Scharmützel in Hessen

Ich weiß gar nicht so recht, wie ich die Situation in Hessen einschätzen soll. Die SPD dort macht Fehler, aber trotzdem: Zu sehr sieht mir das aufgebauscht aus; zu sehr riecht es nach Kampagne. Spiegel Online will mir seit Tagen einreden, Beck wäre am Ende, Ypsilanti reißt ihn in den Abgrund und die gesamte SPD gleich hinterher.

Andererseits wird mir die angeblich so aufrechte Landtagsabgeordnete Metzger präsentiert, die sich allein ihrem Gewissen verpflichtet fühlt und deshalb nicht mit der Linken zusammenarbeiten will. Bei näherer Betrachtungsweise stellt sich aber heraus, dass Frau Metzger Ypsilanti ziemlich ins offene Messer laufen lassen hat. An der entscheidenen Fraktionssitzung, in der Frau Ypsilanti die Gefolgschaft der Landtagsfraktion für ihren Plan einer Minderheitsregierung unter Zusammenarbeit mit der Linken ausloten wollte, wegen eines Urlaubs nicht teilgenommen hat. Von den anwesenden Abgeordneten kam kein Einspruch und so ging Frau Ypsilanti mit dem Plan, sich der Wahl zur Ministerpräsidentin zu stellen, an die Öffentlichkeit. Das Veto von Frau Metzger kam dann zuerst in die Presse als ins Ohr von Frau Ypsilanti. Sieht aber nach außen ziemlich dumm für Ypsilanti aus.

Dann versucht die SPD in Hessen, Frau Metzger wieder auf Linie zu bringen, rät ihr ein Mandatsverzicht an. Die Wirkung nach außen: Eine Aufrechte soll gebrochen werden. Die Schlagzeilen sind dementsprechend. So sehr ich Abgeordnete mag, die nach Gewissen und nicht nach Fraktions- oder Parteidisziplin abstimmen – so wenig gefällt mir Frau Metzger in der Rolle der aufrechten Abgeordneten. Durch ihr Schwänzen der sehr wichtigen Fraktionssitzung kam es erst dazu, dass Ypsilanti wie ein Idiot dasteht. (Und nicht wegen Metzgers Nein zur Zusammenarbeit mit der Linken. Wenn für Frau Metzger fundamentale Gründe gegen eine Zusammenarbeit mit der Linken sprechen, dann sagt man das frühzeitig und nicht erst, wenn der Zug schon Fahrt aufgenommen hat.)

All denjenigen, die eine Zusammenarbeit der SPD mit der Linken verteufeln, die schreiben jetzt umso wilder die SPD runter. Missverständnisse in Hessen, Beck hütet krank das Bett, die SPD weißt nicht so recht, wie sie mit der Linkspartei umgehen soll – besser geht es kaum, wenn man eine Kampagne gegen die SPD starten will. Und so wird einerseits die Grün-Schwarze Koalitionsabsicht in Hamburg als Wiedervereinigung des Bürgertums bejubelt, andererseits darf sich die SPD in einem Fünfparteiensystem keinen neuen Partner suchen.

Und natürlich reitet man immer noch auf auf dem vermeintlichen Wahlbetrug bzw. Wortbruch herum, dass Frau Ypsilanti vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei ausgeschlossen hat. Der Ausschluss solch einer Zusammenarbeit war der Fehler von Ypsilanti, nicht aber ihr jetziger Wille zur Minderheitsregierung unter Zuhilfenahme der Stimmen der Linkspartei.
Es gibt schlimmere Brüche von Wahlversprechen. Zumal die Einhaltung eines Nichtkoalitionsundnichtzusammenarbeitsversprechen eh nicht in den Händen der Gewählten liegt, sondern einzig die Wähler darüber entscheiden, wie die Mehrheitsverhältnisse liegen. Dann ist es an der Zeit, sich die Mehrheiten zu suchen, die man für eine Regierung braucht. Frau Ypsilanti tut das – wenn auch zugegebenermaßen recht ungeschickt.

Apropos Mehrheit: Was ist eigentlich so schlimm daran, wenn man der Frau Metzger ihren Willen lässt? SPD, Grüne und Linke kommen auf 57 Stimmen, 56 Stimmen sind die Mehrheit im hessischen Landtag. Es kommt also auf Metzger gar nicht an.
Wenn man einerseits gewissens- statt linientreue Abgeordnete wünscht, darf man andererseits in der Presse nicht losplärren, wie wenig geschlossen doch Partei X agiert und wie wenig Führungsstärke Parteichef Y zeigt. Da ist doch ganz viel Heuchelei und Opportunismus von den Medien dabei.

3 Gedanken zu „Scharmützel in Hessen

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