Archiv für den Monat: Februar 2006

neue Watchblogs

VolksstimmeBlog – Notizen über eine kleine deutsche Regionalzeitung
Wie der Titel unschwer erkennen lässt, es geht um die Volksstimme, die Regionalzeitung aus Magdeburg. Lehnt sich von der Art her (inkl. der schrägen Danksagungen und des „Hervorhebungen durch uns“-Hinweis) ans BildBlog an.

Watchblog
Noch ganz frisch: 5 Einträge seit dem 18. Februar. Berichte sind bisher nur kommentierte Linkfunde.

‚Du bist Deutschland‘ – Die Bilanz

Gestern, am 21. Februar, zogen die Macher der Kampagne „Du bist Deutschland“ Bilanz. Wie es bei PR-Leuten nicht anders zu erwarten war in wolkigen Worten: Kampagne ein voller Erfolg, Stimmung verbessert, alles super, alles toll, bla blubb.

Trotz der Penetranz der Kampagne hat man einen Bekanntheitsgrad von lediglich 58% erreicht. Das hat die GfK herausgefunden. Und will noch mehr herausgefunden haben:

„Unstrittig ist auf Basis der Umfragen der Gfk jedoch, dass die Kampagne viele Millionen Menschen in Deutschland emotional darin bestärkt und motiviert hat, mit ihrem täglichen Engagement einen sinnvollen, persönlichen Beitrag für die Zukunft des Landes zu leisten“

(tagesschau.de, 21.02.06)

Würde mich ja mal interessieren, wie die GfK eine „Bestärkung der Lebenseinstellung“ messen will. Mehr als Kaffeesatzleserei dürfte dabei nicht herauskommen.

Ungewöhnlich hoch ist die Geschwindigkeit, mit der „Du bist Deutschland“ zum geflügelten Wort wurde und sich verselbstständigt hat. Die Redewendung ‚Du bist‘ – steht längst für Zuversicht, Engagement und Eigeninitiative.

(Pressemitteilung, 21.02.06)

Zum geflügelten Wort ist es tatsächlich geworden. Dass es aber für Zuversicht, Engagement und Eigeninitiative steht, wage ich zu bezweifeln.

„[…] Die Kampagne kam genau zur richtigen Zeit. Wir wissen jetzt: Die Deutschen wollen raus aus dem Jammertal.“

(ebd.)

Es bedarf also einer Kampagne, damit die PR-Leutchen merken, dass die Deutschen raus wollen aus dem Gürtel-enger-schnallen-Gerede und der Massenarbeitslosigkeit?! Ein Gang auf die Straße hätte es auch getan.

Seid doch ehrlich und sagt, dass die Kampagne ein Griff ins Klo war. Ein Land lässt sich nicht einfach im Stile eines Motivationsseminars kollektiv vom Hocker reißen, so dass sie plötzlich ihre Probleme vergessen. Es sind nämlich ganz reale Probleme, die die Menschen plagen. Keine eingebildeten, die sich mit flotten Sprüchen wegtherapieren ließen.

Deutschland redet sich seit einigen Jahren schlechter als es ist. Das ist bekannt und wird auch politisch genutzt für lange gewünschte Einschnitte in Arbeitnehmerrechte oder Sozialleistungen. Eine bessere, objektivere Berichterstattung in der Presse würde mehr helfen als eine Hurra-Deutschland-Aktion. Einerseits erzählt man uns, wie schlecht der Standort D ist, andererseits gibt die volle Dosis Optimismus in Werbespots. Da stimmt doch was nicht. Ich finde es auch durchaus sympathisch, dass die Deutschen sich nicht von Werbekampagnen einlullen lassen. Sie wollen Fakten, sie wollen gerne Beweise dafür, dass es dem Land nicht schlecht geht. Wenn man aber seit Jahren den Neuanfang als Verzicht propagiert, dann stößt das auf wenig Aktzeptanz.

‚Cicero‘ geht nach Karlsruhe

Erinnert sich noch einer an den vermeintlichen Presseskandal im Oktober 2005 im Zusammenhang mit Durchsuchungen beim Magazin „Cicero“ und dessen Redakteurs Bruno Schirra?

Die Durchsuchung ist rechtens, urteilte das Potsdamer Landgericht. Ging irgendwie ein bisschen unter diese Meldung, ganz im Gegensatz zur Empörung quer durch den deutschen Blätterwald damals. Heute kündigte das Magazin an, vors Bundesverfassungsgericht nach Karlsruhe zu gehen, um den „skandalösen Eingriff in die Pressefreiheit“ überprüfen zu lassen.

Nachtrag (27.02.06): „Die Ermittlungen wegen Beihilfe zum Geheimnisverrat gegen den Chefredakteur der Zeitschrift „Cicero“, Wolfram Weimer, sind gegen Zahlung von 1000 Euro eingestellt worden“, schreibt die FAZ.

Nachtrag (28.02.07): Urteil des BVerfG: Die Durchsuchung des „Cicero“ war verfassungswidrig.

ins Leere

In Halle kennt jeder das „NT“, das neue Theater. Bekannt geworden durch Peter Sodann, der es aufgebaut und jahrelang als Intendant geleitet hat.

Sucht man nach „neues theater halle“ bei Google, landet an erster Stelle nt-schauspiel-halle.de. Keine sehr leicht zu merkende Domain, aber es gibt sie schon lange und die wird auch oft verlinkt. Darum landet sie ja auch ganz oben bei Google.

Die Domain ist aber zu verkaufen. Also nichts mit Theater, dieser Klick geht ins Leere. Das neue Heim des NT im Netz ist jetzt www.kulturinsel-halle.de. Die Admins der Website haben wohl noch nichts von Weiterleitung gehört. Wie kann man denn bitte eine jahrelang genutzte Domain so plötzlich abschalten? Die paar Euro im Monat für die Domain dürften ja noch im Budget drin gewesen sein.

Und wenn man Weiterleitungen nutzt, dann führen sie auch noch auf die falsche Domain. Die Adresse www.neues-theater-halle.de führt zur abgeschalteten Domain nt-schauspiel-halle.de. Das ist doch mal ne reife Leistung. Macht einen guten Eindruck zum 1200-jährigen Stadtgeburtstag von Halle.

Wozu Blogs?

…das fragt sich Jens Scholz (wenn auch unnötigerweise auf Englisch). In seinem langen Artikel beschreibt er, warum Blogs (für ihn) wichtig sind.

Ich sehe es ganz ähnlich wie Jens Scholz. Blogs sind Rosinenpicker, die mich auf Neues aufmerksam machen. Dabei entdeckt man je nach Interesse gute Musik, lustige Flashfilmchen oder auch gute Artikel über Politik und Wirtschaft.

Zum anderen sehe ich Blogs als Meinungsbildner. Ich habe hier, sei es durch eigene Kommentare oder durch Verlinkungen auf Kommentare von Zeitungen, eine Vielfalt an Meinungen, wie ich sie ohne Blogs nur schwer erreichen könnte. Außerdem kann jeder Querdenker etwas in sein Blog tippen. Das ist per se weder gut noch schlecht, aber so werden eben auch Meinungen abseits des Mainstreams publik. Das ist zwar nicht neu, aber es war noch nie so einfach wie heute, das zu tun. Blogs lesen ist allemal einfacher (und billiger!) als Zeitungen, Zeitschriften und Nischenmagazine zu kaufen und dann zu lesen. Blogs sind darüber hinaus unabhängig von Werbekunden (man kann jedem ans Bein pissen, wenn man mag) oder Redaktionsvorgaben. Das sorgt für unabhängige und meist auch offen zur Schau gestellte Subjektivität. Das macht für mich den Reiz und den Nutzen von Blogs aus.

Nichtsdestotrotz sollte man die Kirche im Dorf bzw. den Blogger im Netz lassen. Ein gute Information nur über Blogs geht imho nicht, dazu bedarf es einer Tageszeitung und der Tagesschau. Ich lese sehr gerne die umfassende Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung oder die gute Aufbereitung von vermeintlichen Randthemen durch die Taz. Aber Blogs werden auch keinen Journalismus ersetzen. Aber sie erweitern die Möglichkeiten der Meinungsbildung gewaltig. Und das ist gut so.

Nicht zu vergessen ist das Watchblogging, dass erst in den Anfängen steckt, aber mit dem Bildblog über einen gewaltig hellen Leutturm verfügt. Das Bloggen von Menschen direkt aus Krisengebieten könnte ein Weg des citizen journalism sein.

Was da und dort noch kommt von Blogs, bleibt abzuwarten. Allein die nach wie vor geringe Verbreitung ist ein Problem auf dem Weg zu echter Meinungsmacht durch Blogs. Eine faszinierende Sache sind sie allemal, die Weblogs.

P.S.: Interessante Diskussionen zum Thema finden sich auch hier und hier.

sogenannter Rechtsstaat

Am 18. Januar 2002 wurden die so genannten Algerian Six aus Bosnien-Herzegowina ins US-Gefangenenlager Guantánamo verschleppt. Die sechs Männer hatten im Verdacht gestanden, zu al-Qaida zu gehören. Sie waren vor Gericht gekommen, und der Oberste Gerichtshof Bosniens hatte sie aus Mangel an Beweisen freigesprochen. In der Nacht zum 18. Januar erschienen US-amerikanische SFOR-Soldaten, die sie verhafteten. Die sechs sind bis heute, obwohl immer noch kein Beweis ihrer Schuld vorliegt, in Guantánamo inhaftiert.

(taz, 18.02.06)

Wenn man sowas liest, dann muss man sich doch fragen lassen, wo eigentlich noch der Unterschied liegt zwischen dem, was wir bekämpfen und dem, wofür wir kämpfen. Da werden von einem Gericht freigesprochene Menschen einfach so von einem anderen Land der Welt entführt und dann für ein Jahre ohne Anklageerhebung eingesperrt. Das alles dann von den USA, die sich selbst immer noch als Demokratie und Rechtsstaat bezeichnen.

Die Armee eines anderen Rechtsstaats, der Bundesrepublik Deutschland, sind auf die Entführung eher durch Zufall gestoßen, als Angehörige des MAD (nein, nicht das Spaßmagazin, sondern diese Spaßtruppe hier) sich als Journalisten verkleideten und dann die Frau einer der Entführten interviewten. In dem anschließenden Dossier heißt es:

Es sei nicht auszuschließen, heißt es in dem Papier, dass es sich im Fall der sechs inhaftierten Terrorverdächtigen um ungerechtfertigte Festnahmen und höchst zweifelhafte Deportationen handle.

(tagesschau.de, 21.12.05)

Passiert ist offenbar nichts, man kann sich in den Behörden auch nicht mehr erinnern, wo der Bericht nun ist. Unklar ist, wer das Ding nun gelesen hat und wer nicht.

Es sieht so aus, als wenn die Bundesregierung durchaus vor der Entführung von al Masri von Entführungen durch die USA wusste, ohne dass etwas passierte. Ein Rechtsstaat sieht anders aus.