Archiv für den Monat: März 2006

Kinder, Kinder

Kinder sind ja zurzeit wieder groß in den Medien. Oder besser gesagt: das Fehlen der Kinder. „Dramatischer Geburtenrückgang in Deutschland“, meldet die Tagesschau. Nur noch 1,36 Kinder pro Frau (zwischen 15 und 45 Jahren = sog. zusammengefasste Geburtenziffer) und Jahr. Oder anders ausgedrückt: 8,6 Geburten pro 1000 Einwohner und Jahr. Die ganzen Begriffe der Bevölkerungsstatistik sind ziemlich kompliziert, selbst die Wikipedia stiftet mehr Verwirrung als sie aufklärt (oder ich bin zu dämlich, es zu begreifen).

Lassen wir mal die statistischen Kennziffern beiseite und stellen fest, dass wir von der Zahl 2,1 Kinder pro Frau, die für eine stabile Bevölkerungslage nötig ist, weit entfernt sind. Wir werden also weniger. Der Spiegel schiebt auch schon mal Panik und sieht überall Geisterdörfer entstehen.

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mal wieder: SpOn und Blogs

Wenn Spiegel Online über Blogs berichtet, kommt meist nichts gescheites bei rum. So auch beim Artikel vom 14. März über „käufliche Blogger“:

Blogger rühmen sich, die Anti-Elite der Medienbranche zu sein. Doch längst haben die Revoluzzer begonnen, sich mit Konzernen zu arrangieren. Schon gibt es erste Fusionen der einstigen Todfeinde.

Anti-Elite? Revoluzzer? Todfeinde?!? Da musste wohl unbedingt ein ganz hartes Wort rein, damit der Artikel möglichst spannend angeteasert wird. Aufhänger des Artikels ist ein Blog, dass sich das Time-Magazin gekauft hat.

Marc Pitzke vom Spiegel meint nun, darin einen Trend zu erkennen, dass sich etablierte Medien und Blogs „arrangieren“. Als weiteres Beispiel dienen dann die Blogs des Hauses Gawker, eine Art Spreeblick-Verlag aus den USA. Die verdienen mit den Blogs Geld (wie gruselig) und einige Blogs von denen liefern sogar Inhalte ans Newsportal von Yahoo (noch grusliger).

Sowas ist natürlich alles ganz schlimm, weil diese A-Blogs natürlich keine Freizeitschreiberlinge mehr sind, sondern professionelle Blogger. Die anderen Blogs sind für SpOn gleich „winzig“ und „bedeutungslos“.

Durch diese paar Blogs, auch wenn es hochfrequentierte Blogs sein mögen, gibt es noch kein „Arrangieren“ zwischen Bloggern und Konzernen. Käuflich ist die Blogosphäre schon gleich gar nicht. Wenn nämlich diese A-Blogs den etablierten Medien zu ähnlich werden oder sich gar kaufen lassen, waren sie die längste Zeit A-Blogs. Blogs werden gelesen, weil sie ein Gegengewicht zu Presse und TV darstellen. So winzig und bedeutungslos die meisten Blogs auch sein mögen, in der Gesamtheit stellen sie eine Gegenöffentlichkeit zur bisherigen Medienlandschaft dar. Es wird wohl noch eine Weile dauern, bis SpOn das begreift.

statistisches ECHO

Warum eigentlich zählt sich der ECHO als der „zweitwichtigste Musikpreis“ (Selbstbetrachtung der ECHO-Macher, steht hier geschrieben) dieses Planeten? Ich dachte immer, für die Reputation eines Preises sei die Qualität, die ausgezeichnet werden soll, entscheidend. Der ECHO ist ein reiner Verkaufspreis, es werden die jeweils Musiker ausgezeichnet, die in der jeweiligen Kategorie die meisten Platten verkaufen konnten. Das ist ein Statistikpreis – für die meistverkauften Künstler. Keine Jury sucht da nach Perlen der Musikszene, es zählt nur Masse statt Klasse.
Bestenfalls kann man den ECHO als Massengeschmackspreis bezeichnen, weil das Publikum hier ja durch den Kauf der CDs als Jury fungiert.

Gibt es irgendwo sonst Preise für das meistverkaufte Produkt? Soviel Selbstbeweihräucherung schafft wohl nur die Musikindustrie.

gesucht: Suchmaschine fürs Hirn

Kennen andere das auch: man erinnert sich dunkel an etwas, das man vor kurzem gelesen hat, weiß nicht mehr wo. Heute ist wieder so ein Moment.

Ich habe vor kurzem eine Grafik gesehen, in der die Arbeitslosigkeit in verschiedenen Ländern den Löhnen (oder Lohnstückkosten oder Bruttoarbeitslöhnen) gegenübergestellt wurde. Daraus war zu erkennen, dass es offenbar keinen einfachen Zusammenhang zwischen beidem gibt. Westdeutschland wurde dabei als 100 gesetzt, die anderen Länder entsprechend mehr oder weniger. So waren in Regionen mit niedrigen Löhnen (Ostdeutschland, Spanien, Polen, Slowakei etc.) die Arbeitslosenzahl bedeutend höher als in Westdeutschland.

Ich kann mich aber ums Verrecken nicht mehr dran erinnern, wo ich diese Grafik gesehen habe. In der taz? Eher unwahrscheinlich, weil es eine farbige Grafik war. In der SZ? In der Zeit? Nicht in deren Printausgaben, die hatte ich in letzter Zeit nicht in der Hand. In einem Blog? Auf einer anderen Website? Aber irgendwie ist mir so, als wäre es etwas auf totes Holz gedrucktes gewesen.
Ich kann mich ums Verrecken nicht erinnern, wo ich die Statistik gesehen hatte. In so einer Situation wünsche ich mir eine Suchmaschine oder eine Verlaufschronik für mein Hirn: alles, was ich den letzten Tagen gesehen habe, kann ich nochmal abrufen.

Wenn sich einer der Leser hier an die Grafik erinnert und mir die Quelle nennt: ewiger Dank ist dem- oder derjenigen sicher.

Notiz an mich für die Zukunft: alles interessante sofort speichern oder – sofern gedruckt – ausschneiden.

Nachtrag: Hah, ich hab die Grafik gefunden! Tatsächlich in der taz. In der vom 1. März. Zu diesem Artikel hier. Nun kann ich doch ruhig schlafen heute Nacht …

nächtliches Glaskugelgucken

Nach den elendigen Quizshows als Nachtprogramm haben jetzt Sat.1 und Kabel 1 eine neue Art gefunden, dem Zuschauer das Geld aus der Tasche zu ziehen: Betrüger Quacksalber Wahrsager.

Sat.1 lässt eine Frau mit Laptop in die Sterne gucken, bei Kabel 1 kann man sich die Karten legen lassen. Kriecht man ganz nah an den Fernseher heran, kann man erkennen, dass ein Anruf 48 Cent kostet. Ruft man dort an, kommt man hoher Wahrscheinlichkeit nicht zum Wahrsager durch, erhält eine Nummer für 1,99 Euro/min durchgesagt und muss es nochmal versuchen. Euphemistisch wird dieser Schwachsinn als „Beratung“ angepriesen. „Teleshopping“, rechts unten als kleiner Schriftzug eingeblendet, trifft es aber eher.

Quizshows haben nur den Geldbeutel der Anrufer belastet, jetzt wird auch noch das Hirn der Opfer erweicht, denen ein Blick in die Zukunft versprochen wird.

Ask.com

Ask.com greift Google an. So hieß es gestern in einem Artikel auf heise.de.

Der Name wurde von AskJeeves auf Ask verkürzt. Ähnlich entschlackt gibt sich die Oberfläche: wirkt sehr auf aufgeräumt (um nicht zu sagen: kahl). Die Suchmöglichkeiten der deutschen Variante sind verglichen mit der englischen noch sehr eingeschränkt. Aber ist ja auch noch im Beta-Stadium (wie sich das für neue Dinge im Internet heute gehört).

Zu einer guten Suchmaschine gehört neben einer guten Suchtechnik aber auch fleißige Spider. Und da scheint es bei Ask.com noch zu haken. Auf meinen Blogseiten schlug im Februar der Googlebot 3555 mal ein, die Crawler von Ask.com liegen mit 153 Hits abgeschlagen auf Platz 5.

Google ist so erfolgreich geworden, weil es in der Anzahl und der Qualität die besten Ergebnisse brachte (und wohl auch noch heute bringt). Ohne fleißige Suchrobots und damit großem Datenbestand wird aber weder das eine noch das andere gelingen.

Tür an Tür mit der US-Armee

[…] ein deutscher Verbindungsoffizier [soll] direkt dem Büro des damaligen US-Kommandeurs Tommy Franks zugeordnet gewesen sein, der Informationen der zwei BND-Mitarbeitern in Bagdad weitergeleitet habe.

Der Zeitung [die New York Times] zufolge hat der deutsche Verbindungsoffizier der amerikanischen Seite insgesamt 25 Berichte übergeben und dabei 18 von 33 Fragen der US-Armee beantwortet. In acht Fällen handelte es sich um Informationen über irakische Polizei- und Armeeeinheiten in Bagdad.

(Süddeutsche Zeitung, 02.03.06)

Sollte sich dies bestätigen, dann kann Steinmeier seinen Hut nehmen und das Nein der Regierung Schröder/Fischer erweist sich im Nachhinein als Scheinheiligkeit.

Bei dem zitierten Bericht handelt es sich offenbar um den geheimen Bericht der Bundesregierung an das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG). Die um 200 Seiten entschärfte, um geheime aber wohl auch um die interessantesten Stellen reduzierte Fassung (PDF) ist öffentlich einsehbar. Wenn dem so ist, dann fragt man sich allerdings, wie die Mitglieder der CDU und SPD zu dem Schluss kamen, dass nun alles schön und gut und ein Untersuchungssauschuss nicht mehr nötig wäre? Da wollte man doch die unschönen Details der Zusammenarbeit zwischen BND/Bundesregierung und USA vor der Öffentlichkeit geheimhalten.

Andererseits muss sich der deutsche Journalismus fragen, ob er zu feige war, diese Details selbst ans Licht zu bringen. Die NYT gibt als Quellenangabe für das Papier einen deutschen Journalisten an:

A copy of the secret version of the parliamentary report was made available for viewing by a journalist in Germany to a New York Times reporter […]

Nachtrag: Olaf Scholz (SPD), Mitglied des PKG, meint, dass es sich beim Bericht der NYT um „olle Kamellen“ handelt. Mag ja sein, dass es für ihn als Mitglied des Kontrollgremiums ein alter Hut ist, für die Öffentlichkeit ist es das nicht. Wozu überhaupt streicht man solche Fakten aus dem Bericht heraus? Dass es einen Verbindungsoffizier gab, ist ja wohl kaum eine sicherheitsrelevante Information, die es zurückzuhalten gilt.

nachts ist twoday.net knallgrau

Nimmt twoday.net nachts seine Server offline? Oder werden die Leitungen von Deutschland nach Österreich nach 2 Uhr nachts gekappt (kann eigentlich nicht sein, denn die Mutter knallgrau.at ist erreichbar)? Seit einigen Tagen sind die twoday-Blogs in meinem Feed ab etwa 2 Uhr nachts nicht mehr zu erreichen.
Wollen die von twoday die Gesundheit ihrer Blogger, in dem sie das Lesen und Veröffentlichen von Einträgen verhindern?

Nachtrag: Wie man hier sehen kann, ist das Problem bekannt und „man arbeitet“ dran. Der Spruch kommt mir bekannt vor: bei Blogstats.de steht er schon seit Monaten.
In solchen Momenten bin dann wirklich froh, mein Blog bei keinem der Bloghoster zu haben.

zweierlei Transparenz

Einige Abgeordnete des Deutschen Bundestages klagen gegen die neuen Bestimmungen zur Offenlegung von Nebentätigkeiten („Verhaltensregeln“). Mit dabei natürlich auch drei Abgeordnete der FDP. Hinter der Klage stünde gar die gesamte Fraktion der FDP.

Dabei verwundert es doch etwas, dass so ein Aufstand gemacht wird, weil die Abgeordneten nun ihre Nebeneinkünfte offenlegen müssen. Schließlich hatte u.a. die FDP vor nicht allzu langer Zeit solche Dinge vom Stapel gelassen:

Als eine „pure Selbstverständlichkeit“ bezeichnete es der FDP-Politiker Daniel Bahr, dass Menschen, die […] Geld vom Staat erhalten, ihre Vermögensverhältnisse offenlegen, die Einkommen ihrer Partner angeben und in angemessenem Wohnraum leben. „Deutschland wird dabei nicht verarmen.“

Aber halt. In obigem Zitat geht es ja um Hartz-IV-Empfänger. Dann lässt sich auch leicht fordern, die Hosen herunterzulassen. Wenn man selber Geld vom Staat erhält, dann möchte man nicht mehr so gerne offenlegen, von wem oder wofür man „nebenbei“ noch so Geld erhält.

Dabei ist der Beruf „Abgeordneter“ eigentlich ein Full-time-Job, wenn man ihn ernst nimmt. Von mir aus sollen die Abgeordneten höher entlohnt werden, um Nebenjobs überflüssig zu machen und gute Leute anzulocken. Wer aber immer noch meint, er könne nebenher arbeiten, der soll das bekanntmachen. Zum einen, damit jeder sehen kann, wer sein Mandat ernst und wer es weniger ernst nimmt; zum anderen, damit man sieht, wer in welchem eventuellen Abhängigkeitsverhältnis steht durch gutbezahlte Aufsichtsrats- oder Beraterposten. Wem das nicht passt, kann gerne sein Mandat an den Nagel hängen. Solch ein „Verhaltenscodex“ sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit für einen Abgeordneten sein.