Die Angstmacher

Neulich hatte ich ja darüber geschrieben, dass Blogs an Relevanz gewinnen, weil dort Themen behandelt werden, die wonanders kaum oder in dieser Art gar nicht vorkommen.

Beim jetzt aktuellen Fall von Terroristen in Deutschland ist das wieder so. Ich wünschte mir mehr Fragen, mehr Kritik, mehr nüchterne Information statt der Wiedergabe der Mutmaßungen der Ermittlungsbehörden. Dazu kommt dann, dass die dünnen Fakten dann zusätzlich dramatisiert und aufgebauscht werden.

Kein Wunder, dass dann in einer Umfrage 72% der Befragten sagen, dass die RAF seinerzeit weniger gefährlich war als der islamistische Terrorismus heute. Und dass, obwohl die RAF nicht nur Anschläge plante, sondern zahlreiche Entführungen, Geiselnahmen und Sprengstoffanschlage tatsächlich durchführte. In der Häufigkeit und der Effektivität ist die RAF von damals mit den Islamisten von heute nicht vergleichbar.
Die RAF erscheint mir damals um Längen professioneller zu sein als es die islamistischen Terroristen heute sind.

Wirklich professionell?

Das, was wir von Fritzens Terrorgrüppchen wissen, geht über grobe Planung nicht hinaus. Die mutmaßlichen Terroristen waren in Pakistan in einem sog. Terroristencamp. Ein paar Ziele wurden mit dem Auto umfahren, 700 kg 35%-iges Wasserstoffperoxid wurde beschafft, ein paar Zünder wurden aus Syrien geliefert. Das Wasserstoffperoxid, wahrscheinlich der Grundstoff für den Sprengstoff Acetonperoxid (Triacetontriperoxid, TATP) gedacht wurde ihnen unterm Hintern geklaut und durch wertlose 3%ige Lösung ersetzt. Vom anderen Grundstoff, Aceton, ist nicht zu sehen. Davon hätte man ebenfalls so einige hundert kg benötigt.
Ob die Herstellung überhaupt geklappt hätte, ist fraglich. TATP ist höchst gefährlich in der Handhabung, möglicherweise hätten Fritz und seine Kumpels nur Oma Erna ihr klein Häuschen das angemietete Ferienhaus und sich selbst bei der Herstellung in die Luft gejagt. Mit Zünder und Sprengstoff hat man immer noch keine Bombe, die auch dann hochgeht, wenn sie es soll.
Kleinlaster wurden auch gekauft. Aber ohne Bombe sind die nicht gefährlicher als jeder andere Kleinlaster auf der Straße.

Dass Fritz und seine Kumpel für die Kommunikation in offene private W-LAN-Netze eingedrungen sind, mag für die Ermittler und Journalisten überraschend clever erscheinen, ist es aber nicht. An die Programme dafür kommt man leicht ran und die Handhabung nicht schwer. Dass allerdings die Mails unverschlüsselt verschickt wurden bzw. einfach nur in Order auf auf dem Server belassen wurden, spricht gegen eine professionelle Kommunikation.

Der Anruf Ende August aus Pakistan, doch Anschläge innerhalb der nächsten zwei Wochen durchzuführen, klingt für mich wie ein Arschtritt vom unzufriedenen Planungschef für die Nachwuchsgruppe aus dem Sauerland, in die Puschen zu kommen. Zu der Zeit war aber das Wasserstoffperoxid bereits wertlos und das Aceton noch nicht beschafft. Die Vorbereitungen waren also noch nicht soweit, dass es innerhalb der nächsten 14 Tage zu einem Anschlag hätte kommen können.

Mutmaßungen und Spekulation unkritisch übernommen

Stattdessen wird aber darüber geschrieben, dass die Anschlagspläne „sehr weit gediehen“ sind sind. Abgeleitet wird das aus jenem aufforderndem Telefonanruf aus Pakistan und einem Gespräch im Auto (!), wo man sich locker darüber unterhält, was man ins Visier nehmen könnte.

sz riesengroß

Gleich am Tag nach der Festnahme wurden Horrorszenarien über die möglichen Ausmaße beschrieben. „Größter islamistischer Anschlag in Europa vereitelt“ war der Titel eines Artikels der Süddeutschen Zeitung (mittlerweile wurde die Überschrift in „Mit 500 Kilo Sprengstoff in den ‚Heiligen Krieg'“ abgeändert, bei Verlinkungen wurde der Titel noch nicht geändert, siehe Screenshot).

Dann wird munter mitspekuliert, was man mit einer Sprengkraft von 550 kg TNT erreichen könnte. Soviel Sprengkraft hätte das fertige TATP gehabt, wenn man denn, ja wenn man denn Aceton und 35%ige Wasserstoffperoxidlösung gehabt hätte. Dann wird weiter munter über Anschlagsziele mitgemutmaßt, obwohl darüber nichts bekannt war. Dem Spiegel gegenüber sagt ein Beamter, „von einer fertigen Bombe“ sei man „noch recht weit entfernt“ gewesen.
Dass aber wahrscheinlich noch 7 weitere Mitglieder der Sauerlandtruppe frei herumlaufen und deren Aufenthaltsort trotz monatelanger Observation offenbar nicht bekannt ist (sonst hätte man sie schon verhaftet, denke ich), liest man an kritische Anmerkung nur selten.

Über die Verbindungen von Fritzens Gruppe nach außen, besonders zur „Islamic Jihad Union“ (IJU) und damit zu Al-Kaida wird zwar berichtet, aber offenbar wenig recherchiert. Allerdings gibt es Zweifel an der Existenz der IJU. Und so gibt es mehr Spekulation, mehr Panikmache, wenig genaue Trennung zwischen Mutmaßungen und Fakten und überhaupt zu wenig kritisches Hinterfragen seitens der Presse.

Jetzt habt gefälligst Angst!

Und damit komme ich zurück zu meinem Eingangsgedanken des Beitrages: Das, was fehlt – eine kritische Grundhaltung – finde ich in Blogs. Es gibt genug Ungereimtheiten, in die es sich einzuhaken lohnt. Stattdessen kann man eher das lesen, das die Gefährlichkeit und die Bedrohlichkeit der Festgenommenen steigert. Und fordert uns Claus Kleber auf, mal richtig Angst zu haben, indem er gestern im heute-journal sagt:

Guten Abend! Deutschland ist noch einmal davon gekommen. Es war knapp, aber große Aufregung herrscht darüber nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass unsere Phantasie nicht reicht um auszumalen, was hätte geschehen können, wäre es nach den Plänen der Terrorzelle gegangen.

Gerade dieses Nähren der Phantasie, das Angstmachen, dieses Heraufbeschwören von Gefahren, das Übertreiben der Gefährlichkeit des Gegners sind es, die uns in den letzten Jahren viel Freiheit gekostet haben und wohl auch weiterhin kosten werden.

10 Gedanken zu „Die Angstmacher

  1. gk

    Hallo,

    toller Artikel, ich sehe das sehr ähnlich. Warum die kommerziellen Medien sich so verhalten ist klar, warum aber selbst der öffentlich-rechtliche Rundfunk derart agiert ist mir unverständlich, zumal die Zweifel doch noch nicht einmal hintergründig sind oder aus Geheimquellen stammen.

    Es scheint, dass es dieses Sendungsbewusstsein ist, die vermeitnliche Überlegenheit, die Arroganz, die man hat, wenn man sich für einen überlegenen Lehrer hält. So klingen auch Klebers Worte: »Fürchtet euch ihr Narren!«

  2. Tobias Beitragsautor

    Es ist wohl so, dass Angst mehr Auflage und Einschaltquoten bringt. Mich wundert aber das Reißerische von sonst seriösen Medien wie eben dem heute-journal oder Süddeutschen.

    Richtig erklären kann ich mir das nicht – außer eben mit dem Argument der Einschaltquote/Auflage. Ansonsten ist es vielleicht die Lust am Gruseln, die Lust am Untergang, die Lust daran, alles noch schlechter zu machen, als es sowieso schon ist.

  3. Sven

    Als besonders lächerlich empfinde ich den Umgang mit dem sogenannten „Bekennerschreiben“ – man macht es „Terroristen“ ja wirklich leicht, die müssen ja nichtmal mehr was machen, ein „wir wollten dies und das tun“ reicht völlig aus, alle in Aufregung und Aktivismus zu versetzen. Mal sehen, wann der erste sagt „Wir bekennen uns zu der Absicht, vorgestern das Reichstagsgebäude gesprengt zu haben, auch wenn es mangels Resourcen nicht geklappt hat“ – da wird irgendwie das mit dem „den guten Willen für die Tat“ nehmen völlig missverstanden…

  4. Pingback: sven scholz - sagichdoch? » Bekennerschreiben

  5. Rallef

    Tagelang haben Sie sich selbst gefeiert. Schließlich ist es ja mit immensem Aufwand gelungen, drei gemeingefährliche Terroristen aus dem Verkehr zu ziehen. Leider gilt auch in diesem Fall: Wer die Fakten kennt, der ist nicht empfänglich für derartige Euphorie. In Zukunft sollten Sie derartige „Megaerfolge“ auf der kleinen Flamme kochen, die ihnen gebührt. Um TATP herzustellen, braucht man hochkonzentriertes Wasserstoffperoxid, Aceton und ausreichend starke Säure. Eines braucht man allerdings nicht: „militärische Zünder“. TATP geht schon hoch, wenn man gegen den Eimer tritt. Wer dieses Zeug in größeren Mengen herstellen will, der braucht extrem viel Zeit und noch mehr Gottvertrauen. Die Gefahr, dass er sich schon bei der Herstellung in die Luft jagt, ist immens. Spätestens aber beim Transport wird eine derart große Fuhre TATP schon beim ersten Schlagloch hochgehen. Wirklich gefährliche Terroristen sind besser informiert und besser organisiert. Sie gehen nicht so dilettantisch vor. Die Wahrheit in diesem Fall ist wohl: Sie haben das Land nicht etwa vor einem gefährlichen Terroranschlag bewahrt, sondern drei Träger minderwertiger Hirnprothesen vor dem Suizid bewahrt. Mit einer derartigen „Glanztat“ kann man allerdings nicht den rücksichtslosen Abbau bürgerlicher Freiheitsrechte begründen.

  6. Pingback: Feynsinn rettet die Welt » Merkel übernimmt den SPIEGEL

  7. Thomas

    Danke für die vielen interessanten Beiträge. Es wäre allerdings schöner, wenn du ein Archiv einbauen könntest, um immer die aktuellsten Beiträge lesen zu können.

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