Vor knapp zwei Monaten ließ die Bundeswehr ein paar geraubte und dann gestrandete Tanklastzüge in Afghanistan bombardieren.
Die NATO hat eine Untersuchung veranlasst. Der Bericht ist geheim und das Pressestatement vom deutschen Generalinspekteur Schneiderhan war mehr als dürftig und diente wohl mehr dazu den verantwortlichen Oberst zu schützen als Informationen zu liefern oder gar die Sachlage aufzuklären. Fakten zum konkreten Ablauf nennt Schneiderhan so gut wie gar nicht, stattdessen spricht er davon, dass man die Gesamtsituation (Angriffe auf die Bundeswehr, LKWs für Attentate etc.) vor der Bombardierung nicht außer acht lassen darf. Mag alles richtig sein, erklärt aber dieses konkrete Bombardement nicht. Es bleiben sehr viele Fragen offen.
Guckt man sich einmal diese grafische Rekonstruktion der Ereignisse vom Spiegel an, dann ist die Bombardierung einfach nicht nachvollziehbar. Die Tanklaster sind vom Bundeswehrstützpunkt weg gefahren und saßen auf einer Sandbank im Fluss fest. Es ging keine unmittelbare Gefahr von den LKWs aus. Die damalige Behauptung der Bundeswehr, es sollte ein Attentat auf das Bundeswehrlager in Kunduz verhindert werden, ist darum nicht haltbar.
Schneiderhan wiederholt in seinem Statement diese Behauptung (er spricht nur noch von „einem größeren geplanten Anschlag“) nicht, möchte aber – indem er diffus von der „militärischen Gesamtlage in Kunduz“ spricht – trotzdem den Eindruck erwecken, dass es genau um die Verhinderung eines solchen Attentats ging. Eine Erklärung, warum die Tanklaster in die Luft gejagt werden mussten bzw. worden sind, bleibt Schneiderhan schuldig.
Über die getöteten Zivilisten sagt Schneiderhan dann folgendes:
Der NATO-Bericht führt lediglich an, dass lokale Führer vor Ort von möglicherweise 30 – 40 toten und verletzten – wie es im Bericht heißt – „Civilians“ berichteten. Er bestätigt damit nicht, dass durch den Luftschlag unbeteiligte Personen getötet wurden. Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass es sich in der Nacht zum 4. September für Oberst Klein so darstellte, dass keine Unbeteiligten vor Ort waren.
Was für eine eklige Haarspalterei. Nur weil die Zivilisten am Ort des Geschehens waren, waren es keine Unbeteiligten und somit zum Abschuss freigegeben? Vielleicht waren sie tatsächlich dort, um den Laster aus dem Flussbett zu befreien, möglicherweise wurden sie dazu gezwungen oder sie haben sich Benzin abgezapft oder auch beides. Darf man diese Menschen deshalb einfach in die Luft jagen? Hatten die Menschen überhaupt die Möglichkeit, sich rechtzeitig zu entfernen, wurden sie gewarnt (Tiefflüge, Warnschüsse o.ä.)?
Keine Erklärung dazu von Schneiderhan. Die Bundeswehr vertuscht weiter und tut so, als sei alles supi nach Vorschrift verlaufen, die Opfer waren bloß böse Taliban und die offenen Fragen werden ignoriert.
Nachtrag (31.10.09): Der Spiegel hat offenbar mehr Einblick in den Nato-Bericht erhalten. Und danach lief eben nicht alles nach Vorschrift:
Der Nato-Bericht über den tödlichen Luftangriff auf zwei Tanklaster in Kunduz weist SPIEGEL-Informationen zufolge auf klare Fehler in der deutschen Operationsführung hin. Oberst Klein, Kommandeur des Wiederaufbauteams in Kunduz, habe sich nicht an das Standard-Einsatzverfahren, die sogenannten Standing Operation Procedures (SOP), gehalten.
So habe er die Luftunterstützung mit der Begründung angefordert, seine Truppen hätten Feindberührung, obwohl sich keine Isaf-Soldaten in der Nähe der Tanker aufhielten. Er habe es abgelehnt, als niedrigere Eskalationsstufe die F-15-Jagdbomber zunächst im Tiefflug über die Tanker fliegen zu lassen. Zudem sei es möglich, dass es angesichts der unübersichtlichen Lage nicht ausreichend war, sich auf eine einzige menschliche Quelle und die Live-Bilder der Luftunterstützung zu verlassen.
Schneiderhans Versuch, seinen Oberst zu schützen in allen Ehren, aber hat er wirklich geglaubt, die Ergebnisse des Berichts kommen nicht ans Licht?