Die Netzsperren und die Unfähigkeit zur Kursumkehr

Der Rubikon wurde überschritten: das Netzsperrengesetz ist da .

Die SPD konnte bzw. wollte das Gesetz nicht verhindern. Nun kloppt alles auf die SPD ein. Aber immerhin wurde das Gesetz durch die SPD entschärft. Darauf weist John Dean hin :

Johnny sagt Tschüss zur SPD, weil diese entscheidende Punkte (siehe Heise-Artikel) der Protestbewegung in die Verhandlungen eingebracht hatte und erfolgreich durchgesetzt hat. Darunter:

– keine Strafbarkeit [der Klicks auf das Stoppschild]
– keine Anwendung über KiPo hinaus
– Befristung des Gesetzes auf 3 Jahre
– Einbindung des Datenschutzbeauftragten
– Bevorzugung von Löschen statt Sperren

Im Prinzip hat er damit recht, das Gesetz wurde entschärft. Nur wurde es dadurch nicht besser. Die Kategorie der Verbesserung gibt es bei diesem Gesetz nicht. Es ist nutzlos und dient nicht dem vorgebenen Zweck der Bekämpfung von KiPo, es ist und bleibt überflüssig und nicht zielführend.

Nutzloses kann man nicht verbessern

Ich lasse mich mal kurz auf Diskussion um eine Entschärfung ein: ob diese Argumente wirklich so stichhaltig sind, ist fraglich .

Die Befristung ist immerhin etwas. Vor dem Auslaufen gibt es eine Evaluierung. Klingt gut, ist es aber nicht. Gerade diese Evaluierung bietet die Möglichkeit, aufgeblasene Zahlen von Zugriffen auf die Stoppseiten zu präsentieren, um das dann als Erfolg des Gesetzes zu verkaufen („Jeder Klick ein Kinderschänder.“). Die ahnungslose Presse schreibt es dann auf. Schwupp, hat man Pseudoargumente für das Gesetz. An ein Auslaufen des Gesetzes mag ich nicht glauben.

Auch die Bevorzugung des Prinzips „Löschen vor Sperren“ liest sich erstmal gut. Es ist aber wohl eher ein Gummiparagraph, der vom BKA nach eigenem Gusto ausgelegt werden kann. Das BKA selbst entscheidet, wann es eine Löschung versucht und wann sie es beim Sperren belässt.

Das 5-köpfige Gremium beim Datenschutzbeauftragten kann jederzeit auf die Sperrliste zugreifen und soll quartalsweise stichprobenartig die Liste kontrollieren. Stößt man dabei auf eine fälschlicherweise gesperrte Domain, so wird diese dann entfernt.
Würde man die Überwachung der Sperrliste ernst nehmen, würde man die gesamte Liste oder zumindest die Neueinträge sofort (von Richtern) prüfen lassen.

Aber zurück zum Grundsätzlichen: Warum hält man seitens der SPD überhaupt an diesem Gesetz fest? Alle Fachleute sagen, dass es einerseits rechtlich bedenklich und andererseits nutzlos ist. Auch der ein oder andere aus den eigenen Reihen warnt vor dem Gesetz. Die Bundesregierung bzw. das Familienministerium ist in zentralen Punkten ahnungslos . Jedem, der noch klar bei Verstand ist, sollte also einleuchten, dass es keinen vernünftigen Grund gibt, dieses Gesetz überhaupt zu machen. Keinem Kind wird damit geholfen, es ist nutzlos .

Kursumkehr unmöglich

Offenbar gibt es keine Möglichkeit der Kursumkehr, wenn so ein Gesetz erstmal auf dem Weg ist. Sich hinzustellen und einzugestehen, dass man auf dem Holzweg ist, dass man sich hat überzeugen lassen, dass diese Netzsperren der falsche Weg sind, kommt offenbar nicht in Frage. Da kackt man lieber auf Vernunft und Sachverstand statt zwei Minister (Zypries und Zensursula) mal für eine Weile dumm dastehen zu lassen. Nein, statt das Gesetz aufzugeben, doktort man hilflos am Gesetz herum, in der Hoffnung, damit das Schlimmste zu verhindern und einen „Kompromiss“ zu finden. So wie sonst auch. Man kommt offenbar aus diesen üblichen Ritualen des Politikbetriebs nicht heraus. Niemand zieht die Reißleine, die Notbremse.

Stattdessen wird das Gesetz im Eiltempo durchs Parlament gepeitscht, die bisher größte ePetition, die Meinung von über 130.000 Bürgern wird ignoriert. 45 min Aussprachezeit gab es, kein Minister war anwesend, die Drucksache weist noch einen veralteten Entwurf aus, der noch nicht die Eigenständigkeit und die Änderungen am Gesetz beinhaltet. (Kleine Widerlichkeit am Rande: Jörg Tauss wird vom eigenen Fraktionskollegen die Zwischenfrage verweigert (MdB Dörrmann: „von jedem anderen ja, aber nicht von Kollege Tauss“). Wer solche Kollegen hat, braucht keine Feinde mehr.)

Jetzt haben wir also das Netzsperren-Gesetz, das eine Zensurinfrastruktur aufbaut. Man muss nicht paranoid sein, um zu befürchten, dass das erst der Anfang ist. Muss wohl wieder Karlsruhe ran. Aber das kann ja auch nicht die Lösung sein.

Nachtrag: Die Liste der namentlichen Abstimmung ist draußen. Von der CDU hat einer mit Nein gestimmt, bei der SPD gab es nur 3 Neinstimmen und 3 Enthaltungen. Bei den Grünen gab es für mich überraschende 15 Enthaltungen (bei 48 anwesenden MdBs). Was wollen diese Abgeordneten mir damit sagen?

2 Gedanken zu „Die Netzsperren und die Unfähigkeit zur Kursumkehr

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