Ein paar lose Gedanken zur Finanzkrise: „Kabarettreifes Konvertitentum“

Hab schon lange nichts mehr geschrieben hier in meinem Blog. Dabei gäbe es soviel zu Schreiben. Ich versuche mal, meine Gedanken zur Finanzkrise ein wenig in Worte zu fassen. Ich staune noch immer, wie gerade einerseits an der Börse Unsummen vernichtet werden, andererseits aber der vermeintlich klamme Staat plötzlich mit Milliarden um sich wirft, um die zu retten, die gerade noch selbst Jahr für Jahr Milliarden Gewinne erwirtschaftet erbeutet haben.
Nicht weniger staune ich, wie das Credo vom freien Spiel der Marktkräfte quasi über Nacht über Bord geworfen wird. Und wie insbesondere diejenigen, die gestern noch besonders eifrig dem Gott namens „Markt“ gehuldigt haben und für den Rückzug des Staates eingetreten sind, heute umso lauter nach der rettenden Hand des Staat schreien. Ulrich Beck spricht angesichts dessen von „kabarettreifem Konvertitentum“ . Recht hat er.

Was lernen wir aus dieser Krise? Dass die vermeintlich besten Köpfe nicht in der Lage waren, diese Krise zu verhindern, dass bei allem vorhandenen Sachverstand der Herdentrieb überwog und keiner der diplomierten und promovierten Betriebs- und Volkwirtschaftler die Krise kommen sah. Andererseits kann ich mir auch gut vorstellen, dass man durchaus das Unheil kommen sah, aber nichts dagegen tat. Weil alle mitmachten und man dachte, man wüsste schon, wann man auszusteigen habe? Und vielleicht auch, weil man wusste, dass schon nichts passieren wird. Weil man genau wusste, dass das Bankensystem zu wichtig ist, als dass man deren Pleite riskieren könnte. Jedes Unternehmen muss letztlich dem Tod ins Auge blicken, wenn es schlecht wirtschaftet. Banken sind aber integraler Bestandteil des Wirtschaftssystems und dürfen nicht pleite gehen. Diese Gewissheit wurde ausgenutzt.

Die Wichtigkeit des Bankenwesens für das Wirtschaftssystem als solches wird jetzt immer wieder betont und als Begründung für das Rettungspaket und mithin die Milliardenbürgschaften angeführt. Dann stellt sich aber die Frage: Warum lässt die Politik einen so wichtigen Bestandteil der Marktwirtschaft so unreguliert schalten und walten? Warum durften denn Banken das System mit Finanzspekulationen an den Rand der Selbstzerstörung bringen? Warum lässt man denn die Kinder jahrelang mit dem Feuer spielen und wundert sich dann, wenn die Hütte brennt.

Diejenigen, die gestern noch Renditemaximierung fernab jeglicher staatlicher Regulation als ihr Motto ausgegeben haben, rufen heute umso lauter, wie wichtig der Staat ist. Und was heißt hier Staat? Das Geld kommt ja von uns, z.B. auch von denen, die gestern noch im Renditewettlauf auf die Straße gesetzt wurden. Und diese Wendehälse gibt es in der Politik und in der Wirtschaft. Gestern konnte die Deregulierung gar nicht weit genug gehen, heute werden Milliarden nur so rausgeschmissen.

Blick in den Abgrund

Ich kann mir nicht helfen, aber ich fühle mich irgendwie über den Tisch gezogen. Diejenigen, die das Geld bekommen, schreiben selbst am Gesetz. Der verantwortliche Staatssekretär Asmussen ist selbst einer dieser seltsamen Konvertiten, die gestern noch die undurchsichtigen Finanzderivate tat- und wortkräftig befürworteten und heute Pillen gegen die Folgen verabreichen.
Abgesandte des Bankenwesens haben, so ist mein Eindruck, Politiker beiseite genommen und ihnen offenbart, wie schlimm es ums Finanzwesen steht und ihnen einen Blick in die Zukunft offenbart, die uns allen bevorsteht, wenn nichts passiert. Was die Politiker gesehen haben, muss sie zu Tode erschreckt haben. Anders ist nicht zu erklären, warum plötzlich in einer Hauruck-Aktion Milliarden locker gemacht werden.

Von den Landesbanken lernen wir, dass der Staat nicht die bessere Bank ist, wenn er sich auf die gleichen windigen Geschäfte einlässt wie die Privatbanken. Außerdem sollten in die Aufsichtsgremien nicht verdiente aber kompetenzarme Parteimitglieder sondern Fachleute entsandt werden. Ähnliches gilt für vielleicht auch für Privatbanken, in deren Aufsichtsräten auch viele prominente aber nicht immer kompetente Leute sitzen. Oder sie interessieren sich nicht genug für ihre Aufgabe oder sie haben zu wenig Kontrollkompetenzen. Jedenfalls war die Kontrolle offensichtlich alles andere als effektiv.
Wenn man vom Versagen der Kontrolle spricht, gehören auch die Ratingagenturen genannt. Viele Banken bekamen bis kurz vor ihrer Pleite noch beste Ratings, ebenso die hochriskanten Junk-Immobilien-Derivate. Wenn sie nicht wissen, was in den Bilanzen drinsteht, kann man sie sich auch sparen.

Godwins Gesetz und der anonyme Systemfehler

Schön zu sehen, dass es trotz aller Umbrüche auch Konstanten gibt. Godwins Gesetz gilt auch jetzt noch: Irgendwann kommt in jeder Diskussion der Nazivergleich. Diesmal hat ihn der Ifo-Chef Sinn eingebracht. So wie 1929 die Juden für die Weltwirtschaftskrise schuldig gemacht wurden, sind es heute die Manager. Doch diese bedauerlichen Geschöpfe können gar nichts für die aktuelle Krise. Es sind „anonyme Systemfehler“, die diese Krise verursacht haben. Es ist zwar schön, wenn ein nicht gerade marktkritischer Ökonom Systemfehler entdeckt, aber er macht sich zu einfach. Der Herdentrieb ist sicher auch systematisch bedingt, aber es sind immer noch Menschen, die aktiv mitlaufen. Und die verbrieften Kreditrisiken haben sich auch nicht selbst zu einem undurchsichtigen Paket geschnürt, sondern waren die Erfindung von Menschen. Sinn tut ja gerade so, als wenn das imaginäre Wesen „Markt“ plötzlich ein Eigenleben entwickelt, durchdreht und die Menschen können nur hilflos zuschauen…

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