Staatswohlverständnis und andere Seltsamkeiten

Nur selten wird das Staatswohlverständnis von Politikern so deutlich wie in der vergangen Woche in der Edathy-Affäre.

Hans-Peter Friedrichs Verrat des Amtsgeheimnisses, dass gegen den MdB Edathy ermittelt wird, wird – nicht nur von Friedrich selbst – damit begründet, dass er zum Wohle der Allgemeinheit, des Volkes bzw. des Staates gehandelt hätte. Das wird dann aber immer nur so dahingesagt, näher erläutert wird es nie. Höchstens wird mal ganz allgemein erwähnt, dass man die Regierungsbildung nicht stören wollte (was durchaus im Wohle der Allgemeinheit liegen könnte) bzw. dass Edathy in ein Regierungsamt gekommen wäre. Plausibel ist beides nicht.

Spinnen wir beide Gedanken doch mal weiter:
(1) Während der Koalitionsverhandlungen wird plötzlich bekannt, dass gegen Edathy ermittelt wird (Friedrich konnte ja nicht wissen, wie lange die Polizei in Niedersachsen noch braucht für einen Durchsuchungsbeschluss). Was wäre passiert? Große Aufregung mit Sicherheit. Die Union macht möglicherweise ein Fass auf, versucht aus dem Fall politisch Kapital zu schlagen. Gibt sie die Koalitionsverhandlungen auf, gibt Merkel ihre nächste Kanzlerschaft auf? Wohl kaum! Ergo: eine Regierungsbildung wäre 1 Woche mit dem Fall Edathy lahm gelegt, danach geht alles so weiter.
(2) Edathy kommt in die Regierung (als Staatssekretät, als Nicht-Jurist ist er als Innenminister oder Justizminister nicht vorstellbar, das sind aber seine Spezialgebiete) oder bekommt ein Führungsamt in der Fraktion. Dann werden die Ermittlungen bekannt. Folge: 1 Woche Aufregung, Edathy tritt zurück, Nachfolger wird ernannt, Regierung macht weiter.
In keinem Fall wackelt der Staat, in keinem Fall ist in irgendeiner Weise das Wohl des Volkes gefährdet.
Stattdessen wollte Friedrich eine Fehlbesetzung der kommenden Großen Koalition verhindern. Er wollte einen öffentlichen Skandal der Großen Koalition verhindern (was er ironischerweise nun gerade erst forciert hat). Er wollte das Ansehen der Koalition schützen. Friedrich setzt damit Staatswohl mit Koalitions- und Parteienwohl gleich.

Der Zeitpunkt der Information des SPD-Chefs Sigmar Gabriel durch Innenminister Friedrich überrascht auch. Denn zu diesem Zeitpunkt gab es noch gar keine Koalitionsverhandlungen, es hatte nur Sondierungen gegeben. Der Geheimnisverrat durch Friedrich erfolgte am 17. Oktober, die Koalitionsverhandlungen begannen jedoch erst am 23. Oktober. Nach außen zierte sich die SPD noch ziemlich, ob sie überhaupt eine Regierung mit der CDU/CSU eingehen wolle. Hinter den Kulissen war aber offenbar alles schon sehr viel klarer absehbar. Warum sonst sollte Friedrich, sicherlich kein Freund der Sozies, einen Vorsitzenden des politischen Gegners informieren?

Was ich auch nicht verstehe: Warum steht auf SPD-Seite nur Oppermann in der Kritik? Klar, der hat mit seinem Anruf beim BKA-Chef Ziercke einen dicken Bock geschossen. Aber es war Sigmar Gabriel, der von Friedrich informiert wurde. Es war Gabriel, der die Information dann nicht für sich behalten konnte und sogleich an Steinmeier und Oppermann weitertratschte.  Also: warum steht Gabriel nicht in der Kritik? Doch wohl nur, weil eine Rücktrittswahrscheinlichkeit von SPD-Chef und Vizekanzler Gabriel unbedingt verhindert werden muss, weil sich sonst die SPD im Falle eines Falles gleich ganz aus der Regierung verabschieden würde.
Stattdessen darf Gabriel abgehobenen Unsinn verbreiten, dass doch jedermann beim BKA anrufen könne so wie Oppermann.

Der Anruf Oppermanns beim BKA-Chef Ziercke ist für sich schon eine interessante Sache. Oppermann ist Volljurist und war Richter, ist schon lange im Bundestag und war Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums. Er weiß also ganz genau, wer wann was sagen darf und wann nicht. Und natürlich wusste er, dass er nicht beim BKA anrufen darf, um sich irgendeinen Vorgang im Zusammenhang einer Ermittlung bestätigen lassen darf. Dass es um genau diese Bestätigung ging, hat Oppermann ja selbst in seiner ersten Pressemitteilung verlauten lassen, alle anderen Versionen erscheinen dagegen nicht sehr glaubwürdig.

Und es gibt noch ein interessantes Detail am Rande. Es heißt ja immer, es gehe nur um Inhalte, um das Personal gehe es erst gaaanz am Ende. Blödsinn. Oppermann sprach mit vielen SPD-Abgeordneten über deren politische Zukunft (in einer zukünftigen Regierung) und auch Friedrich dachte offenbar schon sehr früh – schon während der Sondierungsgespräche – über das zukünftige Personal nach. Keinen wird das überraschen, aber es steht eben in krassem Gegensatz zu dem, was nach außen hin gesagt wird.

Urbaner Ballungsraum als zukünftiges Kriegsgebiet

Wer sich gefragt hat, was für neue Einsätze die Bundeswehr in Zukunft vor sich hat, bekommt auf dem Truppenübungsplatz in der abgelegenen Altmark in Sachsen-Anhalt vielleicht einen Eindruck davon. Der dortige Truppenübungsplatz Colbitz-Letzlinger Heide hat Tradition, dort wurden u.a. kosovarische und afghanische Dörfer nachbebaut, in den dann die KFOR- und ISAF-Soldaten trainieren konnten.
Und dort entsteht zur Zeit die Übungsstadt „Schnöggersburg“. Ein „urbaner Ballungsraum“ mit Hochhäusern, Mehr- und Einfamilienhäusern, Industrieanlagen, „zerstörter Infrastruktur“ und einem „Elendsviertel“. Zur Zeit wird an einem 300 m langen Stück U-Bahn gebaut. Eine U-Bahn! Natürlich nur zum Trainieren von „Interventionen“ in Krisengebieten wie Afghanistan oder Mali oder anderswo in Afrika, versteht sich, die ja traditionell stark auf die U-Bahn setzen!

Eine U-Bahn-Infrastruktur zeichnet normalerweise sehr weit entwickelte Städte und Staaten aus. Und genau dort vermutet man seitens der Bundeswehr und der Regierung eben auch die „Konflikte“ der Zukunft: in modernen urbanen Ballungsräumen. Dazu würde dann auch Deutschland selbst gehören.
Um Kosten zu sparen wurde übrigens der Betrieb des Geländes an einen privaten Betreiber outgesourct. Und es ist „derzeit“ nicht geplant, dort auch Polizei und GSG9 trainieren zu lassen. Das alles geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor.

Intoleranz

Die Mehrheit braucht eine Minderheit von anderen, deren anders sein ihr das Gefühl gibt, der Mehrheit das Gefühl gibt, wir sind auf der richtigen Seite. Die Mehrheit verkörpert das Gute, und um das immer wieder bestätigt zu sehen, braucht sie auch das vermeintlich Böse und jede andere Erscheinungsform, sei das Hautfarbe, sei das sexuelle Orientierung, sei das nationale Herkunft, kann dazu benutzt werden, kann von der Mehrheit dazu benutzt werden, sich selbst als auf der richtigen, auf der guten Seite stehend zu definieren und die anderen auszugrenzen. Das ist der Sinn der Ausgrenzung: die Stabilisierung des Selbstbewusstseins der Mehrheit.

Das sagt der Historiker und Vorurteilsforscher Wolfgang Benz im Interview mit dem Deutschlandfunk. (auch „schön“: Zuschauerpost an den Deutschlandfunk zur Berichterstattung über Homosexualität)

Kein Bericht zu Olympia in Sotschi kam ohne den Hinweis auf die Homophobie in Russland im allgemeinen und Putin im besonderen aus. Dabei wurde offenbar vergessen, dass auch bei uns in Deutschland die Bornierten nicht weit weg sind. Entzündet hat sich das am Bildungsplan in Baden-Württemberg (hier der Entwurf), bei dem eben jedwede sexuelle Orientierung als gleichwertig und gesellschaftliche Normalität betrachtet wird. Das soll auch so den Schülern beigebracht werden. Alvar Freude hat Videos von der Demo gegen „die Indoktrination der Kinder“ am 1. Februar in Stuttgart gepostet. Die Transparente und die „Argumente“ der Bildungsplangegner finde ich schon ziemlich gruselig: so dünn ist die Decke der Aufklärung also.

nota bene: Die obige Erläuterung vom „Sinn“ der Ausgrenzung finde ich deshalb so genial, weil die sich auch auf ganz andere Bereiche anwenden lässt. Beispiel gefällig? Den eigenen Job kann man noch so scheiße und furchtbar schlecht bezahlt finden, solange es noch ein paar ALG-II-Empfänger gibt, auf die man mit dem Finger zeigen kann, kann man sich wenigstens auf der richtigen Seite und damit ein bisschen besser fühlen.

CCC will Ermittlungen zum NSA-Skandal erzwingen

Der Chaos Computer Club (CCC) hat am vergangenen Montag – zusammen mit der Internationalen Liga für Menschenrechte und dem Bürgerrechtsverein Digitalcourage e.V. – beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen die Bundesregierung erstattet (Anzeige als PDF, Möglichkeit zur Unterstützung).

Die Anzeige richtet sich auch gegen die aktuellen Präsidenten von BND, MAD, Verfassungsschutz des Bundes und der Länder und deren Amtsvorgänger sowie gegen deutsche, amerikanische und britische Geheimdienstagenten und ihre Vorgesetzten. Kurz: jeder, der irgendwie in die weltweite NSA-Spionage involviert war bzw. ist. Bei der Anzeige geht es neben der Agententätigkeit und dem Verstoß gegen den persönlichen Lebens- und Geheimbereich auch um den Vorwurf der Strafvereitelung. Soll heißen: die Behörden haben bisher der NSA und dem GCHQ beim Spionieren zugeguckt und haben bisher nichts getan, um die Sache aufzuklären, sie haben es bisher noch nicht einmal versucht. Mit der Anzeige soll der Generalbundesanwalt „dazu bewegt werden, endlich Ermittlungen aufzunehmen“.

Generalbundesanwalt Harald Range ist übrigens der, der auf der Jahrespressekonferenz im Dezember 2013 die NSA mit der NASA verwechselte und den britischen Geheimdienst GCHQ nur mühsam buchstabieren konnte. Insofern sind meine Hoffnungen nicht sehr hoch, dass ausgerechnet der jetzt Licht ins Dunkel bringen kann.
Andererseits muss ja was getan werden. Aus sich selbst heraus rühren die Geheimdienste und die Regierung keinen Finger und sehen dazu auch keine Veranlassung und die parlamentarische Kontrolle ist zu schwach.

So macht z.B. der Verfassungsschutzpräsident Maaßen keinen Hehl aus der Untätigkeit seiner Behörde:

Der Top-Geheime äußerte grundsätzlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit Snowdens. „Die Dokumente des NSA-Enthüllers Snowden sind voller Hinweise, aber ohne Beweise“. Der Verfassungsschutz sei allen Vorwürfen nachgegangen. „Wir haben weder valide Erkenntnisse, dass die Amerikaner Breitbandkabel in Deutschland anzapfen, noch ob aus der US-Botschaft in Berlin das Handy der Kanzlerin abgehört worden ist“, sagte Maaßen.

[…]

Laut dem Geheimdienstchef wisse man auch nicht, wie das Handy abgehört worden sei. „Ob aus der Botschaft – oder ob vielleicht über ein Kabel, das durch die USA führt, Daten mitgeschnitten worden sind“. Die Verfassungsschützer wüssten noch nicht einmal definitiv, dass die Kanzlerin abgehört worden sei. „Ansonsten hätte der Generalbundesanwalt – denke ich – ein Ermittlungsverfahren eingeleitet“, sagte Maaßen.

Aufgabe des Bundesamtes für Verfassungsschutz ist ausdrücklich das Aufklären und Verhindern von ausländischer Spionage in Deutschland. Aber selbst Monate nach Snowdens Enthüllungen weiß man in der Behörde nichts. Entweder ist das komplette Unfähigkeit oder totale Verweigerung. Beides ist inakzeptabel. Stattdessen wird rumgemault, dass Snowden nicht gleich „Beweise“ mitgeliefert hat. Es gab bisher kein Dementi der US-amerikanischen oder oder der britischen Regierung. Wie Sascha Lobo es letztens formulierte: beweisiger wird’s nicht mehr. Wer mehr will, muss selbst ermitteln.

Wenn das mit dem Generalbundesanwalt auch nichts wird, dann kann nur noch die Politik für Aufklärung sorgen. Politik ist hier im Sinne der Parlamentarier zu verstehen. Denn sie könnten für eine kräftige Durchlüftung – oder besser noch: der Abschaffung – der Geheimdienste sorgen. Nach dem NSU-Debakel ist das nun schon das zweite Komplettversagen des Verfassungsschutzes. Eigentlich ist er damit reif für die eigene Auflösung.
Vielleicht könnte es helfen, der Politik zu verdeutlichen, was das flächendeckende Abhören bedeuten kann. Der „Fuck the EU“Leak könnte ja durchaus Schule machen. Weitere Leaks mit Telefonaten und E-Mails aus den Regierungen und Parlamenten könnte da durchaus für einen Gesinnungswandel sorgen. Merkel zeigt ja überhaupt erst ein Fünkchen Interesse am NSA-Skandal, als bekannt wurde, dass ihr Handy abgehört wurde.

Deutschland vor einer Neuausrichtung der Außenpolitik

Bundespräsident Gauck hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz die Eröffnungsrede gehalten und dabei eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik gefordert.

Ich teile Gaucks Einschätzung, dass sich deutsche (Außen-)Politiker in den letzten Jahren wenig um die Veränderungen in der Welt gekümmert haben. Dass Deutschland in der Vergangenheit zu oft die Hände in den Schoß gelegt hat bzw. einfach mitgemacht hat. Merkel hat auch hier – ähnlich wie in der Innenpolitik – keine Ideen gehabt, Merkel hat auch hier in den letzten Jahren nur verwaltet und nicht gestaltet.
Wo war denn Deutschland, als der Arabische Frühling aufblühte? Wo war denn eine Alternativstrategie für Afghanistan? Was tut denn Deutschland dafür, die europäische Idee wiederzubeleben? Ist es nicht gerade deutsche Regierung (besonders unter Merkel), die Europa nur als Wirtschaftsraum zum Nutzen von Deutschland sieht, Südeuropa durch einen radikalen Sparkurs in Armut stürzt und gleichzeitig das Vorurteil der faulen Griechen, Spanier oder Italiener schürt? Wo war denn Deutschland, als eine Klimakonferenz nach der anderen ergebnislos beendet wurde? Wo ist Deutschland, wenn es darum geht, konsequent für Bürgerrechte und gegen die flächendeckende Überwachung durch Geheimdienste einzutreten? Wo ist das Handelsland Deutschland, wenn es darum geht, menschenverachtende Arbeitsbedingungen anzuprangern und zu verändern?

Eine Neuausrichtung wohin?

Wenn Gauck hier eine Korrektur möchte: Ja, sehr gerne. Das Primat der Politik zurückbringen, eine Zivilisierung statt Militarisierung der Außenpolitik? Ja, gerne! Deutschland setzt sich an die Spitze, um die EU zu demokratisieren? Ja, gerne! Die EU als global player etablieren, die gemeinsam für demokratische und republikanische Werte eintritt? Ja, gerne! Die UNO zu refomieren und wieder handlungsfähig machen? Ja, gerne. Und jetzt – ganz idealistisch: die Welt menschlicher und gerechter machen? Ja, ja, ja, sehr gerne!
Allerdings habe ich da meine Zweifel, dass Gauck das so gemeint hat.

Gauck sagt:

Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein. Eines haben wir gerade in Afghanistan gelernt: Der Einsatz der Bundeswehr war notwendig, konnte aber nur ein Element der Gesamtstrategie sein. Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen, wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen.

„Manchmal“ und „auch“ kennt man aus den vergangen Jahren. Vordergründig wird auch immer gesagt, dass erst alle diplomatischen Wege ausgeschöpft sein müssen. Am Ende verliert man aber doch zu schnell die Geduld und entscheidet sich für die vermeintlich schnellere und effektivere Methode und es wird viel zu schnell militärisch handelt – wie es sich ja die letzten Jahre gezeigt hat. Was haben wir denn aus Afghanistan gelernt? Doch wohl, dass Militär dort nun gar nichts gebracht hat. Sobald die westlichen Soldaten abgezogen sind, kehren die alten Machthaber zurück. Wo war denn eine Gesamtstrategie in Afghanistan? Und was heißt hier, eine „rein militärische Lösung“ werde Deutschland nicht unterstützen? Eine „rein militärische Lösung“ ist ein Angriffskrieg und dass wir den nicht unterstützen, dürfte einerseits klar sein und ist andererseits grundgesetzlich verboten. Und nochmal: eine rein militärische Lösung ist keine Lösung, damit wird gar nichts gelöst, die Probleme werden nur verändert und vergrößert.
Ironie der Geschichte: im 100. Jahrestag des Beginns des 1. Weltkrieges verknüpft Gauck (wirtschaftliche) Interessen mit militarisierter Außenpolitik.
Wie das „Ausschöpfen der Diplomatie“ dann am Ende aussieht, haben wir in Syrien gesehen. Die Militärmaschinerie lief schon auf Hochtouren und dann kamen die Verhandlungen mit Assad mehr zufällig denn beabsichtigt zustande.

Unvermutet schnell geraten wir hinein in eine Welt, in der sich einzelne so viel Vernichtungskraft kaufen können wie früher nur Staaten. Eine Welt, in der ökonomische und politische Macht wandert und ganze Regionen aufrüstet. Im Nahen Osten drohen sich einzelne Feuer zu einem Flächenbrand zu verbinden.

Gerade der Nahe Osten ist doch ein schönes Beispiel. Seit Jahrzehnten stützt der Westen dort undemokratische Regime, weil es uns genutzt hat, weil wir das aus der Region dort brauchen. Wir haben damit eine Demokratierung, eine Modernisierung dieser Region verhindert. Und jetzt wundern wir uns, dass sich das Pulverfass dort unten entzündet? Wir konnten und können gut mit undemokratischen Strukturen und Diktaturen dort unten leben, solange sie uns im Westen wohlgesonnen sind. Wo war denn die politische Unterstützung aus dem Westen für den Arabischen Frühling?
Und welche „Einzelnen“ meint Gauck, die sich Waffen in staatlichem Ausmaß kaufen können?

Handelswege schaffen auch mit Waffen

Gauck sagt auch:

Deutschland ist überdurchschnittlich globalisiert und profitiert deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung – einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.

Das liest sich für mich im Kontext des Rest der Rede danach, dass wir dafür sorgen müssen, auch weiterhin uneingeschränkt Zugang zu Rohstoff- und Absatzmärkten zu haben. „Manchmal“, siehe oben, dann eben auch mit der Bundeswehr. Ex-Bundespräsident Köhler hatte das auch schon mal gesagt, hatte sich damals ordentlich Kritik dafür eingefangen und ist dann beleidigt zurückgetreten.

Gauck spricht auch gleich die Kostenfrage an:

Es ist ja richtig: Probleme zu lösen, kann Geld kosten. Aber nicht nur in der europäischen Krise haben wir bewiesen, dass wir bereit sind, weit zu gehen, Bündnisverpflichtungen einzuhalten und Unterstützung zu leisten, weil dies letztlich in unserem eigenen Interesse liegt.

Was die Kosten angeht, hätte ich da übrigens eine Idee: Die, die davon am meisten vom freien Welthandel profitieren, sollten auch zur Finanzierung herangezogen werden: die Unternehmen. Wenn VW und Siemens stabile Absatzmärkte brauchen und der deutsche Staat dafür sorgen soll, dann sollte diese Unternehmen an den Kosten beteiligt werden. „Unser eigenes Interesse“ ist nämlich das Interesse der Industrie und nicht unbedingt des deutschen Bürgers.

Fazit

Der Tenor der Rede liegt mir zu sehr auf den wirtschaftlichen Interessen Deutschland und des Westens in Verbindung mit der Militär. Das ist in meinen Augen der falsche Ansatz. Mir geht es in Gaucks Rede zu wenig um die Gestaltung der Welt zugunsten der Menschen in der ganzen Welt und nicht nur in der westlichen Welt.

Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen haben sich offenbar mit Gauck abgesprochen und stoßen ins gleiche Horn. Und wenn es noch Zweifel gab, dass sich hinter der Neuausrichtung mehr als nur Diplomatie verbirgt, der dürfte von Außenminister Kerry eines Besseren belehrt worden sein:

„Bislang sind wenige Länder bereit, wirklich Führung zu übernehmen“, sagt Kerry. „Führung bedeutet nicht nur, gute Diskussionen in München zu haben. Es heißt auch, die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung zu stellen.“

Mit „Ressourcen“ sind sicher keine Heerscharen von Diplomaten und Entwicklungshelfern gemeint, sondern eben Soldaten und Kriegsgerät.

Snowden für Friedensnobelpreis nominiert

Edward Snowden wurde für den Friedensnobelpreis nominiert. Sollte er den Preis verliehen bekommen, wäre er damit nach Obama und der EU endlich mal wieder ein würdiger Träger den Preises gefunden und Snowden könnte dem Nobelpreis somit wieder seine Reputation zurückgeben.
Wichtiger noch: der Preis könnte Snowden schützen – vor Verfolgung, vor einem Schauprozess, vor dem Tod. Denn einen Friedensnobelpreisträger vergisst die Welt nicht so schnell und man geht mit ihm auch anders um. Snowden hatte ja im Interview mit dem NDR gesagt, dass er Rache der US-Geheimdienste befürchtet. Selbst die USA würden sich schwertun, einen Friedensnobelpreisträger „bei einem tragischen Unfall“ umkommen zu lassen oder ihn einem Schauprozess zu unterziehen.
Wie die USA mit Whistleblowern umgehen, wissen wir ja spätestens seit Chelsea (vormals Bradley) Manning.

EU verzichtet kurzsichtig auf die ambitionierte Klimaziele

Die EU lockert ihre ambitionierten Klimaziele und den Aufbau erneuerbarer Energien – weil es der Wirtschaft in der EU zur Zeit nicht so gut geht. Die Ökologie gegen die Ökonomie auszuspielen ist falsch und unklug, es ist kurzsichtig.

Schon in den „Grenzen des Wachstum“ wird dargelegt, dass die Kosten für das Umsteuern umso höher sind je länger man zögert. Das leuchtet auch ein: der „Zug“ Klimawandel setzt sich erst langsam in Bewegung und erhöht dann peu á peu die Geschwindigkeit. Je länger der Zug fährt, umso schneller wird er und umso kürzer wird die Strecke bis er gegen die Wand fährt. Will man ihn zum stehen bringen, muss man deshalb immer stärker bremsen. Das heißt, der Umbau der Wirtschaft – um den man über kurz oder lang nicht herum kommt – ist dann in kürzerer Zeit zu bewerkstelligen. Kürzer heißt dann auch, dass der Umbau hektischer geschehen muss und Anpassungsprozesse nicht die Zeit bekommen, die sie benötigen, um auf Akzeptanz zu stoßen und kontrolliert ablaufen zu lassen.
Je länger man wartet, umso teurer wird es also: zum einen fallen Kosten als Folgen des Klimawandels an (z.B. Schäden durch Stürme, Überschwemmungen, Starkregen, Hitzeperioden etc.), zum anderen ist gleichzeitig der Umbau zu stemmen, der in kürzerer Zeit und dadurch mit mehr Geld umgesetzt werden muss.

Ökonomisch könnte außerdem Europa (und insbesondere Deutschland) eine Vorreiterrolle einnehmen. Der Umbau auf eine nachhaltige Wirtschaft steht allen bevor, egal ob der Klimawandel kommt oder nicht: schlicht deshalb, weil die Rohstoffe endlich sind und es ein „weiter so“ nicht geben kann. Stattdessen könnten wir in Europa die Produkte, die Ideen, die Maschinen und Technologien liefern, die in naher Zukunft überall in der Welt benötigt werden. Das klingt doch nach einem guten Geschäftsmodell.

Eine andere Lesart: die Abkehr von den Klimazielen ist eine fatalistisch-realistische Politik der EU. Wenn der Klimawandel eh nicht mehr aufzuhalten ist und jede Zurückhaltung der EU ohne die USA und die BRICS-Staaten für den Klimaschutz nichts bringt, dann feiert man die Party weiter, bis der Kahn halt sinkt. So kann wenigstens noch eine Generation so weiter machen wie bisher und wer weiß, wer weiß, vielleicht passiert noch ein Wunder und man hat dann umsonst Wasser gegen den Schampus eingetauscht.

Regierungen werden die Geheimdienste nicht einschränken

Obama will also seinen Geheimdienst nicht an die Kette legen und die Reformen haben eher kosmetischen Charakter. Hat jemand etwas anderes erwartet? Und was ist eigentlich mit den Briten und deren Lauschereien? Fragt eigentlich mal jemand – sozusagen über den kurzen EU-Dienstweg – bei David Cameron nach, ob er seinem Geheimdienst das Spionieren verbieten wird? Die Antwort wäre die gleiche wie die von Obama.

Regierungen – egal welche – sind auf keinen Fall bereit, auf einen Geheimdienst, auf einen Nachrichtendienst, der ihnen direkt unterstellt ist und der sich weitgehend parlamentarischer und erst recht öffentlicher Kontrolle entzieht, zu verzichten. Sie werden sich dieses Instrument exekutiver Macht nicht wegnehmen lassen. Mehr zu wissen als der (politische) Gegner – darauf verzichtet keiner freiwillig.

Die deutsche Bundes- und die Landesregierungen machen es übrigens nicht anders. Wir haben ja unseren eigenen Geheimdienstskandal, der sich in nur einem Vokal vom amerikanischen unterscheidet: die NSU-Affäre. Eine unglaubliche Aneinanderreihung von Unfähigkeiten und Ekligkeiten tritt dort zutage. Da gärt und fault es gewaltig in der geheimen Dunkelheit. Die Aufklärung ist unendlich schwierig, Verfassungsschutz und Regierung mauern, wo sie nur können. War man auf dem rechten Auge blind? Mag sein, aber die Unfähigkeit setzt sich ja nahtlos in der NSA-Affäre fort: internationale Geheimdienste spionieren offenbar an unseren Geheimdiensten, deren Aufgaben eben auch die Spionageabwehr ist, vorbei. Entweder war das Unfähigkeit oder man wusste davon und wollte nichts verhindern – was spätestens mit dem Abhören des Kanzlerhandys als unwahrscheinlich gelten darf.

Was für Konsequenzen folgen daraus? So gut wie keine. Oder anders gesagt: Genausoviel, wie Obama jetzt verspricht: kosmetische Veränderungen an den Geheimdiensten und am Führen von V-Leuten, hier und da werden Leute ausgewechselt, ein Geheimdienstinsider soll im Kanzleramt die Geheimdienste besser koordinieren (was auch immer das heißen mag) und das Parlamentarische Kontrollgremium soll (!) mehr Kompetenzen bekommen. Das System als solches wird hingegen kaum – abseits von Teilen der Grünen und Linken – in Frage gestellt. Die Auflösung der unnützen und sogar schädlichen Dienste wird nicht mal ernsthaft diskutiert. Eine Demokratrisierung, die durchgängige Transparenz – was faktisch einer Abschaffung von Geheimdiensten gleich käme – steht seitens der Regierung und der sie stützenden Parteien im Bundestag auch nicht zur Debatte. Auch das Nichtreagieren der Regierung in dieser Sache erklärt sich dadurch, dass man die Schnüffelei in der Tat nicht sooo schlimm findet und die ganze Aufregung in (Teilen) der Bevölkerung nicht nachvollziehen kann. Als Exekutive macht man das nämlich jeden Tag selbst und kriegt regelmäßig die Berichte zu lesen.

Die ganze Diskussion um die NSA ist unehrlich. Einerseits will man von Regierungsseite überhaupt keine Affäre sehen und hält alles für mehr oder weniger unbewiesene Behauptungen und nutzt dieses Argument ja auch, um zu erklären, warum man sich so handzahm gegenüber den USA gibt. Andererseits stellt man die eigenen Geheimdienste nicht in Frage, mault aber rum, wenn Obama seine Geheimdienste nicht einschränken will. Freiwillig wird keine Regierung ihr letztes unreguliertes und nahezu unkontrolliertes Spielzeug hergeben. Das werden wir als Bürger uns erstreiten und erkämpfen müssen.

Familien(un)freundlichkeit 2014

Wie es um die Familienfreundlichkeit in Deutschland aussieht, konnte ich in den letzten Tagen anhand drei Nachrichten und der Reaktion darauf erkennen. Zuerst kündigte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel an, einen Nachmittag in der Woche für die Familie freizunehmen, dann machte die neue Familienministerin Manuela Schwesig den Vorschlag, Eltern zukünftig leichter und mit Steuergeldern subventioniert eine Teilzeitarbeit zu ermöglichen und die ewige Familienministerin und neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen möchte die Bundeswehr familienfreundlicher gestalten, u.a. auch mit mehr Teilzeitmöglichkeiten.

Jeder Vorschlag an sich ist nicht sonderlich spektakulär und man kann sicher so oder so dazu stehen. Was mich aber wirklich entsetzt hat, sind die Reaktionen darauf im Spiegel-Online-Forum (nachzulesen direkt unter den oben verlinkten Artikeln). Klar, sollte man Forenmeinungen nicht überbewerten, aber ich halte so ein großes Leserforum für irgendwie repräsentativ. Nehmen wir mal die Meinungen zum Schwesig-Vorschlag: Die überwiegende Mehrheit (zumindest auf den ersten Seiten, danach habe ich nicht mehr weitergelesen) ist der Überzeugung, dass für Familien eh schon zuviel Geld ausgegeben, sonstwie zu viel getan wird und ausgefallene Arbeitszeit durch Teilzeit oder Krankkeit der Kinder nur zulasten der Kollegen gehen, die dann diese Arbeit noch miterledigen müssen. Und überhaupt ist das ja alles total realitätsfremd. Wer Karriere machen will, der muss halt mindestens 40 Stunden arbeiten, sonst geht das überhaupt nicht, auf so Teilzeitkollegen ist ja auch kein Verlass, die sind ja gar nicht permanent erreichbar.

Spiegel Online bezeichnet Gabriel wegen einem (!) freien Nachmittag (!!) in der Woche (!!!) als „Vizekanzler in Teilzeit“. Ich hätte jetzt eher erwartet, dass Kommentare kommen, dass ein Nachmittag in der Woche das Kind von der Kita abzuholen ein bisschen dürftig ist als Vateraufgabe. Das ist jedenfalls meine Meinung. Ich würde einen Nachmittag in der Woche für mein Kind als viel zu wenig empfinden. Die Meinung im Forum ist aber genau anders: Gabriel sei priviligiert (als Politiker und Beschäftigter im öffentlichen Dienst) und nur deshalb sei sowas überhaupt möglich, in der Privatwirtschaft und erst recht bei Führungskräften dürfe es sowas gar nicht geben. Man wirft Gabriel eine laxe Einstellung zum Job vor, der nicht bereit ist, „alles“ für seinen Job zu geben.

Ja, natürlich ist diskriminierungsfreie Teilzeit und Vereinbarkeit von Familie und Beruf noch eher die Ausnahme als die Regel, sonst würde es ja nicht diese Aktionen und Initiativen geben. Und es würden sich nicht auch soviele Menschen genau das wünschen – sondern würden es längst machen. Für mich ist das Maulen nichts weiter als Denkfaulheit: ein 40-Stunden-Vollzeitjob ist die Norm, alles andere nur ein Kompromiss. Und diese Denkfaulheit kommt offenbar von Leuten, die eben keine Kinder haben. Wenn wir an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf nichts ändern, könnte ein Phänomen zum Problem werden: die, die Karriere machen und dann die Entscheidungsträger sind, haben keine Kinder und treffen dann Entscheidungen – in der Politik und in Unternehmen – die eben an den Bedürfnissen der anderen vorbeigehen – denen mit Kinder.

Denkfaulheit ist es auch deshalb, weil Teilzeit eine Frage der Organisation ist. Der Tag hat 24 Stunden, der Vollarbeitstag „nur“ 8 Stunden und trotzdem gibt es bestimmte Bereiche, die rund um die Uhr funktionieren müssen: z.B. Polizei, Krankenhäuser, Tankstellen. Also muss das organisiert werden. Sowas lässt sich auch organisieren, egal ob die Mitarbeiter nun 40, 30 oder 20 Stunden in der Woche arbeiten. Teilzeit für Soldaten sei Quatsch, heißt es dann, schließlich kann keiner nach 4 Stunden die Waffe fallen lassen. Nein, natürlich nicht. Aber bisher lässt auch kein anderer Soldat mit einer 40-Stunden-Woche nach exakt 8 Stunden die Waffe fallen und kein Polizist tut sowas und kein Chirurg lässt das Skalpell fallen. Es sind ja nur Durchschnittszeiten. Wenn längere Zeiten an einem Tag nötig werden, dann sind halt die freien Tage danach auch länger. Wo ist das Problem?!
Ich weiß auch nicht, woher die Vorstellung kommt, man könne mit z.B. 30 Wochenstunden keine so gute Leistung erbringen, dass man Karriere machen kann. Diese 40 Stunden sind doch nicht als letzte Weisheit vom Himmel gefallen und stehen in Stein gemeißelt für die Ewigkeit, das ist eher eine willkürlich Norm (bzw. genaugenommen ist es geschichtlich gesehen eine gewerkschaftlich und politisch erkämpfte Abeitszeitreduktion). Aber diese 40 Stunden stehen nicht selten einem angenehmen Familienleben im Weg.

Es muss da einen gesellschaftlichen Wandel im Denken geben. Vereinbarkeit von Familie und Beruf muss zum Normalfall werden, mit reduzierter Arbeitszeit und beruflicher Weiterentwicklung auch wenn man sich weiterhin um seine Kinder kümmern möchte – was nun mal Zeit beansprucht. Mit Homeoffice und Vernetzung wäre die Organisation der Arbeit auch so einfach wie nie.
Andere gehen noch weiter und fordern gleich eine grundsätzliche Reduktion der Normarbeitszeit hin zu einer 30-Stunden-Woche. Das würde sicherlich einiges entschleunigen. Aber das wäre ein eigenständiger Blogeintrag wert.

Die neue 80-Prozent-Koalition

„Deutschlands Zukunft gestalten“ steht auf dem neuen Koalitionsvertrag der neuen Regierung. Jetzt meckern einige, der Inhalt stünde eher für ein Verwalten als ein Gestalten. Ja hallo?! Das hat doch Merkel die letzten 8 Jahre auch schon gemacht. Genau dafür ist sie gewählt worden: dass sich nichts ändert. Der Wahlkampf der CDU war auf Merkel zentriert und im Fernsehduell mit Steinbrück hieß ihre Botschaft am Ende: „Sie kennen mich.“ Also: was war anderes zu erwarten?

Von der SPD hieß es im Wahlkampf, sie wolle das Land gerechter machen. Gemessen an diesem Anspruch ist sie gescheitert. Der Mindestlohn kommt verbindlich und uneingeschränkt erst 2017 und schon jetzt kommen Wünsche nach Ausnahmen hoch. Es wird keine Steuern geben, um die Vermögensungleichheiten zu verringern: keine höhere Erbschaftssteuer, keine höhere Kapitalertragssteuer, keine Vermögenssteuer. Damit bleibt Deutschland weiterhin ein Steuerparadies für Vermögende. Außerdem wird das unselige ALGII-System nicht angetastet. Gerechter wird das Land damit nicht. Trotzdem haben die SPD-Mitglieder dem Koalitionsvertrag mit fast 75% zugestimmt.
Der ganze Koalitionsvertrag ist frei von Ideen oder gar Visionen für Deutschland. Der einzige Lichtblick: der Umbau der Energieerzeugung hin zu regenerativen Energieträgern („Energiewende“). Wenn der Gabriel das hinkriegt als Wirtschafts- und Energieminister, dann wär das mal was. Manchmal habe ich den Eindruck, die Politiker in Berlin haben die historische Dimension dieser Sache noch nicht verstanden: ein Hochindustrieland steigt um von fossilien auf erneuerbare Energieträger. Damit könnten wir beispielhaft sein. Und so ganz nebenbei lässt sich mit diesem Know-How auch gutes Geld verdienen. Denn dass der Umbau kommen muss, kann ja keiner anzweifeln. Öl und Gas und auch Kohle sind irgendwann alle und zusätzliches CO2 sollten wir auch nicht mehr in die Luft pusten.

Aber zurück zum Koalitionsvertrag: Was kann man erwarten in Sachen Aufarbeitung des NSA-Skandals? Immerhin sind die beiden Versager Pofalla (Kanzleramtsminister) und Friedrich (Inneres) weg, aber der neue Staatssekretär im Kanzleramt für die Kontrolle der Geheimdienste wird ausgerechnet ein Geheimdienstler vom Verfassungsschutz, Klaus-Dieter Fritsche. Vom Verfassungsschutz! Unter deren Augen hat die NSA munter drauf los spioniert. Und in der NSU-Mordserie haben die auch beide Augen fest geschlossen gehabt und anschließend für sie peinliche Akten geschreddert. Und der soll Aufklärung betreiben?
Und neue Bundesdatenschutzbeauftragte wird mit Andrea Voßhoff eine ehemalige Bundestagsabgeordnete, nicht nur für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt und diese auch noch jetzt noch für richtig hält, sondern bisher nicht durch Datenschutzinteresse aufgefallen ist.

Über allem schwebt natürlich das Demokratiedefizit der neuen sehr Großen Koalition, die eine fast 80%-ige Mehrheit im Bundestag hat. Für die wichtigen Oppositionswaffen wie das Einsetzen eines Untersuchungsausschusses oder der Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht sind aber 25% der Abgeordneten nötig. Gerade das Mittel der Verfassungsklage war ja in den letzten Jahres des öfteren nötig. Insofern empfinde ich hier ein großes Unbehagen.

Wir werden sehen, wie sich das ganze in den nächsten 4 Jahren entwickelt.