Zu Google Street View las ich neulich einen guten Kommentar:
Wenn ich als Bürger schon nicht verhindern kann…
- dass in meinem neuen Reisepass Fingerabdrücke und per Funk lesbare RFID-Chips installiert werden
- dass meine Kontobewegungen überwacht werden
- dass mein Kommunikationsverhalten registriert werden soll
- dass ich in vielen Städten auf Schritt und Tritt von unzähligen Überwachungskameras gefilmt werde
- dass ich auf Flughäfen in Zukunft durch einen Nacktscanner spazieren muss
- dass Mautbrücken automatisch alle Autokennzeichen erfassen
…. dann will ich wenigstens einen riesen Aufriss machen, wenn jemand es wagt, meine Hausfassade zu fotografieren.
Und ich möchte ergänzen: wenn in jedem 2. Haushalt eine Paybackkarte genutzt wird vorhanden ist. Und man könnte die Liste ja noch weiter fortsetzen: elektronische Gesundheitskarte (eCard), elektronischer Steuernachweis (ELENA), RFID-Chips, intelligente Stromzähler …
Ja, das ist wie bei den Nacktscanner damals. Plötzlich gab es was zu sehen, das war was plakatives, was bildhaftes. Da kann man sich dann aufregen, kann ein bisschen mit den Ängsten der Menschen spielen. Wobei – diesmal ist es anders. Damals ging es wirklich um die Privatssphäre (nämlich der mit technischen Mitteln Mensch, der sich vor dem Flughafenpersonal nackig machen muss), diesmal geht es nur um Häuser(!)fassaden(!!).
Ich kann die Aufregung diesmal ehrlich nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen, wie man wegen dem Abfotografieren von Häuserfassaden so ein Fass aufmachen kann. Ich kann die Angst vor der Datenkrake Google nachvollziehen und ich bin auch für einen vorsichtigen Umgang mit Google (ich nutze nicht deren Maildienst oder Feedreader, Google Docs ist sicher ne tolle Sache, aber ich habe Bedenken, Google meine Dokumente anzuvertrauen, Cookies mit den Sucheinträgen löscht der Firefox jedesmal wenn ich ihn schließe). Und auch sonst sehe ich zu, dass ich keine allzu große Datenspur im Internet hinterlasse. Aber Himmel, hier es geht um Häuserfassaden. Die kann sowieso jeder sehen.
Was mich aber ein bisschen brechen lässt, ist die Tatsache, dass sich Politiker jetzt plötzlich als große Datenschützer aufspielen. Sonst kacken die auf Datenschutz und legen Datensammlungen noch und nöcher an, wo kein Mensch nachher weiß, wohin die verschwinden und was damit gemacht wird und nun auf einmal wollen sie alle Datenschützer sein. Und morgen, wenn das Thema Street View gegessen ist, geht’s weiter mit der Datensammelei.
Bei den Medien kaum anders: über Street View regt man sich auf, weil Google der große Feind ist, der denen vermeintlich das Geschäft versaut. Also wird druffjehauen. Über die oben genannten wirklichen Datenskandale hat sich die Mainstreampresse nicht so echauffiert.
Nicht missverstehen: das Thema der Diskussion – nämlich Datenschutz – ist ungeheuer wichtig und noch immer hat es nicht die Bedeutung, die ihm eigentlich zukommt. Datensammlungen in Datenbanken, mit allen Möglichkeiten der Anhäufung, des Abgleichs, der unendlichen Speicherdauer und der den Möglichkeiten der Datenverknüpfung müssen diskutiert werden und es muss dafür strenge Regeln geben. Datenvermeidung bzw. Datensparsamkeit ist hier das Stichwort. Aber das Objekt, an dem diskutiert wird – Google Street View – ist dafür meines Erachtens denkbar ungeeignet.