Linkdump Nr. 1

Heuchelei plus Populismus. Georg Diez in seiner Kolumne auf Spiegel Online über den Umgang der SPD mit Sebastian Edathy und wie beim Thema Pädophilie und Kinderpornografie der Wunsch, irgendetwas tun zu müssen, zu einem Rückfall in „archaische Rituale der Ausgrenzung“ führt.

Der Pädophile ist der Teufel unserer Tage. Er hat keine Rechte mehr, er hat keine Würde mehr, es reicht der Verdacht, um ihn zu erledigen: Der Pädophile ist der Feind, auf den sich alle einigen können.

Er wird ausgestoßen aus der bürgerlichen Gesellschaft, ausgestoßen aus der Partei, die ihm doch Heimat und Halt sein sollte – und es ist schwer nachvollziehbar, wie die SPD es mit ihrem Selbstbild verbindet, dass sie jemanden, der am Boden liegt, auch noch tritt.

Wo aber bleiben Gedanken wie Therapie, Hilfe, Resozialisation, eine andere Art, mit gesellschaftlichen und individuellen Problemen und Missständen umzugehen, als Überwachen und Strafen?

 

Die Mär vom Miliardenmarkt. Alvar Freude geht der Frage nach, woher das Gerücht „Milliardenmarkt Kinderpornografie“ kommt und findet nur erfundene Zahlen, die dann weiterverbreitet werden. Ergebnis:

Sprich: es gibt keinerlei belastbare Quelle für die Behauptung eines 18 oder gar 20 Milliarden US-Dollar großen Marktes. Einer plappert die „Schätzung“ des anderen nach, reißereische Zahlen werden veröffentlicht, seriöse Untersuchungen gehen unter.

Nach dem Fall Edathy: Wie mit Nacktbildern von Kindern umzugehen ist. Ein hörenswerter Beitrag aus der wochentäglichen Reihe „Hintergrund“, ohne Schaum vorm Mund und aus der Sicht derjenigen, die täglich mit dem Thema Kinderpornografie befasst sind.

Wir sind alle freiwillig auf der Dienststelle, und wenn jemand merkt, er kann das nicht mehr, dann geht das sehr schnell, dass der woanders hingesetzt wird, das ist nicht unbedingt ein Karriereknick, das wissen auch alle Kollegen, dass das nicht bedeutet, dass man nicht hart genug war.“

[…]

Die weitverbreitete Meinung, der Kinderpornografie-Markt werde durch international agierende Banden dominiert, deckt sich also nicht mit den Erkenntnissen der Berliner Ermittler. Sie haben es vielmehr mit Foren und Tauschringen im Internet zu tun, in denen Pädophile ihre oft selber produzierten Fotos und Filme anbieten.

 

Die NSA und kein Ende. Aktuell, also auch nachdem die Sache mit dem abgehörten Handy von Merkel aufgeflogen ist und Obama ihre Überwachung stoppen lies, werden weiterhin hunderte „Entscheidungsträger“ in Deutschland überwacht:

Nach Einstellung der Abhörmaßnahmen gegen Angela Merkel hat der US-Geheimdienst NSA laut „Bild am Sonntag“ die Lauschaktionen gegen das Umfeld der Kanzlerin verstärkt. Dabei seien engste Vertraute, wie etwa der frühere Verteidigungs- und jetzige Bundesinnenminister Thomas de Maizière ins Visier genommen worden.

[…]

Der Zeitung zufolge überwacht die NSA in Deutschland derzeit 320 Personen. Dafür habe die NSA hierzulande allein 297 Mitarbeiter stationiert. Es handelt sich dabei vorwiegend um Entscheidungsträger aus der Politik, aber auch der Wirtschaft.

 

Enzensberger und die Weltrevolution. Don Dahlmann mit einer lesenswerten Einordnung von Enzensbergers kürzlich erschienenen FAZ-Artikels.

Ja, das Ding von Enzensberger liest sich im ersten Moment, als sei Karl Kraus kurz mal durchs 21. Jahrhundert gehüpft. Ja, da steht auch provokativer Quatsch drin, der knapp am Trollen vorbeischrammt, aber es ist ja auch nicht das erste Mal, dass er zu diesem Stilmittel greift. Und so ganz unrecht hat er auch nicht. Dafür muss man seinen empörten “Der will mir mein Handy wegnehmen” Blick vielleicht für einen Moment mal erheben und selbigen über den Tellerrand schweben lassen. Dazu gehört auch die Frage, aus welchem gedanklichen Umfeld so Überlegungen kommen könnten, immerhin ist Enzensberger ja kein weltfremder Vollidiot.

[…]

Enzensberger sieht in der Technologie (Smartphone) eine Kontroll- und Repressionsapparatur, die den klassischen Freiheitsbegriff des liberalen Bürgertums untergräbt. Dass nämlich weder ein Unternehmen noch der Staat im Leben der Menschen etwas zu suchen hat, bzw. seine Freiheitsrechte gefährden darf.

Beide Seiten haben sich rauszuhalten, der Staat ist dafür da, Übergriffe auf die Freiheit seiner Bürger abzuwehren, in dem er sich auf die Seite der Bürger stellt. Stattdessen, und das beklagt er ja nicht zu Unrecht, geschieht das Gegenteil, der Bürger wird alleine gelassen, soll zustimmen, aushalten und der Erosion der Bürgerrechte still zu sehen.

Schlimmer noch: der Staat kann gar nicht mehr glaubwürdig als Datenschützer auftreten, denn er möchte ja selbst soviele Daten wie möglich sammeln, speichern und auswerten.

 

Das Armband der Neelie Kroes. Frank Schirrmacher über die Überwachung der Gesellschaft. Wir begeben uns freiwillig in diese Überwachung, ohne die Folgen zu bedenken und die Politik stemmt sich nicht dagegen. Am Ende steht die überwachte, kontrollierbare und kontrollierte Gesellschaft.

Die Frage, die sich stellt, lautet: Wollen wir eine Politik, die Betriebsanleitungen vorliest, oder eine, die sie in demokratischen Kommunikationsverfahren verfasst? Wollen wir, dass Normen durch selbstregulierte technische Systeme gleichsam instinkthaft eingeübt werden – und genau das passiert gerade – oder dass sie reflektiert und diskutiert werden?

Die neuen Überwachungs- und Informationsmärkte sind nicht spontan entstanden. Sie wurden bewusst geschaffen. Das Abgreifen von Daten in Echtzeit und ihre Umwandlung in Kontroll- und Planungssysteme ist kein Fall-out-Produkt von Technologien, die für ganz anderes gedacht waren, sondern ihre Aufgabe. Womit wir heute zu tun haben, ist das Ergebnis von „Big Science“, einem ursprünglich militärisch inspirierten Format, das Verluste und Gewinne berechnet, strategische Vorhersagen trifft und Befehlsketten stabilisiert.

Der Beginn einer FAZ-Serie. Ich bin gespannt.

Anhaltend hohe Vermögensungleichheit in Deutschland. Das Durchschnittsvermögen liegt bei 83.000 € pro Kopf, das Median-Vermögen hingegen bei nur 17.000 €. In Wahrheit ist der Spread noch höher, weil in solchen Umfrage-Statistiken die Superreichen unterrepräsentiert sind. 1% der Bevölkerung haben gut 800.000 € oder mehr, 20% der Bevölkerung haben kein Vermögen.
Privatvermögen übersteigt 10 Billionen-Grenze.

Der Staatsverschuldung von derzeit mehr als zwei Billionen Euro steht damit nicht nur ein immens höheres Nettovermögen gegenüber – es wächst auch 60-mal so schnell wie die Staatsverschuldung. Über ein Drittel des Reichtums liege allerdings in der Hand von nur einem Prozent der Deutschen, kritisiert die Gewerkschaft.

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