Archiv für den Monat: Januar 2008

Waterboarding und der Euphemismus von der Verhörmethode

Warum wird im Zusammenhang von Waterboarding immer wieder von einer „umstrittenen Verhörmethode“ gesprochen. Was soll der Euphemismus? Warum spricht man es nicht einfach aus: Waterboarding ist Folter.

Auch wenn diejenigen, die es tun, taten und zuließen – die US-Regierung und ihre Geheimdienste – offiziell nicht von Folter sprechen möchten. Wollen wir warten, bis Waterboarding auch offiziell als Folter bezeichnet werden darf?

Warum sollte Waterboarding nicht Folter sein? Dem zu Folternde wird Wasser in den Hals oder auf ein über Mund und Nase gespanntes Tuch geschüttet. Der Gefolterte hat das Gefühl zu ertrinken, er glaubt zu ersticken, er hat Panik, Todesangst. Weil er festgebunden ist, kann er sich dem nicht entziehen.
Da braucht man nicht viel Fantasie, um sich die Panik eines Menschen in dieser Situation vorzustellen.

Waterboarding hat eine lange Geschichte als Foltermethode. Und Folter dient dem Verhör. Aber daraus abzuleiten, Waterboarding sei eine Verhörmethode, ist euphemistisch. Man würde auch eine Streckbank oder Daumenschrauben heute nicht als Verhörmethode bezeichnen, sondern als Folter. Man sollte allgemein Folter nicht als Verhörmethode verharmlosen.

Kleine Wahlnachlese

Na, da ist aber Koch seine eigene, widerliche „Ausländer raus“-Kampagne ordentlich um die Ohren geflogen. 12 Prozentpunkte verloren, die absolute Mehrheit verloren. Die Taz meinte neulich, dass dieser Wahlkampf die CDU/CSU zivilisieren könnte – wenn sie denn die Wahl verlieren würde. Ja, sie hat sie verloren. Und nicht trotz einer ausländerfeindlichen, sondern wegen einer solchen Kampagne. Das Ausländerthema zieht offenbar nicht mehr.

Es zog vor allem auch deshalb nicht mehr, weil man Koch mit Fakten fertig gemacht hat. Man hat ihm Zahlen vorgehalten, dass sein Land bei der Justiz, der Polizei und in der Prävention spart, man hat ihm korrekte Zahlen über kriminelle Jugendliche im allgemeinen und kriminelle Migranten im Besonderen entgegengesetzt. Bis auf die Blöd-Zeitung hat die Presse die korrekten Fakten gut weitergetragen, Koch wurde als widerlicher Populist entlarvt.

Da stellt sich mir die Frage: Wessen Idee war die Kampagne eigentlich? Wer hat denn Koch, der in Umfragen lange deutlich geführt hat, zu einem solchen taktischen Fehler überredet?

Ein neuer Mitspieler

Das andere Ergebnis: Es gibt bundesweit eine Partei mehr – „Die Linke“. Die Sozialisten sind in Hessen knapp (5,1%), in Niedersachsen deutlich (7,1%) ins Parlament eingezogen. Die PDS hatte davon nur träumen können.
Das ist vor allem ein Problem für die SPD. Wenn sie Die Linke weiterhin als Schmuddelkinder tabuisiert, mit denen man auf gar keinen Fall koalieren will, wird es für Regierungsmehrheiten schwierig. Dass die CDU Die Linke diffamiert („Kommunisten“) ist durchsichtig, dass die SPD da mitmacht aber dumm. Eine Spaltung des linken Spektrum hat in der Geschichte zu seiner Schwächung geführt. Man kann das aktuell auch in anderen europäischen Ländern sehen, die fast alle eine linke Partei neben der Sozialdemokratie kennen.

Die SPD muss ihr Verhältnis zu Die Linke normalisieren. Für Rot-Grün wird es zumindest auf absehbare Zeit nicht reichen. Einer klassischen Ampel (SPD, FDP, Grüne) wird die Westerwelle-FDP verweigern. Eine Stärkung der sozialliberalen Teile der FDP ist nicht zu sehen. Also wäre eine rote Ampel (SPD, Grüne, Linke) die Alternative.

Achja, in Hessen durfte ja auch mit Wahlcomputer gewählt werden. Dabei gab’s offenbar Probleme. Sagt der Chaos Computer Club. Es hätte Manipulationen geben können, z.B. wenn die Wahlcomputer bei Parteimitgliedern übernachten oder die Dinger (die Computer) zu lange unbeobachtet rumstehen. Bei dem knappen Wahlergebnis (Die Linke gerade so im Landtag) in Hessen hätten ein paar manipulierte große Wirkung gehabt.
Außerdem: ein schnellere Auszählung konnte man gestern nicht feststellen. Das vorläufige amtliche Endergebnis kam nicht schneller zustande als im papierwählenden Niedersachsen.

Auch 2008 wird es keine Gen-Revolution in der Medizin geben

Wenn Journalisten was von Genen oder Genetik oder Molekularbiologie schreiben, sind Superlative meist nicht weit weg. Entweder kommt dann der blanke Horror auf uns zu oder die Lösung für nahezu alle unsere Probleme. Fast immer beruhen solche Artikel dann auf schlichter Unwissenheit.
So ließ Frank Schirrmacher im Jahre 2000 sechs Seiten des FAZ-Feuilletons völlig sinnbefreit mit wilden Kombinationen von A, T, C und G bedrucken : ATCG sind die Basen der DNA und das menschliche Genom stand kurz davor, durchsequenziert (fälschlich „entschlüsselt“ genannt) zu werden. Schirrmacher Begeisterung war so groß, dass er einen Teil der menschlichen Basensequenz auf totes Holz drucken ließ.

Auf der DLD-Konferenz 2008 (DLD = digital, life, design) in München vor ein paar Tagen ging es auch um die Firma 23andMe. Christian Stöcker von Spiegel Online war auch vor Ort und hat sich begeistern lassen. Stöcker, der sonst vor allem über IT-Themen schreibt, hat Psychologie studiert und dann in Kulturkritik oder sowas promoviert .

So als schreibt Stöcker einen ziemlich begeisterten Artikel über 23andMe. Erst am Ende wird ein Konkurrenzprodukt erwähnt und schließlich auch noch ein wenig Kritik nachgeschoben. Dass aber beim heutigen Stand der Wissenschaft eine Genanalyse mit vermeintlichen Risikofaktoren vor allem nutzlose, möglicherweise aber angstverursachende Informationen darstellen und dass das Angebot in erster Linie Geldschneiderei sein könnte, davon erfährt man nichts.

Das Angebot von 23andMe suggeriert, als gäbe es von bestimmten Krankheitsbildern einen ganz bestimmten genetischen Fingerabdruck, den man nur zu suchen brauchte. Dem ist aber nicht so. Unser heutiges Wissen über die molekularen und genetischen Ursachen von Krankheiten sind sehr begrenzt. Publizierte Risikofaktoren für bestimmte Krankheiten sind aus verschiedenen Gründen mit großer Vorsicht zu genießen:

  • Auch wenn in einer Studie ein Teil der Kranken einen bestimmten Gendefekt hat, ist der Umkehrschluss, dass das defekte Gen zu dieser Krankheit führt, nicht erlaubt. Dieses defekte Gen wird dann meist als Risikofaktor angesehen. Wie stark dieser Faktor ist, lässt sich schwer sagen.
  • Wechselwirkungen von mehreren Faktoren lassen sich bisher nicht vorhersagen. Ebensowenig der Einfluss von externen Faktoren wie Ernährung, Bewegung, Stress etc.

Mit diesem Pool von unsicheren Daten möchte 23andMe arbeiten.

Guckt man sich die Webseite an, nimmt ein Teil einen großen Raum ein: Vererbungsanalyse. Wieviele Gene habe ich von meiner Mutter, welche von meinem Opa, wer sind meine früheren Vorfahren etc. Und eben auch die persönliche Risikoanalyse für bestimmte Krankheiten. Aufgrund der oben beschriebenen Probleme, läuft die Auswertung darauf hinaus, dass sie nutzlos sein wird, noch dazu für knappe 1000 US-Dollar.
Zu einem ganz ähnlichen Fazit kommen auch die Kollegen bei Plazeboalarm .

Nichtsdestotrotz hat sich aber Christian Stöcker zu einem weiteren Jubelartikel („Jetzt beginnt die Gen-Revolution“) inspirieren lassen. In diesem ruft er 2008 zu dem Jahr aus, „in dem vier Buchstaben [A, T, C und G – die Basen der DNA] endgültig die Herrschaft über die Medizin“ übernehmen. „Das Genomzeitalter hat begonnen.“ Ahja, gut zu wissen.

Das ist natürlich Quatsch. Das Genomzeitalter hat in der Forschung bereits vor einigen Jahren begonnen. In der praktischen Medizin allerdings – also in der Diagnostik und der Behandlung – spielt das Genom eine vernachlässigbare Rolle (bis auf die Diagnose von bestimmten Erbkrankheiten). Daran wird sich auch so bald nichts ändern. Bisher wurden noch keine DNA-Fingerabdrücke für Krankheiten gefunden, das wird sich so schnell nicht ändern, dafür ist das Wissen zu fragmentiert, zu lückenhaft. Die Gentherapie zur Behandlung von Krankheiten ist noch in einem frühen Experimentierstadium – wie schon seit Jahren.
Ob nun der Hausarzt oder der Arzt an der Uniklinik, beide werden sich auch in 2008 nur sehr wenig für das Genom eines Patienten interessieren.

Mitarbeiterstab für Bundeskanzler a.D.? – Ja!

Vor ein paar Tagen hatte ich mich ja gefragt, ob ehemalige Bundeskanzler tatsächlich Anspruch auf einen Mitarbeiterstab verfügen.

Durchs Googlen bin ich nicht fündig geworden, also bin ich investigativ geworden und habe ich die Frage per E-Mail ans Bundesinnenministerium (BMI) geschickt. Ich wusste nicht recht, an wen ich die Frage hätte sonst schicken sollen. Das BMI ist immerhin für die Bezahlung der Bundesbeamten zuständig. Irgendwie ist der Kanzler ja auch nix anderes.

Hier die Fragen:

Heute habe ich in der Zeitung gelesen, dass die Bundeskanzler a.D. Schmidt, Kohl und Schröder je sechs bis sieben, die Alt-Bundespräsidenten je zwei bis 3 Mitarbeiter haben, die aus öffentlichen Gelder bezahlt werden.
– Stimmen diese Angaben?
– Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage geschieht die Zurverfügungstellung von Mitarbeiter? Was ist der Sinn hinter diesem Gesetz?
– Um was für Mitarbeiter handelt es sich (Fahrer, Sekretärin)?

Beim BMI war ich allerdings an der falschen Adresse. Meine „Bürgeranfrage“ hat man allerdings nicht einfach entsorgt, sondern an die entsprechende Stelle im Bundeskanzleramt weitergeleitet. Und von dort kam gestern eine Antwort:

Grundgedanke für die Einrichtung der Büros [für ehemalige Bundeskanzler] war es, dass die aus dem Amt fortwirkenden Verpflichtungen für eine gewisse Zeit zu erfüllen sind. Die Erledigung dieser Aufgaben ist nur gewährleistet, wenn die persönlichen Büros über eine adäquate Personalausstattung verfügen. In der Regel stehen den ehemaligen Bundeskanzlern ein Büroleiter, ein Referent bzw. Sachbearbeiter und zwei Sekretärinnen sowie ein Fahrer zur Verfügung. Die Personalkosten werden aus dem Haushalt des Bundeskanzleramtes finanziert. Die Sachkosten hingegen werden von den jeweiligen Fraktionen des Deutschen Bundestages getragen.
Die Grundlage der genannten Regelung ist ein Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, der auf einer interfraktionellen Vereinbarung basiert.

Offenbar gibt es diesen Stab auf unbestimmte Zeit. Ich kann ja durchaus Verständnis dafür aufbringen, dass ein abgewählter Kanzler für ein, zwei Jahre noch halboffizielle Termine wahrnimmt und sich mit einem kleinen Mitarbeiterstab noch wichtig fühlen darf. Aber warum sollten die schon lange abgewählten Privatiers Schmidt und Kohl noch steuerfinanzierte Mitarbeiter haben? Die „gewisse Zeit“ die oben im Brief angesprochen wird, ist ja wohl vorbei.

Mitarbeiterstab für Bundeskanzler a.D.?

In einem Artikel zu Stoibers Nach-Ministerpräsidenten-Büros lese ich auch das hier:

Gerhard Schröder, Helmut Kohl und Helmut Schmidt haben heute jeweils sechs bis sieben Mitarbeiter. Für die früheren Bundespräsidenten sind jeweils noch zwei oder drei Menschen tätig.

Wozu brauchen ehemalige Staats- bzw. Regierungschefs noch Mitarbeiter? Sie sind ja nach ihrer Amtsentlassung mehr oder weniger Privatleute, schreiben Bücher und halten Vorträge. Warum sollten man ihnen noch einen Mitarbeiterstab zugestehen?

Videoüberwachung ist eben keine Prävention

Eines zeigt der brutale Überfall auf einen Rentner in einem Münchner U-Bahnhof: Videoüberwachung bringt nichts. Es bringt nichts für die Prävention und es bringt nicht mal was für die Aufklärung. Dieser Punkt geht mir in der derzeitigen Diskussion unter.

Eine Überwachungskamera kommt nicht zu Hilfe (anders als der Streifenpolizist), hinter der Kamera sitzt oft nicht mal einer, der Hilfe rufen könnte – aus Kostengründen. Untersuchungen zeigen längst, dass die Präventivthese widerlegt ist, im Münchner U-Bahnhof konnte man es in aller brutaler Deutlichkeit nochmal sehen.

Die Täter selbst wurden nicht über die qualitativ eher schwachen Bilder gefasst. Sondern über ein kurz vorher geklautes Handy, mit dem sie telefonierten.

Zu viele widerliche Politiker

Preisfrage: Woran merkt man, dass die CDU/CSU im allgemeinen und Roland Koch im besonderen gerade im Wahlkampf sind und dass es nicht gut aussieht in den Umfragewerten?

Genau: Man betreibt ein bisschen Ausländerhetze („Wir haben zu viele kriminelle junge Ausländer“) und schürt die Angst vor steigender Kriminalität. Wie damals im Wahlkampf ’98/’99, wo Koch mit der unseligen Unterschriftenkampagne gegen den Doppelpass Stimmen sammelte. Schon damals fischte Koch in trüb-braunen Gewässern und es kamen Menschen an die CDU-Stände, die danach fragten, wo man denn „gegen die Ausländer unterschreiben kann“.

Dabei könnten die Antworten auf die Frage, warum Jugendliche und Jugendliche mit Migrationshintergrund überproportional viele Gewalttaten verüben – die Frage nach den Ursuchen also – sehr interessant sein. Man würde vielleicht auf Dinge wie eine zerfallene Gesellschaft, abgehängte Arbeitslose, ein schlechtes Bildungssystem mit zu geringer Förderung Schwächerer und eine schlechte Integrationspolitik seit Jahrzehnten treffen.

Ursachen bekämpfen dauert lange, kostet Geld und man kann nicht den starken Mann markieren. Eignet sich also für einen Wahlkampf offenbar nur bedingt. (Eine argumentativ statt plakativ geführte Wahlkampf-Endphase Wahlkampf ist dann doch ein bisschen viel verlangt, oder?) Stattdessen geht an die Symptombekämpfung: härter bestrafen, länger einsperren, früher einsperren oder ganz gleich aus Deutschland verbannen.

NPD und DVU plakatieren in ihren Wahlkämpfen immer wieder „Kriminelle Ausländer raus“. Das Niveau von Kochs Kampagne ist nicht höher als diese Plakatparolen.