Archiv für den Monat: Juni 2006

Weniger Fußballlyrik bitte

Eigentlich sollte ja dieses Blog während der WM fußballfrei bleiben. Andere können sich zu diesem Thema besser und kompetenter äußern, ich guck mir Spiele an, mache mir aber keine großen Gedanken darüber.

Nun aber doch Fußball: Die Berichterstattung ist eh voll mit mehr oder weniger hohlen Phrasen. Wenn es dann sogar über Brasilien zu berichten gilt, dann setzt der letzte bisschen Verstand aus. Werde ich je etwas über Brasilien lesen können, ohne dass von „Samba auf dem Spielfeld“ oder „Karneval der Fans“ die Rede ist?

Nicht jede Aktion der brasilianischen Fußballspieler, dieser Mannschaft aus sündteuren Künstlernamen, ist „genial“ oder „brillant“ oder sonstwie herausragend, nicht von jeder Ballberührung fühlt sich der Ball „gestreichelt“. Entsprechend sollte man die Kommentierung eines Fußballspiels der Brasilianer der Realität anpassen. Und nicht wie gestern Reinhold Beckmann als Reporter des Spiels Brasilien – Kroatien, in dem Beckmann sich der Ehrfurcht vor den vielen klangvollen Namen der Brasilianer ganz hingab und ein schönes Spiel herbeikommentieren wollte. Allein, die Brasilianer spielten schlecht. Das Tor von Kaka war ein schönes, aber auch normales Tor, seine Schusstechnik nur die eines Profifußballers, mehr nicht.
Den Vogel schoss Beckmann allerdings ab, als er Ronaldo, der gestern lustlos wirkte und über dessen Übergewicht vor der WM spekuliert wurde, mit „Pummelinho“ titulierte. Mann, wir doch nicht im Kindergarten. Ich kann doch wohl im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen noch ein gewisses Niveau auch bei Fußballreportagen erwarten.

Wie wäre es denn mal mit weniger Fußballlyrik und mehr Analyse. Oder zur Abwechslung mal gar nichts sagen, wenn einem nichts gescheites einfällt? Man kann ja das Spiel mit den Augen gut selbst verfolgen. Steffen Simon und Marcel Reif (leider nur bei Premiere zu sehen) machen es doch besser.

Jahr 1.0

Vor genau einem Jahr erschien der erste Beitrag in diesem Blog. Ich steckte gerade mit in der Diplomarbeit und suchte einen Ausgleich zum lustvollen Schreiben neben dem eher drögen Aufschreiben von wissenschaftlichen Fakten. Inzwischen sind es 160 Einträge geworden.

Ich war schon vor dem Selbstbloggen schon etwa ein Jahr Blogleser. Irgendwann juckte es mich dann auch, selbst etwas zu schreiben. Nur Kommentare zu hinterlassen reichte mir nicht mehr. Eine Domain mit Webspace incl. PHP und MySQL hatte ich schon etwas länger rumliegen. In einer nächtlichen Hau-Ruck-Aktion hab ich mir dann WordPress auf den Server installiert und einfach mal logebloggt.
Die ersten Wochen noch unter dem Titel „Notizblog“. Es gibt aber reichlich Blogs, die auch so heißen. Hab ich mir also was anderes ausgedacht. „Reflexionsschicht“ war schon besser, gefiel mir aber auch noch nicht – es klingt reichlich spröde. Trotzdem ist es dabei geblieben. Vorerst. Ändert sich möglicherweise auch nochmal. Ist ja alles beta hier. Ist es bei Web 2.0 doch immer, oder?

Das Bloggen macht mir bis heute großen Spaß, auch wenn meine Leserschaft sehr überschaubar ist. Die Besucher könnte ich immer noch ohne Probleme per Handschlag begrüßen.

Mittlerweile ist das Blog von der Schreibstube zum Ort des lauten Nachdenkens für mich geworden; zu einem Ort, an dem ich meine Gedanken während des Schreibens ordnen und dann hier ablegen kann. Hier kann ich zu Dingen, die mich ärgern oder sogar aufregen, etwas schreiben und kommentieren. Anschließend geht’s mir dann meistens besser.

Vielleicht gibt es im Laufe des nächsten Jahres sogar mal ein neues Layout. Mit Kubrick bin ich einerseits zufrieden, weil es m.E. übersichtlich ist, andererseits auch wieder nicht, weil es 08/15 ist.

Zum Scheitern verurteilt

„Wir müssen den Kampf gegen den Terrorismus weiter führen.“ Wie ein Mantra wird dieser Satz so oder so ähnlich ständig wiederholt. Die Anschläge seit dem 11. September 2001 halten sich in Grenzen (2004 Madrid, 2005 London), nirgends wachen in Massen Schläfer auf. Stattdessen werden Bürger- und Freiheitsrechte beschnitten und immer mit der gleichen Begründung gerechtfertigt: Wir bekämpfen damit den internationalen Terrorismus.

Kann es sein, dass sich zunehmend grundsätzliche Kritik breit macht angesichts nicht zu erkennender Bedrohungslage? Kann es sein, dass sich sowas wie Kriegsmüdigkeit breit macht? Nicht nur in den Medien sondern auch in der Bevölkerung. Ewig kann man den Leuten keine Angst mit muslimischen Schläfern, die uns infiltriert haben sollen, machen. (Die Stimmung kann allerdings durch einen neuerlichen Anschlag schnell wieder kippen.) Am Anfang, also kurz nach 9/11 hatte man ja schnell den Vorwurf des Antiamerikanismus an der Backe, wenn man Fragen nach der Legitimität von Kriegen oder der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der Mittel stellte.

Außerdem werden die Menschen ja auch verarscht oder kommen sich bei anderen Gelegenheiten verarscht vor. Im Irak wurden nie Massenvernichtungswaffen gefunden und in den Gefängnissen von Guantanamo Bay und Abu Ghuraib (und möglicherweise Haditha) kämpfen wir – also „der Westen“ – erfolgreich gegen unsere eigene Glaubwürdigkeit in Sachen Freiheit und Rechtsstaatlichkeit: Menschen werden rechtlos gemacht, eingesperrt, gefoltert und es zieht kaum messbare Konsequenzen nach sich.
Der Irak scheint auch drei Jahre nach Kriegsende immer noch chaotisch zu sein, Afghanistan scheint für uns wohl nur deshalb befriedet, weil sich kaum ein Journalist aus Kabul herauswagt.

Nun scheint es aber so, als würde man mehr und mehr begreifen, dass Terrorismus auf dem jetzt eingeschlagenen Weg nicht zu bekämpfen ist. Zum einen verlieren wir selbst dabei unsere Freiheit und Demokratie, zum anderen schürt das brutale Vorgehen Hass und Vorurteile auf „den Westen“ und ist somit ein tolles Propagandamittel für Extremisten, die willige Attentäter rekrutieren. Kurz: Der „Krieg gegen den Terror“ zum Scheitern verurteilt.

Innenpolitisch hat dieser Weg ebenso fatale Folgen. Der Fetisch „Krieg gegen den Terrorismus“ ersetzt den alten Fetisch „Kampf gegen den Kommunismus“. Wir werden auf einen langen Krieg mit (rechtlichen, keinesfalls konsumtechnischen, der Dollar und der Euro müssen weiter rollen) Entbehrungen eingeschworen. Die Folgen sind aber die gleichen: Wirklich drängende Probleme werden übersehen, politische Systeme werden korumpiert, Regierungen werden zu Propagandaschleudern.

Readers Edition: zweiter Tag, erste Distanzprobleme

Der zweite Tag der Readers Edition (RE) und schon kann ich einen Beitrag einer Interessengruppe im Blatt lesen. Autor des Artikels über die Notwendigkeit von mehr Experimentierfreude und freien Schulen im deutschen Schulsystem ist Henning Kullak-Ublick. Er ist Sprecher des Vereins „Aktion mündige Schule e.V.“, die sich u.a. für die Gleichberechtigung von freien Schulen im deutschen Bildungswesen einsetzt. Im Artikel steht davon nichts, dass erfahre ich erst, wenn ich auf den Link zum Autor klicke.

Und was darf ich Artikel lesen, was das deutsche Schulsystem braucht? Mehr freie Schulen, mehr Gleichberechtigung, mehr Vielfalt, bessere Finanzierung für freie Schulen. Justamente sind das die Rezepte, die auch das Aktionsbündnis empfiehlt. Kritische Distanz und Neutralität sehen anders aus.

Ist das ein Einzelfall, der am Anfang passieren kann, hat ein Moderator nicht genau aufgepasst, was für einen Artikel er dort freigibt? Ich hab ja nichts dagegen, wenn Interessenvertreter für ihre Sache Stellung beziehen, wenn Menschen, die sich mit einer Sache intensiv beschäftigen zu Wort kommen. Aber wenn die RE Verbänden, Vereinen oder Interessengruppen eine Plattform bietet, dann kann ich erwarten, dass die Artikel als Beitrag eines Mitglieds eines solchen Interessenverbandes gekennzeichnet werden.

Readers Edition geht online

Heute war es soweit: die Netzeitung startet ihr Graswurzeljournalismusexperiment Readers Edition. Wie es sich für ein Web-2.0-Projekt gehört, natürlich erstmal als Betaversion.

Das Layout gefällt mir, als Backend kommt WordPress zum Einsatz, die Artikel erscheinen unter einer Creative-Commons-Lizenz. Jeder Artikel kann kommentiert und mit Sternchen bewertet werden, bevor er online geht, wird er von Moderatoren auf Inhalt und Leserlichkeit geprüft. Es gibt ein Blog und ein Wiki. Mitmachen wird großgeschrieben.

Inhaltliche Kritik kann ich bisher noch nicht üben, dazu muss ich sie erstmal regelmäßig lesen. Mal gucken, ob ein Mehrwert gegenüber anderen Onlinezeitungen und der Netzeitung selbst dabei herauskommt. Die Wikinews, ein Graswurzelprojekt der Wikipedia, ist jedenfall nicht sonderlich lesenswert. Die Netzeitung scheint allerdings mit mehr Aufwand an die Sache heranzugehen.

Was aus der Readers Edition (musste es eigentlich unbedingt ein englischer Titel sein?) wird, bleibt abzuwarten. Ich kann mir den Graswurzeljournalismus konkret und praktisch noch nicht so recht vorstellen. Ein normaler Mensch kann von lokalen Dingen aus erster Hand berichten. Das interessiert aber wohl kaum jemanden. Zu Presseveranstaltungen dürfte man kaum Eintritt bekommen, Rechercheanfragen mit dem Hinweis, man sei von der Readers Edition dürften auch nicht gerade mit besonderer Priorität bearbeitet werden. Am Ende könnte die Readers Edition die besser lesbare Zeitung werden, die aus verschiedenen Quellen Texte zusammenzimmert und eine Kommentarfunktion bietet. Wäre nicht das Schlechteste, aber auch kein Graswurzeljournalismus.

In der Zukunft wird interessant sein, wie die Readers Edition ihre Schreiber entlohnen wird (Robert hat sich darüber mal Gedanken gemacht). Zur Zeit ist noch keine Werbung auf der Seite, es wird also noch kein Cent verdient. Denn wenn man mit Usercontet Geld macht, der User davon aber nichts abkriegt, erhielte das Projekt einen unangenehmen Beigeschmack.

Einen Wunsch hätte ich für die Readers Edition: ein anklickbares Archiv, monats- und tageweise. Vermisse ich auch bei anderen Onlinezeitungen.

Einmal mehr: Blogs vs. Journalismus

Beim rebellischen Pseudonym entspinnt sich mal wieder eine recht lebhafte Diskussion Blogs vs. Journalismus. Don ist zwar selbst Journalist, hält aber von seiner Zunft nicht allzuviel. Kurz: alte Medien werden sterben, der Journalismus wird sterben, weil man sie nicht mehr braucht.

Der Kommentar von Sven Scholz dazu gefällt mir aber sehr gut:

solange die Journalisten nicht anfangen ihren Job zu machen (analysieren, Zusammenhänge zeigen, entlarven, erklären, und das alles möglichst unabhängig, und nicht nur den diversen Lobbies und Buzzern nach dem Maul schwätzen und selbst auf jede noch so durchsichtige Meinungsmache reinfallen und weitertragen) wird das nix mit dem „Beruf“ Journalismus. Denn Säue durchs Dorf treiben können die Blogger besser, und wenn es um Meinung und Subjektivität geht machen Journalisten schon von Natur aus keinen Stich. […]

Ist wie in der Politik, die macht sich auch obsolet, einfach, weil sie ihren Job (sich ums Gemeinwohl kümmern) nicht macht. Statt dessen spielt sie den Zuträger für eine Amok laufende Globalwirtschaft, Hand in Hand mit breiten Teilen des „professionellen“ Journalismus, und setzt sich damit ebenso wie letzterer von der „realen“ Welt ab. Und ist für diese eben dann in der Konsequenz – achtung, das R-Wort – nicht mehr relevant. Völlig unabhängig davon, ob es Blogs gibt oder nicht (mit Blogs fällt’s nur schneller auf)

Ich hoffe eigentlich nicht, dass der professionelle Journalismus zugrunde geht, dass die guten Zeitungen verschwinden werden. Aber die Zeitungen müssen anders aussehen, weniger abgeschriebene Agenturmeldungen (die krieg ich an jeder Ecke im Internet), dafür mehr investigativer Journalismus, mehr Recherche, mehr Hinterfragen. Sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit für Journalisten sein, oder?

Die Realität, jeder kennt es, sieht oft (nicht immer, es gibt auch investigativen, klugen, hinterfragenden Journalismus) anders aus. Statt Einordnung, Bewertung, kompetenter Analysen kriegt man flattrige und hektische Aufgeregtheit präsentiert. Jede Diskussion, jede Meinungsverschiedenheit wird zum „Streit“, überall „explodieren“ Kosten, Dinge werden gleich „dramatisch“ und Situationen sind sowieso immer gleich „bedrohlich“.

Ich mag Zeitungen, ich lese gerne die taz und die Süddeutsche. Ich mag es, wie die taz von anderen Medien vernachlässigte Themen anspricht, ich mag die Ausführlichkeit der Süddeutschen, ich lese in beiden Zeitungen gerne die Kommentarspalten. Ich fühle mich durch beide Zeitungen immer noch besser informiert als durch Blogs oder Spiegel Online.

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WordPress 2.0.3

Ich hab nun heute mein WordPress auch auf die neue Bugfixversion 2.0.3 erneuert, wie gehabt mit dem Fixpaket von wordpress.de.

Sicherheitslöcher sollen gestopft worden seien und auch an der Geschwindigkeit wurde wohl gedreht. Naja, auf jeden Fall wurden nur 9 von 15 der ursprünglich angepeilten Veränderungen umgesetzt, wenn ich den Bugtracker richtig verstehe. Warum veröffentlicht man eigentlich eine unvollständig erneuerte Version?

Können Märkte keine Polemik ertragen?

Rainer Bartel hat sich ein bisschen aufgeregt. Über die bekloppte Media-Markt-Werbung. Und das gefällt den Anwälten von eben jenem Unternehmen gar nicht. Die mögen es offenbar nicht, wenn man drastisch formuliert. Nun ist der Text an fünf Stellen verstümmelt. Aber zum Glück gibt es ja den Googlecache als Lückenfüller. Von der juristischen Geschmackjury beanstandet wurden demnach: „widerlichste Fressen“, „scheiße [aussehen]“, „dubiose Geschäfte rund um Weblinks“, „Arschloch“ und „kriminelle Vereinigung“.

Wäre schade, wenn solche Einträge, die zugegeben nicht eben zimperlich in der Wortwahl sind, bald nicht mehr zu lesen sind. Zumal auch der Herr Steinhöfel nicht eben zimperlich in seinen Äußerungen ist. Oder wir Blogger brauchen bald gerichtsfeste Formulierungshilfen.

Mal gucken, wie das Echo in der Blogosphäre diesmal ausfällt.

[via: Rebellmarkt]

Nachtrag: Ich würde jetzt ob der Steinhöfelschen Wortstreichereien nicht von der Gefahr der Meinungsfreiheit sprechen, vielleicht eher von einer Gefahr für die Kunstform der Polemik.
Rainer beleidigt (die Figur?) Steinhöfel. Rein rechtlich ist Steinhöfel wohl im Recht, kann ich auch im Einzelnen nicht gut genug beurteilen. Aber ich find’s schade, wenn man gegen Satire und Polemiken immer gleich mit der juristischen Keule kommt. Besonders dann, wenn sie von Einem geschwungen wird, der selbst gerne verbal austeilt.

P.S.: Der Rainer erzählt eine Geschichte vom Nikolaus.

Akismet aktiviert

Bisher war es mit dem Spam ja erträglich. Ab und zu mal ein Spamkommentar oder ein Spamtrackback, zwei- oder dreimal auch schon eine Spamwelle, die aber nach wenigen Tagen endete.

Jetzt geht’s mir aber doch auf den Zeiger, seit etwa zwei Wochen ständig Spamkommentare und -trackbacks. Nichts davon geht online, aber ich kriege ständig Mails, dass ein neuer Kommentar auf Moderation wartet. Das sollte nun wegfallen.

Ich hatte Akismet bisher nicht aktiviert, weil ich mir dazu erst einen Account bei wordpress.com anlegen muss, um einen Registrierungsschlüssel zu kriegen, ohne den Akismet nicht läuft. Ich hab nun mal was gegen unnötige Registrierungen, aber der Leidensdruck war jetzt einfach höher als die Abneigung gegen eine Registrierung.

Beflaggung

Ich hab’s ja sonst eher nicht so mit nationalen Symbolen und die Amis belächle ich eher ein wenig wegen ihrer Fahnengeilheit.

Aber heute hab ich mir trotzdem eine Deutschlandfahne gekauft. 90 x 150 cm groß, wird dann bei den Spielen der deutschen Nationalmannschaft aus dem Fenster gehängt. Ich hoffe, ich kann sie mehr als dreimal im Wind flattern lassen.