Anfang September stellte Eva Herman auf einer Pressekonferenz ihr neues Buch vor. Eine Journalistin des Hamburger Abendblattes hörte dabei eine Nazihuldigung:
In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat.
Die Aufregung danach war groß, der NDR entließ Herman daraufhin.
Auf ihrer Website wehrt sich Herman nun gegen den Vorwurf, sie die Nazis für ihre Familienwerte gelobt. Allein der Sender RTL habe die Pressekonferenz mitgeschnitten, habe sich aber geweigert, den Mitschnitt rauszurücken. Dann tauchte im Internet noch ein Tondokument auf, das ein Originalmitschnitt sein soll.
Ein solches Tondokument veröffentlicht Herman als Originalzitat (als MP3 und als PDF-Abschrift). Aus dieser Passage soll dann durch die Abendblatt-Journalistin die obige Nazihuldigung geworden sein:
Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ‘ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68er wurde damals praktisch alles das alles, was wir an Werten hatten, es war ‘ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben….
Auch wenn man sich das Zitat ein paar durchliest – es bleibt wirr und unklar, was Frau Herman uns damit sagen will.
Keine Huldigung?
Dröseln wir das ein bisschen auf:
Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er Bewegung abgeschafft wurde.
Das Bild der Mutter wurde im Nazireich eher überhöht als abgeschafft. Sie sollte sortenreine Krieger fürs Deutsche Reich gebären, sich aber ansonsten aus allem raushalten. Die 68er hingegen wollten die Frau aus der reinen Mutterrolle, in die die Frauen in den 50ern und 60ern zunehmend gedrängt wurden, heraus bekommen.
Wie man NS-Ideologie und 68er hier zusammen nennen kann, ist mir schleierhaft. Und natürlich folgte dem Nationalsozialismus nicht gleich die 68er-Zeit.
Ok, hier hätten wir keine Huldigung der Nazizeit, eher eine – wenn man so will – Ablehnung. Wenn auch faktisch seltsam begründet.
Aber vielleicht doch ein bisschen Lob für Werte unter den Nazis?
Weiter gehts:
Mit den 68er wurde damals praktisch alles das alles, was wir an Werten hatten, es war ‘ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals* eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben….
Hier wird es nun vollkommen wirr. Wenn man das einfach so hintereinander weg liest, klingt es so, als sei die 68er-Zeit eine „grausame Zeit“ mit einem „durchgeknallten Politiker“. Wen und was meint Frau Herman damit? Kiesinger? Brandt?
Sie meinte mit der „grausamen Zeit“ wohl kaum die 68er sondern das Dritte Reich und der „durchgeknallte Politiker“ soll wohl eine Umschreibung für Hitler sein.
Wann ist jetzt aber „damals“ (mit dem Sternchen)? Für mich ist mit diesem „damals“ die 68er Zeit gemeint. Die Abschaffung von Werten wie Familie, Zusammenhalt und Mütter fand in dieser Zeit statt. Das sagt ja Frau Herman auch nicht zum ersten Mal, die Emanzipation der Frau ist für sie ja Grund allen übels und zu einer Massenbewegung wurde es eben nach in der 68er-Zeit.
Dieses „damals“ steht nicht für das Nazireich, obwohl sie noch einen Satz zuvor sagt, dass auch dort schon die Werte abgeschafft worden sind. Und so kommt es dann, dass die Worte „das, was gut war“ und „Wert“ mit dem Nazireich in einen engen sprachlichen Zusammenhang gebracht werden. Warum sollte Frau Herman sonst auf Schrecklichkeit des Naziregimes hinweisen, wenn sie sich nicht anschließend auf deren gute Werte berufen wollte.
Erst die Schrecklichkeit der Nazis beschwören und dann ein „Aber“ hinterherschicken, dass doch nicht alles schlecht war. Vom Muster her ist es das Gleiche, wenn immer wieder davon gesprochen wurde, dass Hitler zwar den 2. Weltkrieg und den Holocaust auf dem Gewissen hat, aber immerhin herrschte seinerzeit Vollbeschäftigung und tolle Autobahnen wurden gebaut und die Jugend hatte noch Respekt vor dem Alter.
Vorwurf der Nazihuldigung als zulässige Zuspitzung?
Wenn man will, könnte man also durchaus den Satz zu einem „Nicht alles bei Hitler war schlecht, Werte wie Kinder, Mütter und Familie waren gut“ zuspitzen. Man muss es nicht tun. Eva Herman hat sich aber mindestens sehr missverständlich und wirr ausgedrückt. Warum spricht sie nicht klar vom Missbrauch der von der ihr propagierten Werte durch die Nazis? Warum eiert sie da so rum? Dazu kann man doch einen glasklare, unmissverständlichen Standpunkt formulieren.
Ich mag es nicht, wenn man jemanden in eine Ecke stellt oder in eine Schublade steckt, in die derjenige nicht hingehört. Ich mag es nicht, wenn man jemandem ungerechterweise das Nazi-Etikett anpappt mit der Gewissheit, das von nun an jegliche inhaltliche Auseinandersetzung beendet ist. Der oder die Etikettierte hat nur noch damit zu tun, sich von diesem Vorwurf zu befreien; es geht von nun an um nichts anderes mehr.
Nazivergleiche kommen in der Regel dann, wenn einem sonst nichts mehr einfällt. Dabei fällt einem bei Hermans Thesen so viel mehr ein, dass man einen Nazivergleich getrost stecken lassen kann.
Ich habe eher das Gefühl, dass Frau Herman einen Kreuzzug für ihre Sicht der Familie führt und auf diesem Kreuzzug ist ihr manchmal nicht klar, wen sie da als historischen Zeugen benennt.
Nachtrag (10.10.07): Gestern abend war Frau Herman bei Kerner – mal wieder. Es ging in erster Linie um jenen missverständlichen Satz der Nazihuldigung. Sie redete sich einmal mehr um Kopf und Kragen. Sie sah bei sich keinen Fehler, gab noch nicht einmal die Missverständlichkeit ihres Satzes zu, faselte dann davon, dass man nicht gefahrlos über Geschichte sprechen könne, z.B. über jene Autobahnen von Adolf Hitler. Das alles führte dann dazu, dass Kerner Frau Herman deutlich machte, die Sendung zu verlassen. Kurz zuvor hatten Senta Berger und Margarethe Schreinemakers gedroht zu gehen.
Die Sendung kann man sich in der ZDF Mediathek nochmal ansehen.