Archiv für den Monat: Oktober 2006

Spiegel Online und Korea

Mittlerweile gibt es Zweifel am erfolgreichen Atomtest Nordkoreas. Das ist eine interessante Wendung, könnte uns allen Nordkorea doch verarscht haben. Das hat man auch überall kapiert und berichtet darüber.

Bei Spiegel Online dominieren nach wie vor reißerische Überschriften und Teaser:

spon korea

Neben einer sozialistischen Propagandazeichnung, auf der ein roter Soldat den US-amerikanischen Kongress zerstört, präsentiert SpOn keinen Artikel, der die Wendung im Bedrohungsszenario zum Thema hat. Stattdessen „neue Drohungen aus Nordkorea“, Drohung vor „Zündung einer Atomrakete“, „Angst“ vorm „Atombasar“ usw. usf. Stimmungsmache statt Information: Nordkorea ist der nächste böse Bube und wir müssen jetzt alle ganz dolle Angst haben. Erst in den Artikel selbst wird es seriöser und ausgewogener. Außenpolitik war bisher nach meinem Empfinden eher noch die Stärke von SpOn. Zum Thema Nordkorea fehlen mir aber hier Einordnungen und Einschätzungen, auch von Fachleuten, die sich mit dem Land und Atomwaffen auskennen.

Spiegel Online fällt mir immer häufiger negativ auf mit seiner Berichterstattung. Die Überschriften werden boulevardesker, tendenziöser, reißerischer. Die Artikel sind immerhin manchmal besser als die Überschriften vermuten lassen. Das Girl meint, SpOn sei geschwätzig. Ja, das trifft es wohl ganz gut. Belanglosigkeiten, Skandalisierungen, Dramatisierungen und Boulevard.

Freies Geldverdienen

Ich wünschte mir, die jetzt klagenden Abgeordneten wären in anderen Situationen so engagiert für das „freie Mandat“ eingetreten wie jetzt bei der der Klage gegen die Offenlegung ihrer Nebentätigkeiten. Koalitionszwang, Fraktionsdisziplin und in Hinterzimmern ausgekungelte Gesetze wären gute Gründe, für ein freies Mandat zu kämpfen.

Das Grundgesetz spricht davon, dass Abgeordnete „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen [sind]“. Da steht aber nicht, man darf als Abgeordneter die Zeit lieber in Aufsichtsräten, Beiräten, sonstigen Gremien oder in der eigenen Anwaltskanzlei verplempern.

Die Freiheit des Mandats wird aber jetzt interpretiert, dass es die Öffentlichkeit nichts angehe, wieviel ein Abgeordneter nebenbei noch so verdiene. Dabei geht es nicht mal um die genaue Höhe sondern nur um drei Kategorien: zwischen 1000 und 3500, bis 7000 oder mehr als 7000 Euro im Monat (!). Im Interview versucht Jörg van Essen, Geschäftsführer der FDP-Fraktion, die als gesamte Fraktion hinter der Klage steht, dann auch irgendwelche Gründe für die Klage anzugeben. So richtig gut gelingt es ihm nicht.

Wenn Freiberufler oder Rechtsanwälte ein Problem damit haben, dass jemand wissen könnte, wieviel sie mit ihrer Tätigkeit verdienen, dann sollen sie halt kein Abgeodneter werden. Es geht ja gerade darum, dass man mal nachgucken kann, wieviel Abgeordneter XYZ nebenher verdient. Darauf lässt sich dann nämlich auch schließen, was sein eigentlicher Nebenjob ist: das Mandat oder der Beruf.

Die Transparenz der Abgeordneten muss m.E. soweit gehen, dass nicht nur bezahlte Tätigkeiten veröffentlicht werden müssen, sondern sämtliche (auch ehrenamtlichen) Mitgliedschaften in Vereinen, Verbänden, Gremien, Beiräten etc. Für ein grundsätzliches Verbot von Nebentätigkeiten bin ich nicht.

Klick & Knast

„Wir haben leider durch das Bundes- Verfassungsgericht in den letzten Monaten einige Einschränkungen hinnehmen müssen“, sagte Schünemann der Netzeitung mit Blick auf die Rasterfahndung, den so genannten Lauschangriff und die präventive Telefonüberwachung. „Dass diese Maßnahmen von den Richtern teilweise eingeschränkt wurden, hat das Aufspüren von islamistischen Terroristen nicht gerade erleichtert“, kritisierte der CDU-Politiker. „Das ist bedauerlich, weil eine effektive Terrorbekämpfung erschwert wird.“
(Niedersachsens Innenminister in der Netzeitung, 11.10.06)

Tja, so ist das mit dem Rechtsstaat. Der darf halt nicht alles, was man für die Verbrechensbekämpfung gerne hätte. Und das ist auch gut so. Ich bin sehr froh, dass es das Bundesverfassungsgericht (BVG) gibt, sonst würden sog. Sicherheitspolitiker gänzlich durchdrehen.

Hintergrund der Nörgelei ist die Festnahme eines „Terrorverdächtigen“ durch eine präventive Telefonüberwachung. Diese Überwachung auf Verdacht hin hatte das BVG verboten. Um zu einem Terrorverdächtigen zu werden reicht es außerdem aus, wenn man ein paar Botschaften von Osama bin Laden verbreitet. Werden seine Botschaften nicht auch bei Al Dschasira und CNN verbreitet?

Die Botschaften wurden ja auch über das Internet verbreitet und das ist schließlich was ganz böses, das weiß auch der Schünemann. Das ist sogar so böse, dass sogar schon das Anklicken einer Seite von vermeintlichen Terroristen schon wie Kinderpornografie bestraft werden soll:

„Das Herunterladen von Hassbotschaften aus dem Internet sollte ein eigener Straftatbestand werden.“

Irgendwie verwischen hier ganz gewaltig die Begriffe und das ist wohl auch so gewollt. Propagandisten, also diejenigen, die radikale Schriften verbreiten, werden nicht mehr als solche bezeichnet sondern gleich mal als „Terroristen“ eingestuft. Differenzierungen verkomplizieren Sachverhalte ja auch nur unnötig.
Was meint der Herr Schümann überhaupt mit „Herunterladen“? Jeder Aufruf mit dem Browser ist im Grunde ein Herunterladen einer Datei. Also würde schon ein Klick, auch zu Informationszwecken (es soll ja Leute geben, die sich einfach nur über die religiösen Spinner informieren wollen) auf eine islamistische Propagandaseite reichen, um ins Gefängnis zu wandern.

Propagandisten, sofern sie rechtswidrige Dinge (Volksverhetzung, Aufruf zu Gewalt etc.) von sich geben, gehören beobachtet und am Ende auch bestraft – als Propagandist, nicht als Terrorist, soviel Differenzierung muss noch möglich sein. Dass das auch im Internet passieren muss, versteht sich eigentlich von selbst. Bestraft werden sollte dann der Urheber, nicht derjenige, der auf die Seite raufklickt.