Erinnerungen an den RIAS

Bin neulich beim Spreeblick über den Link zu einem RIAS-Archiv gestolpert. RIAS – oder besser: RIAS 2 – war der Sender, den meine Schwester früher gehört hat. Ist also Teil meiner Kindheitserinnerungen. In berlinnahen Gebieten in Brandenburg konnte man Westsender ohne Probleme hören und die meisten haben das wohl auch gemacht. Da lief einfach die bessere Musik als im DDR-Radio. Manche mögen vielleicht sagen, RIAS 2 war der erste Dudelfunk in Berlin.

Aber egal. Ich hab jedenfalls RIAS 2 mitgehört damals als Kind. Ich erinnere mich besonders an den „alten Ami“ Rick de Leisle und an die Freiheitsglocke inklusive Freiheitsschwur. Besonders sogar an den Freiheitsschwur. Hab ich damals als Kind (als der RIAS 1992 aufhörte zu existieren und in R.S.2 unteraufging, war ich 12 Jahre alt) kaum verstanden, was er bedeutete:

Ich glaube an die Unantastbarkeit und an die Würde jedes einzelnen Menschen. Ich glaube, dass allen Menschen von Gott das gleiche Recht auf Freiheit gegeben wurde. Ich verspreche, jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten, wo auch immer sie auftreten mögen.

Ich erinnere mich daran, dass es furchtbar ernst, von einem Mann mit tiefer Stimme vorgetragen wurde. Mit dem Text konnte ich wenig anfangen, den tieferen Sinn hab ich damals wohl nicht kapiert. Schon gar nicht, dass die DDR, in der ich lebte, ja nach dieser Definition in die Kategorie Tyrannei fiel. Aber dass man irgendwie gegen „das Böse“ kämpfen sollte, ist schon hängengeblieben.
In der Art, wie das vorgetragen wurde, wurde aber schon klar, dass es eher ein verbaler Kampf sein kann. Nicht so ein Kampf Gut gegen Böse wie er bespielsweise jetzt von George W. Bush ausgerufen wurde. Sondern eher im Sinne des Art. 20 des Grundgesetzes.

Wie auch immer, Freiheit und Würde des Menschen und dass das wichtige Dinge sind, die es zu verteidigen gilt, hab ich wohl damals schon verstanden. Vielleicht habe ich das sogar tiefer verinnerlicht, als mir bewusst ist.

Wer die Glocke und den Schwur hören will, kann entweder sonntags um ganz kurz vor 12 Uhr Deutschlandradio Kultur einschalten oder eine historische Aufzeichnung im Radiomusuem finden.

Ein Gedanke zu „Erinnerungen an den RIAS

  1. Martin Anders

    Als der RIAS 1992 aufgehört hat, zu senden, war ich 19. Auch ich habe in der DDR gelebt, bis sie 1990 weg war. Bei mir war es nicht nur mein großer Bruder, sondern viel mehr die ganze Familie, die RIAS hörte – sei es „Musik nach der Schule“, Friedrich Luft oder Lord Knut.
    Aber diese Schöneberger Freiheitsglocke ist für mich nach wie vor (nein, „nach“ vielmehr als „vor“) ein Grund, das, was ich gerade machte, zu unterbrechen und dieser sonoren Stimme zuzuhören. „Ich glaube an die Würde und die Unantastbarkeit…“ Es war das sonntägliche zurechtrütteln der vielleicht im jugendlichen Eifer aus den Fugen gehen wollenden Werte, es funktionierte als RESET- oder „Alles-auf-Anfang“-taste für mich…
    Heute denke ich zurück an die Worte und erinere mich an: „…jedem Angriff auf die Freiheit und der Tyrannei Widerstand leisten werde, wo auch immer sie auftreten mögen.“ Und denke mir, schön war die Zeit, in der man daran noch glauben konnte.
    Glauben Sie mir, ich wollte daran glauben, ich hab es auch getan – ich war Pionier und FDJler und trotzdem Mensch, habe Zivilverteidigung und GST mitgemacht und war dort bestens geachtet, weil ich Mensch war. Aber die Zeile:“…jedem Angriff aus die Freiheit und der Tyrannei Widerstand zu leisten…“ mit dem Wissen von heute zu hören, um die Katastrophe Kosovo und Afghanistan wissend, treibt mir die Tränen in die Augen.

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