Opel zeigte sich trotzdem „zufrieden“ mit der Aktion, eine baldige Wiederholung sei aber eher unwahrscheinlich. Stattdessen macht Opel das mit dem Blogdings beim Antara nun selbst.

Zusätzlich sucht Opel über die Readers Edition zwei „unabhängige, kreative und objektive Live-Reporter“, die über die Vorstellung des neuen Modells berichten sollen.

Braunes Gesocks und die Abkehr von der Demokratie

Die NPD im Schweriner Landtag, die Überraschung und Erklärungsversuche aus der Politik sind meist naiv oder dümmlich. Arbeitslosigkeit ist weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung, um Neonazis zu wählen. Sie kann die Bereitschaft zum Kreuz bei den Braunen erhöhen.

Was erhoffen sich Menschen, die ihre Stimme den Neonazis geben? Sie erhoffen sich wohl gar nichts von ihnen. Die wenigsten wählen sie wohl aus ideologischen Gründen. Sie fühlen sich einfach unverstanden von der Politik. Im wahrsten Sinne des Wortes. Sie glauben nicht mehr daran, dass Politiker dem Gemeinwohl oder gar ihrem Wohl dienen. Sie glauben nicht mehr daran, dass Politiker wirklich wissen, wie es unten in der Gesellschaft aussieht, da, wo sie stehen. Vice versa ist es dann das gleiche: sie verstehen die Politik auch nicht.

Kann man es ihnen verdenken? Ich bin Politikjunkie, lese viel über Politik, höre Deutschlandfunk und behaupte von mir, ein nachdenklicher Mensch zu sein, der die Politik versteht. Verstehen im Sinne von: Ich kann Beschlossenes oder Angedachtes aus Berlin einordnen und kann mir dazu eine Meinung bilden. Aber nicht im Sinne von: Ja, das, was da gemacht wird, klingt vernünftig und ist wohl die beste Lösung. – Das eben gerade nicht.

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