Langsam entwickelt sich das Blog hier zu einem ALG-II-Blog. Aber sei’s drum.
Hartz IV und damit auch ALG II ist mehr oder minder in die Hose gegangen. Also versucht man, daran rumzuwerkeln und vermutet allerorten Missbrauch. Jetzt mal wieder im Visier: die eheähnlichen Gemeinschaften. Liegt eine solche vor, darf das Einkommen und Vermögen des einen Partners auf das Einkommen des anderen Partners angerechnet werden. Das spart der Arbeitsagentur eine Menge Geld, wenn einer der beiden Partner arbeitet und somit rein rechnerisch das Haushalteinkommen über die Bedürftigkeit hebt.
Solche eheähnlichen Gemeinschaften sind aber schwer nachzuweisen und die Agentur für Arbeit scheitert regelmäßig damit vor Sozialgerichten, wenn sie denken, sie hätten eine eheähnliche Gemeinschaft aufgedeckt. Wenn man mit einem anderen Menschen Tisch und Bett teilt muss man nicht gleichzeitig auch das Konto teilen. Tisch und Bett reichen aber nicht aus, um aus der Partnerschaft gleich eine eheähnliche Gemeinschaft zu machen, zumal die Beweislast beim Leistungsträger, also z.B. der Agentur für Arbeit, liegt.
Um das ändern, hat man jetzt einen Testballon gestartet. Peter Clever fordert, dass man die Beweislast umkehren möge. Sekundiert wird er dabei vom Staatssekretär Jürgen Heike im Sozialministerium aus Bayern, der sich freut, dass Fehlangaben dann Betrug wären und man die Leute dann sogar in den Knast stecken dürfte.
Clevers Behauptung, wenn „Zwei zusammenleben und sich Bett und Schrank teilen“ sei das schon eine eheähnliche Gemeinschaft, ist Quatsch. Das ist lediglich eine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft. Dieser Unterschied ist höchstrichterlich entschieden:
[die eheähnliche Gemeinschaft] ist allein die Lebensgemeinschaft eines Mannes und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen […]. Dass zwei Personen dieselbe Meldeadresse haben, reicht hierfür nicht aus […].
(Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 02.09.04)
Auch mit der Beweislastumkehrung ist das so eine Sache, wie das Sozialgericht Saarbrücken in einer Grundsatzentscheidung im April 2005 u.a. feststellte. Darin heißt es (Hervorhebungen von mir):
Für ihre Annahme, dass die Zeugin XXXXX mit dem Kläger in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt, ist die Beklagte [die ARGE Saarbrücken] nach den Grundsätzen der objektiven Beweislastverteilung im sozialgerichtlichen Verfahren darlegungs- und beweisbelastet. Diese Beweislast umfasst auch das Bestehen einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin XXXXX. Die Kammer verkennt nicht, dass es sich hierbei um eine innere Tatsache handelt, deren Nachweis für die Antragsgegnerin kaum möglich ist und auf die aus dem bloßen Bestehen einer Wohngemeinschaft auch dann nicht geschlossen werden kann, wenn sie bereits seit 27 Jahren besteht. Dies kann dennoch keine Beweislastumkehr zu Lasten des Klägers begründen, da in diesem Fall auf Grund der stets gegebenen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Beweismittel ein überzeugender Nachweis des Nichtbestehens einer eheähnlichen Gemeinschaft für den Antragsteller ebenfalls schlechterdings nicht zu führen wäre, was noch weniger hingenommen werden kann […].
Anders ausgedrückt: es ist von Natur aus schwierig nachzuweisen, dass man nicht in einer eheähnlichen Gemeinschaft lebt sondern einfach nur so zusammen wohnt. Wie soll der Nachweis auch erbracht werden? Soll man dem Partner unter den Augen des Beamten eine Ohrfeige verpassen, damit dieser sieht, dass man sich nicht wirklich liebt?
Über die Idee der Beweislastumkehr sollten sich der Volkswirt Clever und der Jurist Heike nochmal eine Nacht schlafen, bevor sie dem „Focus“ unausgegoren Vorschläge in den Notizblock diktieren.