Archiv der Kategorie: blogosphärisches

Neue Kategorie: Verlinktes

Es gibt eine neue Kategorie hier bei mir im Blog: Linkdump. Dort werde ich regelmäßig Links zu Seiten sammeln, die ich für interessant und auch über den Tag hinaus wichtig halte und normalerweise nur den Weg in meine persönliche Bookmarkliste im Browser finden. Dazu ein kleiner Kommentar.

Warum mache ich das? Weblogs sind ja dem Wortsinne nach Logbücher der eigenen Internetstreifzüge. Jedenfalls waren sie das anfangs mal, bevor Blogs zu den Webjournalen wurden, die sie heute sind. Das Verlinken finde ich aber sehr sinnvoll, es ist das, was das Netz ausmacht, was es erst zu dem macht, was es ist. Außerdem lese ich bei anderen Blogs auch gerne diese Linklisten, ich habe darüber viele gute und interessante Artikel, Webseiten und Blogs entdeckt.

Kleine geile Blogs

Es wird mal wieder übers Bloggen gesprochen – und ich nehme das mal zum Anlass, meine 8-monatige Blogschreibeabstinenz zu beenden. Und ich folge gern den Aufrufen auf kleinen geilen Blogs wieder mehr zu bloggen. Klein ist mein Blog auf jeden Fall. :)

Wobei ich grundsätzlich nicht den Eindruck habe, dass weniger gebloggt wird. Der Hype der ersten Jahre ist vorbei, das Besondere am Bloggen ist verschwunden, mit einem Blog gehört man anno 2012 nicht mehr zu einer digitalen Avantgarde. Blogs gehören zum Internet einfach dazu, es hat eine Konsolidierung stattgefunden, über das Bloggen wird nicht mehr groß geredet. Wobei ein bisschen Reflexion übers Bloggen von Zeit zu Zeit nicht schaden kann. Glücklicherweise redet aber keiner mehr vom Blogherbst.

Aber es wird anders gebloggt als vor ein paar Jahren. Heute sind viel mehr Fachblogs etabliert, dagegen sind einige kleine Gemischtwarenblogs, Befindlichkeitsblogs verschwunden. Einige dieser Inhalte sind möglicherweise zu Twitter oder Facebook abgewandert. Andere machen mit diesen Inhalten weiter, weil sie Spaß am schreiben haben und denen es auch egal, ob sie einer liest oder nicht. Wieder andere haben mit diesen kleinen Blogs eine kleine, treue Leserschaft.

Beispiele gefällig? Nehmen wir mal Spreeblick. Vor ein paar Jahren das Blog schlechthin. Und heute? Es hat sicher immer noch seine Fans. Auch wenn ich die Entwicklung der Leserzahlen nicht kenne, so ist doch eine starke Reduktion der Postfrequenz zu beobachten und es ist auch lange her, dass ich über einen Link zum Spreeblick gestolpert bin.
Anderseits die Wissenschaftsblogs von Scienceblogs.de und Scilogs.de. Da wird fleißig gebloggt. Gab es vor ein paar Jahren so in dieser Form auch noch nicht (und guckt man mal in die USA geht da auch noch mehr, wobei Tatsache, sich in einfachen Worten an eine breite Öffentlichkeit zu wenden in den USA eine gute Tradition und viel weiter verbreitet ist). Oder nehmen wir die vielen kleinen Nischenblogs von Taxifahrern, Hebammen, Ärzten oder wem auch immer.

Wie dem auch sei: Lasst uns mehr bloggen. Lasst uns mehr schreiben. Lasst uns mehr nachdenken und andere an unseren Gedanken teilhaben lassen. Lasst uns etwas Beständiges schaffen: mit Blogartikel auf selbstgehosteten Blogs.

Zensursulas Netzsperrengesetz wird aufgehoben

Es wurde beschlossen und dann in der Anwendung ausgesetzt, jetzt soll es rückgängig gemacht werden: Zensursulas Netzsperrengesetz. Ausgedacht und beschlossen hat es anno 2009 die Große Koalition, federführend dabei von der CDU natürlich Ursula von der Leyen und von der SPD Brigitte Zypries. Es folgte ein große Politisierung und Mobilisierung der Netzszene.
Nach dem Regierungswechsel kam es dann erstmal nur Nichtanwendung des Gesetzes und die Praxis des „Löschen statt Sperren“ sollte ausprobiert werden.

Das Ergebnis dieser Evaluation kann nicht weiter überraschen, weil der AK Zensur es schon gezeigt hatte: das Löschen funktioniert. Nach 4 Wochen sind 99% der Inhalte nicht mehr erreichbar. Das musste nun sogar unser CSU-Innenminister Friedrich einsehen. Hinterher heißt es dann vom CSUler, man sei immer schon fürs Löschen gewesen. Was natürlich nicht stimmt. Der AK Zensur hat aber schon recht, wenn er von einem „Erfolg der Vernunft“ spricht.

Auch hier sehen wir wieder das Prinzip, Gesetze gegen die Vernunft, gegen den Rat von Fachleuten und damit wider besseres Wissen zu erlassen. Wieder, weil es ja schon beim Atomausstiegsrumgeeier so war. Insofern gab es wirklich einen „Aufbaustudiengang Realpolitik“.

Ich glaube allerdings nicht daran, dass sich das Thema Netzsperren damit erledigt hat. Es wird wieder ein Vorwand ergeben und dann ist das Ding wieder auf der Tagesordnung. Und an der Vorratsdatenspeicherungsfront geht es ja immer noch weiter.

Zunehmende Politisierung in den Blogs

Mir kommt es gerade (also so seit etwa ein paar Wochen) so vor, als wenn es sowas wie eine politische Begeisterung, eine politische Aufbruchsstimmung, mindestens aber eine stärkere Politisierung von Blogs gibt. Ich weiß nicht, wie ich das nennen soll, aber soviel politisches Nachdenken und Schreiben in den deutschen Blogs war selten noch nie, oder?

Der Auslöser ist wohl wirklich „Zensursula“ von der Leyens Netzsperrengesetz. Danach gab es zahlreiche gute Artikel um das Thema Generationenkonflikt bzw. die digitale Spaltung. Dann gab es zahlreiche Antworten auf Soboczynskis Aufsatz in der Zeit, der jedes Netzverständnis vermissen ließ.
Erst ein paar Tage alt ist der Fall Ruhrbarone vs. Silvana Koch-Mehrin und ihre Parlamentspräsenz, seltsame Rechenoperation und juristisches Spiegelfechten.

Und gestern bzw. heute, am Europawahlwochenende, kann ich Wahlaufrufe und Wahlempfehlungen lesen, Gedanken darüber, ob die Piratenpartei die neue SPD ist und warum man nicht nur das kleinere Übel wählen sollte, sondern eine echte Alternative, wenn es sie denn schon gibt.

Deutsche Blogs waren imho nie so unpolitisch, wie immer behauptet und geschrieben wurde, aber zur Zeit wird diese Politisierung in meinen Augen besonders deutlich. Diese Politisierung betrifft nicht nur die größeren Blogs (aka Alphablogger), sondern das geht quer durch die gesamten Blogs. Das finde ich richtig gut.

Ein Blog nicht nur für die Finanzkrise

Heute mal eine Blogempfehlung: egghat’s Blog. Ich lese das Blog seit ein paar Monaten und fühle mich dadurch sehr gut über die Subprime-Banken-Finanzmarkt-whatever-Krise informiert. Meist kurz und knackig aber immer unterhaltsam geschrieben, ab und an auch längere Texte, häufig aktualisiert, mit vielen Links zum Weiterlesen. Super. Oft hab ich Dinge bei egghat gelesen, bevor es in deutschen Mainstreammedien steht. (Die sind dafür ausführlicher, aber lesenswerte Artikel dort werden ja verlinkt.)

3. Geburtstag

Heute wird mein Blog 3 Jahre alt. Ein neues Layout, sogar einen neuen Namen hatte ich schon zum ersten Geburtstag in Aussicht gestellt. Wie man sieht, ist alles beim alten geblieben.

In letzter Zeit ist es hier außerdem ein bisschen ruhiger geworden, über 4 Einträge im Monat komme ich zur Zeit nicht hinaus. Ich bin nicht blogmüde – im Gegenteil: meine Lust an Blogs ist ungebrochen. Nur leider fehlt mir in meinem eigenen Blog die Zeit für mehr Artikel. Andererseits scheue ich mich davor, allzu halbgare Gedankenfetzen online zu stellen. Die Suche nach guten (Original-)Quellen kostet aber Zeit. Vielleicht sollte ich mir in Zukunft wieder ein bisschen mehr lautes Nachdenken erlauben und hier und da auch mal wieder was „quick & dirty“ raushauen.

Ich bin nach wie vor davon fasziniert, wie einfach es mit WordPress (oder einer anderen Blogsoftware) ist, im Internet zu publizieren. Einfach so, ohne viel technischem Sachverstand, ohne große Kosten (nur ein paar Euro pro Monat fürs Hosting) und dennoch sieht alles ansprechend aus und ist mit nützlichen Funktionen wie Feed, Kommentarfunktion und Trackbacks ausgestattet. Gute Vernetzung und gutes Ranking in Suchmaschinen sorgen dafür, dass man auch gefunden und gelesen wird. Bloggen ist in meinen Augen eine Kulturtechnik, die das Potential hat, das bisherige System der Meinungsverbreitung von oben nach unten nachhaltig zu brechen.
Mir würde was fehlen ohne mein Blog.

Broder & Co. gegen Stefan Niggemeier und Bildblog

Henryk M. Broder geht mit 2:1 in Führung. Erst kritisiert ihn Stefan Niggemeier und Broder keilt zurück. Er wirkt dabei reichlich beleidigt und spart nicht mit farbigen Metaphern.
9 Tage später der nächste Streich: Bild-Leser Broder hat sich das Bildblog angeguckt und findet es kleinkariert, langweilig und eigentlich total doof .

Dabei geht Broder mit einem ganz einfachen und doch billigen Trick vor: Er unterstellt demjenigen, der Dreck kritisiert, er würde in Wahrheit den gerade diesen Dreck lieben und im Übrigen wäre er ohne diesen Dreck eh überflüssig und arbeitslos. Eigentlich ist so einer nur ein Parasit.
Konkret: Stefan Niggemeier findet in Wahrheit die Bild-Zeitung ganz toll und und das Bildblog ist nur ein Alibi, diese tolle Zeitung lesen zu dürfen. Außerdem ernährt sich Niggemeier nur wie ein Parasit von den Fehlern der Bild. Würde Bild plötzlich keinen Mist mehr schreiben, dann hätte Niggemeier ja nichts mehr zu tun.
Und weil das Korinthenkacken allein so langweilig ist, hat man eben das Bildblog aufgemacht, um mit anderen zusammen kacken „wichsen“ zu können.

Eine gewisse Faszination für Bild muss man wohl mitbringen, um das Bildblog zu machen. Was die Autoren antreibt, kann man dort ja auch nachlesen , wenn man mag. Und manches am Bildblog ist auch wirklich kleinkariert – geschenkt. Trotzdem halte ich das Bildblog für ein wichtiges Watchblog einer Zeitung, die eigentlich nicht wichtig sein dürfte, aber von vielen Menschen (darunter auch viele Entscheidungsträger, Politiker etc.) ernst genommen wird.

Die Bild schreibt wirklich viel Mist, dessen man sich als Nicht-Bild-Leser gar nicht bewusst ist. Und ja, ich möchte darüber informiert werden, ohne selbst diese Zeitung lesen zu müssen oder gar Geld dafür ausgeben zu müssen.

Die ganze Debatte wird dann auch gleich noch weitergetragen: der Broder-Artikel schafft es auf welt.de und in die gedruckte Ausgabe, berichtet Broder-Kumpel und Welt-Autor Miersch (der das Offensichtliche als Verschwörung diskreditieren will und nebenbei noch nicht gemerkt hat, dass sich die Domain seiner Gutachse geändert hat). Allerdings erschien er in der Welt mit neuer Überschrift und ohne die schöne Wichs-Metapher.
Es ist wohl kein Zufall, dass der Artikel über Stefan Niggemeier und das Bildblog in der Welt steht. Der Axel-Springer-Verlag befindet sich gerade im Clinch mit dem Bildblog wegen dessen Beschwerden gegen die Bild beim Presserat.
Und auch der Chef der Axel-Springer-Akademie äußert sich in seinem Blog über die Fehde Broder vs. Niggemeier. Die Bildblog-Leser kommen auch hier nicht gut weg.

Bloggen: Es geht ums Schreiben

Ich bin überrascht. Positiv überrascht, um genau zu sein. Manche gaben das Bloggen mit einen lauten Knall auf und wüten dann ein bisschen rum.
Andere kommen angesichts des vermeintlichen Blogherbstes oder Blogblues auf ganz andere Gedanken und erinnern an das Wesentliche beim Bloggen: das Schreiben, das Publizieren:

Aber Bloggen als Möglichkeit zu schreiben? Warum soll das vorbei sein? Seit wann ist schreiben vorbei? Ein Blog, WordPress, Antville, das ist nur ein Haufen Software auf einer Siliziumscheibe, entscheidend ist immer, was man damit macht, und historisch gesehen ist die Möglichkeit des Schreibens, wenn sie eröffnet wurde, immer genutzt worden.
(Don Alphonso, Blogbar, 18.10.07)

Genauso sieht’s doch aus. Und so ähnlich sieht’s auch René von Nerdcore. (Ich verstehe allerdings nicht, warum Don versucht, da einen Unterschied in der Richtung beider Gedanken zu kontruieren.)

Beim Bloggen geht’s in erster Linie ums Schreiben selbst. Wie viele das dann lesen, war mir damals, als ich angefangen habe, egal. Ich war gerade dabei, meine Diplomarbeit zusammenzuschreiben und suchte einen Ausgleich zum „schreiben müssen“. Blogs gelesen hatte ich damals schon mehr als dreiviertel Jahr, kommentierte hier und da, Domain mit Webspace lag auch noch ungenutzt rum und so dachte ich mir, ich könnte es ja mal mit einem eigenen Weblog probieren.
Ich hätte natürlich auch einfach so eine HTML-Seite basteln und damit was ins Internet schreiben können. Aber die Blogsoftware macht es soviel einfacher: ein paar Klicks und schon hat man eine Website. Die sieht selbst mit dem Standardlayout hundertmal besser aus, als ich es je layouten könnte und man kann mein Geschriebenes kommentieren und mittels RSS verfolgen und das alles ohne wirklich Ahnung von der technischen Seite zu haben.

Die Leserzahl spielte damals keine Rolle und sie spielt auch heute keine große Rolle. Ich freue mich, wenn jemand mein Geschriebenes liest. Aber letztlich ist das Blog hier sowas wie lautes Nachdenken für mich. Der Reiz des Neuen ist auch bei mir vorbei. Klar, bei mehr als 2 Jahren nach dem ersten Blogeintrag.

Wer das Bloggen nur angefangen hat, weil es gerade „in“ ist, wird es vermutlich bald wieder drangeben. Auch diejenigen, die sich Ruhm oder Geld oder sonstwas davon versprochen haben, werden sich enttäuscht zurückziehen. Alle anderen, die einfach Lust am Schreiben haben, werden es auch weiterhin tun. Ich kann an dieser Entwicklung nichts negatives erkennen.

Bitte beim Rausgehen die Tür leise schließen

Warum müssen manche so einen Krawall machen, wenn sie etwas nicht mehr machen wollen? Große Enttäuschungen erwachsen aus hohen Erwartungen. Welche Erwartungen wurden denn von Maingold ans Bloggen gestellt?

Ich sehe im Internet und in Blogs ein Durchbrechen von Informations-, Publikations- und Meinungsmonopolen – nicht mehr und nicht weniger. Was jeder daraus macht, ist seine Sache.

Man muss doch nicht immer gleich alles über einen Kamm scheren. Nur weil es auch Spinner und Idioten gibt, kommt doch kaum einer auf die Idee, nun kein Buch mehr zu schreiben oder zu lesen. Das Medium Blog ist doch nicht doof, nur weil es ein paar Doofe auch nutzen.

Natürlich sind Blogs nicht mehr Avantgarde und wer gerne das macht, was avantgardistisch ist und es eben nur deshalb macht, weil es so ist, der ist natürlich enttäuscht von Blogs. Sie sind mittlerweile ein Massenphänomen, jeder kann eins aufsetzen oder eröffnen. Das ist ja das Gute daran.

Die Bezeichnung „Blogger“ ist im Laufe der Zeit zu einem regelrechten Schimpfwort verkommen […]

Seit wann das denn? Ich kann auch die weitere Kritik nicht nachvollziehen, nach der „‚extrem wichtige‘ Personen tagtäglich virtuelle Kämpfe um Positionen und Links mit bescheidenem Inhalt ausfechten“. Wo denn? Mir scheint, der Herr liest die falschen Blogs.

Manche nutzen Blogs, sich selbst dazustellen, öffentlich Meinungsbildung zu betreiben, um was zu verkaufen, um Geld zu verdienen, um Geschichten zu erzählen, um einfach nur zu schreiben. Das Schöne daran ist: jeder kann sich aussuchen, was er mag. Und er kann das andere links liegen lassen und bekommt im Normalfall gar nichts davon mit. Keine „Linkhuren, Speichellecker, SEOs“ oder sonstige echte oder vermeintliche Deppen.
Wer nicht in der Lage ist, seinen Feedreader mit guten Blogs zu bestücken, soll nicht rumheulen. Ich kann die Kritik sowohl von der Tonart als inhaltlich nicht teilen. Es gibt sehr gute Blogs mit für mich guten Inhalten und ich entdecke ständig neue. Auch vom Blogblues, von einer Art Herbststimmung kann ich nichts spüren. Von meinen regelmäßig besuchten Blogs (<50) ist bisher nur Jörg-Olaf Schäfers ausgestiegen .

Ich kanns auch nicht mehr hören, dass sich die Blogosphäre verändert hat. Ja, das hat sie. Vom ersten Tag an. Mit jedem neuen und jedem abtretenden Blogger geht das weiter. So ist der Lauf der Welt. Es bleibt alles anders.
„Nicht zu ihrem besten“ hat sich die Blogosphäre verändert. Sie ist zu einem Massenphänomen (einer trotzallem immer noch einer kleinen Minderheit) geworden. Und weil es glücklicherweise keinen Qualitätscheck gibt, kann jeder mitmachen. Unangenehme Typen eingeschlossen.

Für mich jedenfalls klingt das in etwa so, als wenn jemand nur schlechte Bücher gelesen hat und nun alles zwischen zwei Buchdeckel gedrucktes scheiße findet. Kann man machen. Man könnte aber auch zum guten Buch greifen.

Die Angstmacher

Neulich hatte ich ja darüber geschrieben, dass Blogs an Relevanz gewinnen, weil dort Themen behandelt werden, die wonanders kaum oder in dieser Art gar nicht vorkommen.

Beim jetzt aktuellen Fall von Terroristen in Deutschland ist das wieder so. Ich wünschte mir mehr Fragen, mehr Kritik, mehr nüchterne Information statt der Wiedergabe der Mutmaßungen der Ermittlungsbehörden. Dazu kommt dann, dass die dünnen Fakten dann zusätzlich dramatisiert und aufgebauscht werden.

Kein Wunder, dass dann in einer Umfrage 72% der Befragten sagen, dass die RAF seinerzeit weniger gefährlich war als der islamistische Terrorismus heute. Und dass, obwohl die RAF nicht nur Anschläge plante, sondern zahlreiche Entführungen, Geiselnahmen und Sprengstoffanschlage tatsächlich durchführte. In der Häufigkeit und der Effektivität ist die RAF von damals mit den Islamisten von heute nicht vergleichbar.
Die RAF erscheint mir damals um Längen professioneller zu sein als es die islamistischen Terroristen heute sind.

Wirklich professionell?

Das, was wir von Fritzens Terrorgrüppchen wissen, geht über grobe Planung nicht hinaus. Die mutmaßlichen Terroristen waren in Pakistan in einem sog. Terroristencamp. Ein paar Ziele wurden mit dem Auto umfahren, 700 kg 35%-iges Wasserstoffperoxid wurde beschafft, ein paar Zünder wurden aus Syrien geliefert. Das Wasserstoffperoxid, wahrscheinlich der Grundstoff für den Sprengstoff Acetonperoxid (Triacetontriperoxid, TATP) gedacht wurde ihnen unterm Hintern geklaut und durch wertlose 3%ige Lösung ersetzt. Vom anderen Grundstoff, Aceton, ist nicht zu sehen. Davon hätte man ebenfalls so einige hundert kg benötigt.
Ob die Herstellung überhaupt geklappt hätte, ist fraglich. TATP ist höchst gefährlich in der Handhabung, möglicherweise hätten Fritz und seine Kumpels nur Oma Erna ihr klein Häuschen das angemietete Ferienhaus und sich selbst bei der Herstellung in die Luft gejagt. Mit Zünder und Sprengstoff hat man immer noch keine Bombe, die auch dann hochgeht, wenn sie es soll.
Kleinlaster wurden auch gekauft. Aber ohne Bombe sind die nicht gefährlicher als jeder andere Kleinlaster auf der Straße.

Dass Fritz und seine Kumpel für die Kommunikation in offene private W-LAN-Netze eingedrungen sind, mag für die Ermittler und Journalisten überraschend clever erscheinen, ist es aber nicht. An die Programme dafür kommt man leicht ran und die Handhabung nicht schwer. Dass allerdings die Mails unverschlüsselt verschickt wurden bzw. einfach nur in Order auf auf dem Server belassen wurden, spricht gegen eine professionelle Kommunikation.

Der Anruf Ende August aus Pakistan, doch Anschläge innerhalb der nächsten zwei Wochen durchzuführen, klingt für mich wie ein Arschtritt vom unzufriedenen Planungschef für die Nachwuchsgruppe aus dem Sauerland, in die Puschen zu kommen. Zu der Zeit war aber das Wasserstoffperoxid bereits wertlos und das Aceton noch nicht beschafft. Die Vorbereitungen waren also noch nicht soweit, dass es innerhalb der nächsten 14 Tage zu einem Anschlag hätte kommen können.

Mutmaßungen und Spekulation unkritisch übernommen

Stattdessen wird aber darüber geschrieben, dass die Anschlagspläne „sehr weit gediehen“ sind sind. Abgeleitet wird das aus jenem aufforderndem Telefonanruf aus Pakistan und einem Gespräch im Auto (!), wo man sich locker darüber unterhält, was man ins Visier nehmen könnte.

sz riesengroß

Gleich am Tag nach der Festnahme wurden Horrorszenarien über die möglichen Ausmaße beschrieben. „Größter islamistischer Anschlag in Europa vereitelt“ war der Titel eines Artikels der Süddeutschen Zeitung (mittlerweile wurde die Überschrift in „Mit 500 Kilo Sprengstoff in den ‚Heiligen Krieg'“ abgeändert, bei Verlinkungen wurde der Titel noch nicht geändert, siehe Screenshot).

Dann wird munter mitspekuliert, was man mit einer Sprengkraft von 550 kg TNT erreichen könnte. Soviel Sprengkraft hätte das fertige TATP gehabt, wenn man denn, ja wenn man denn Aceton und 35%ige Wasserstoffperoxidlösung gehabt hätte. Dann wird weiter munter über Anschlagsziele mitgemutmaßt, obwohl darüber nichts bekannt war. Dem Spiegel gegenüber sagt ein Beamter, „von einer fertigen Bombe“ sei man „noch recht weit entfernt“ gewesen.
Dass aber wahrscheinlich noch 7 weitere Mitglieder der Sauerlandtruppe frei herumlaufen und deren Aufenthaltsort trotz monatelanger Observation offenbar nicht bekannt ist (sonst hätte man sie schon verhaftet, denke ich), liest man an kritische Anmerkung nur selten.

Über die Verbindungen von Fritzens Gruppe nach außen, besonders zur „Islamic Jihad Union“ (IJU) und damit zu Al-Kaida wird zwar berichtet, aber offenbar wenig recherchiert. Allerdings gibt es Zweifel an der Existenz der IJU. Und so gibt es mehr Spekulation, mehr Panikmache, wenig genaue Trennung zwischen Mutmaßungen und Fakten und überhaupt zu wenig kritisches Hinterfragen seitens der Presse.

Jetzt habt gefälligst Angst!

Und damit komme ich zurück zu meinem Eingangsgedanken des Beitrages: Das, was fehlt – eine kritische Grundhaltung – finde ich in Blogs. Es gibt genug Ungereimtheiten, in die es sich einzuhaken lohnt. Stattdessen kann man eher das lesen, das die Gefährlichkeit und die Bedrohlichkeit der Festgenommenen steigert. Und fordert uns Claus Kleber auf, mal richtig Angst zu haben, indem er gestern im heute-journal sagt:

Guten Abend! Deutschland ist noch einmal davon gekommen. Es war knapp, aber große Aufregung herrscht darüber nicht. Wahrscheinlich liegt es daran, dass unsere Phantasie nicht reicht um auszumalen, was hätte geschehen können, wäre es nach den Plänen der Terrorzelle gegangen.

Gerade dieses Nähren der Phantasie, das Angstmachen, dieses Heraufbeschwören von Gefahren, das Übertreiben der Gefährlichkeit des Gegners sind es, die uns in den letzten Jahren viel Freiheit gekostet haben und wohl auch weiterhin kosten werden.