Der Parlamentsvorbehalt bei Einsätzen der Bundeswehr soll geschwächt werden

Der nächste Baustein auf dem Weg zur Militarisierung der Außenpolitik:  Jetzt soll am Parlamentsvorbehalt für Kampfeinsätze der Bundeswehr gesägt werden. Dafür wurde eine Kommission eingerichtet. Vorsitzender wird der ehemalige Verteidungsminister Volker Rühe sein. Kommissionen werden in der Regel dann eingerichtet, wenn die Politik zu feige ist, selbst unbequeme Entscheidungen zu treffen. Also schafft man sich selbst einen Sachzwang. Schon der Titel der Kommission ist der reine Hohn: „Kommission zur Überprüfung und Sicherung der Parlamentsrechte bei der Mandatierung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ nennt sie sich. Sicherung der Parlamentsrechte? Wozu Sicherung? Sie sind ja da und wenn man alles so belassen würde, wären sie auf ewig da. Das Gegenteil soll ja erreicht werden: die Parlamentsrechte sollen beschnitten werden. So heißt es dann im Beschlussantrag aus dem Deutschen Bundestag von den Regierungsfraktionen aus CDU/CSU und SPD zur Bildung der Kommission: „Die Arbeit der Kommission sollte sich auf folgende Aspekte konzentrieren“:

[…] – Untersuchung von Möglichkeiten der Abstufung der Intensität parlamentarischer Beteiligung nach der Art des Einsatzes unter voller Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; […]

Auf gut Deutsch: Bei welchen Einsätzen lässt sich der Parlamentsvorbehalt so umgehen, dass es gerade noch grundgesetzkonform ist. In der Kommission sitzen 16 Mitglieder, 4 davon werden von der Opposition entsandt. Die Gelegenheit zur Neuausrichtung der Parlamentshoheit über die Bundeswehr ist auch günstig: Wollte man den Parlamentsvorbehalt beseitigen, müsste das Grundgesetz geändert werden. Da trifft es sich ja gut, dass die Kommission zu einer Zeit eingesetzt wird, in der die Regierungskoalition 80% der Sitze im Bundestag innehat und damit problemlos eine Verfassungsänderung umsetzen kann. Ich gehe davon aus, dass am Ende die Kommission eine Schwächung (verkauft als Flexibilisierung oder Neustrukturierung, Anpassung oder andere Euphemismen) des Parlamentsvorbehalts empfehlen wird, auch wenn jetzt alle das Gegenteil behaupten. Wahrscheinlich wird ein Kompromiss herauskommen: die Regierung darf die Entsendung bestimmen, das Parlament behält das Recht zur Rückholung. Es ist naiv zu glauben, dass so etwas politisch umsetzbar wäre. Die Kanzlerin verspricht den Einsatz der Bundeswehr und das Parlament stellt die deutsche Regierungschefin vor der Weltöffentlichkeit bloß?! Ist das vorstellbar? In internationalen Angelegenheiten zeigt ja selbst die Opposition Beißhemmung. Bei den Eurorettungsschirmen lief es doch schon genau nach diesem Muster ab. Die Regierungschefs kungeln die Entscheidungen aus, das Parlament soll es dann absegnen. Und tut es eben auch. Auch die Opposition hat im Bundestag für die Rettungsschirme gestimmt. Glaubt doch wohl keiner, dass das im Falle eines Kriegseinsatzes (aus „humanitären Gründen“) anders ablaufen würde.

Parlamentsvorbehalt als Klotz am Bein?

Die Unionsfraktion, die in der Sache das Tempo vorgibt, macht auch schon mal klar, dass der Weg in Richtung Schwächung geht:

Der stellvertretende CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Andreas Schockenhoff wies in der Debatte darauf hin, dass dieses Konzept umfassender Aufgabenteilung nur funktionieren wird, wenn die Partner sich darauf verlassen können, dass Deutschland mit seinem breiten militärischen Fähigkeitsspektrum grundsätzlich zu einem Einsatz seiner Streitkräfte bereit ist, wenn EU oder NATO einen solchen beschließen. Sonst wären „Pooling und Sharing“ nur leere Worthülsen. […] Daher muss die Kommission Wege aufzeigen, wie einerseits das Parlamentsrecht bei fortschreitender Bündnisintegration gewahrt werden kann,  wie andererseits das Vertrauen in die Zuverlässigkeit im Bündnis sichergestellt werden kann. Dafür soll sie ein Spektrum von Instrumenten entwickeln, mit denen das Spannungsverhältnis aufgelöst werden kann. Als denkbare Möglichkeiten werden unter Fachleuten bereits Vorabzustimmungen in Verbindung mit dem bereits existierenden Rückholrecht, befristete Einspruchsmöglichkeiten, Berichtspflichten oder die Einrichtung von spezifischen Gremien diskutiert. Auch über eine Weiterentwicklung der abgestuften Parlamentsbeteiligung– je nach Tragweite des Einsatzes – wird nachgedacht.

Aus Sicht der Regierung ist es halt wahnsinnig unpraktisch, dass man immer das Parlament fragen muss, ob die Armee eingesetzt werden darf. International kann man dann eben keine verbindlichen Zusagen machen und das geht dann eben nicht zusammen mit dem Wunsch, jetzt in jeglicher Hinsicht ein global player sein zu wollen. In meinen zieht die die Argumentation, warum man den Parlamentsvorbehalt beschneiden will, höchstens auf den ersten Blick. Eine gemeinsame europäische Armee („Pooling“) mit verteilten Aufgaben („Sharing“) ist natürlich nur dann handlungsfähig, wenn im Falle eines Falles alle mitmachen. Ist natürlich doof (für den Rest der Armee), wenn z.B. 2/3 der AWACS-Besatzung aus Bundeswehrsoldaten besteht und die im Kriegseinsatz dann nicht fliegen dürfen. Auf den zweiten Blick zeigt sich allerdings, dass dieses Dilemma erst entsteht, weil es sich um eine Interventionsarmee und kein reines Verteidigungsbündnis handelt. Darum geht es eigentlich: um Kriegseinsätze außerhalb des NATO-Raums. Es geht um rechtlich und politisch höchst umstrittene Einsätze. So umstritten, dass es nicht selbstverständlich ist, dass nicht jeder mitmacht. Wie im Fall Irak, Afghanistan oder zuletzt Libyen und Syrien.

Diskussion ist nicht neu

Sollte der Parlamentsvorbehalt geschwächt werden, würde das das die Konstitution der Bundesrepublik verändern. Die Diskussion darum ist übrigens nicht neu. Schon 2003 gab’s darüber eine Diskussion mit den jetzt wiederkehrenden Ideen „Vorratsbeschluss“ und „Rückholrecht“. Das war zu Zeiten von Rot-Grün. 2007 dann machte eben jener Andreas Schockenhoff – der auch jetzt die treibende Kraft hinter dem Ganzen ist -, den Vorschlag für ein „Vorratsbeschluss“mit Rückholrecht (oder eben ein Ermächtigungsgesetz) für die Bundesregierung in Sachen Bundeswehrkontingenten. Daraus wurde damals nichts. Nun also ein erneuter Anlauf, mit erdrückend breiter parlamentarischer Mehrheit, begleitet von einer Kommission. Interessant ist auch, dass die Diskussion bereits von einer Fachkommission geführt worden ist: von der Kommission „Europäische Sicherheit und Zukunft der Bundeswehr“ am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Die kam vor ein paar Monaten, im Dezember 2013, zu einem Fazit:

Das ParlBG [Parlamentsbeteiligungsgesetz] stellt keinen Ballast für eine effektive Sicherheitspolitik dar. Es verhindert auch nicht per se eine stärkere militärische Integration im Bündnis oder in der EU. Es stellt vielmehr eine höchstrichterlich bekräftigte Forderung an unser demokratisches Gemeinwesen dar, wenn es um die schwerwiegende Frage des Gewaltmitteleinsatzes geht. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um solche Situationen handelt, die nicht durch das Recht auf Selbstverteidigung gedeckt sind. Im Idealfall verhindert die Parlamentsbeteiligung übereilte Entscheidungen, ermöglicht öffentliche Kontrolle, erhöht die Legitimität des Einsatzes und stärkt die Sicherheit Deutschlands.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Komission von CDU/CSU und SPD zu einem anderen Ergebnis kommen wird.

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