Privatheit im Internet darf keine Privatsache sein

Hans Magnus Enzensberger gibt Tipps, wie wir in Zeiten wie diesen der Überwachung auf Schritt und Tritt unsere Privatssphäre bewahren können:

Für Leute, die keine Nerds, Hacker oder Kryptographen sind und die Besseres zu tun haben, als sich stündlich mit den Fallgruben der Digitalisierung zu befassen, gibt es zehn einfache Regeln, wie sie sich ihrer Ausbeutung und Überwachung widersetzen können […]

Und dann geht’s los: Handy und Kreditkarten wegwerfen, Onlinebanking und E-Mails vergessen, Internetshopping einstellen, Facebook, Google und Amazon vermeiden.

Natürlich ist das Satire. Kriegen leider einige nicht mit. Hätte Enzensberger noch dazu geschrieben, alle sollen Strom und fließend Warmwasser abstellen und nur das selbstgezogene Gemüse aus dem eigenen Garten essen, wäre es vielleicht noch deutlicher geworden, was er mit dem Text sagen möchte: Wir können nicht mehr zurück. Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem der Einwand, man könne ja auf sowas wie Handys oder Onlineeinkauf und -banking verzichten, nicht mehr zieht. Das wäre genauso, als würde man jemanden sagen, er solle aufs Telefon, auf Strom und Zentralheizung verzichten.

Wenn wir uns darin einig sind, dass wir ohne Internet und Datenvernetzung nicht mehr können (oder nicht mehr wollen, so wie es ohne Strom zwar auch geht, aber arg unpraktisch ist), dann ergeben sich auch andere Konsequenzen daraus: Wir müssen endlich aufhören, das Internet als kleine Spielerei zu betrachten, in dem wir unsere Freizeit verbringen. Das Dingen aus vernetzten Rechnern ist ein zentraler Infrastrukturteil unserer Gegenwartswelt geworden und dafür gehören eben auch zeitgemäße demokratische Regeln aufgestellt: Was geht und was nicht geht, welche Daten benutzt werden dürfen und welche nicht. Von Enzensberger stammt ja auch der Ausdruck von den „postdemokratischen Zuständen“ im Zuge der publik gewordenen flächendeckenden Überwachung des Internets durch die Geheimdienste.

Wir haben ein Recht darauf, dass Regeln für den Datenschutz im Internet eingehalten werden, dass nicht alles gespeichert und ausgewertet werden darf, was möglich ist. Und wir haben auch ein Recht darauf, dass es der normale Bürger kann und nicht nur „Hacker, Nerds und Kryptographen“. Um bei meinem Strom-Bild zu bleiben: eine Steckdose ist so simpel, für die sichere Benutzung muss ich kein Elektriker sein. Stecker rein – fertig. Idiotensicher. Datenschutz darf keine Privatsache sein, keine Sache individueller Sachkunde. Darum muss das Problem auch politisch gelöst werden und weniger durch die Verschlüsselung privater E-Mails oder das Nutzen von https.

Am Ende mahnt Enzensberger dann zum Handeln:

Der Schlaf der Vernunft wird bis zu dem Tag anhalten, an dem eine Mehrheit der Einwohner unseres Landes am eigenen Leib erfährt, was ihnen widerfahren ist. Vielleicht werden sie sich dann die Augen reiben und fragen, warum sie die Zeit, zu der Gegenwehr noch möglich gewesen wäre, verschlafen haben.

Ein Gedanke zu „Privatheit im Internet darf keine Privatsache sein

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