Letzten Freitag wurde die deutsche Forschungselite benannt. Wurde sie? Nein, wurde sie nicht. Es wurde festgelegt, wo demnächst Spitzenforschung stattfinden soll. Anders als es den Eindruck machte, ging es beim Wettbewerb der Exzellenzinitiative nicht darum zu bestimmen, welche Unis die beste Wissenschaft betreiben, sondern es sollten Orte zukünftiger Spitzenforschung festgelegt werden, über die dann ein Geldsegen hereinbricht.
Wie würde man normalerweise vorgehen, wenn man Spitzenunis küren will? Dazu muss man erstmal wissen, was man unter „Spitze“ versteht. Unter Spitze in diesem Wettbewerb verstand man den Bereich Forschung. Es ging also nicht um die Lehre, gute Betreuung von Studenten, hohe Motivation des Lehrpersonals, gute Lernbedingungen für Studenten etc.
Ok, kann man so machen, ist eine politische Entscheidung. Wie könnte man also bei der Forschung Exzellenz feststellen. Nun, da könnte man nach Publikationen der Wissenschaftler gucken, wieviel sind davon da, wo wurden sie publiziert, welchen Wert hatten diese Publikationen. Zudem könnte man gucken, wie mit dem erforschten Wissen umgegangen wird. Gibt es Produktentwicklungen, gibt es Patente, gibt es Ausgründungen aus der Uni heraus? Darf man allerdings nicht überbewerten, sonst würde die Grundlagenforschung, die sich vorerst nicht um Anwendungen kümmert, benachteiligt.
So könnte man herausfinden, welche Unis oder welche Fakultäten oder welche Fachbereiche gute Forschung betreiben. Dort, wo schon gute Forschung betrieben wird, belohnt man das, indem man es gezielt fördert.
Das ist alles nur geplant
Man kann das Pferd aber auch von hinten aufzäumen. So geschehen bei der Exzellenzinitiative. Dort wurden die Unis aufgefordert, Anträge und Pläne für zukünftige Forschungsvorhaben vorzulegen. Konkret ging es um den Aufbau sog. Graduiertenschulen (vergleichbar mit Graduiertenkollegs) und Exzellenzclustern, an denen dann internationale Spitzenforschung stattfinden soll. Diese Pläne wurden dann in Gremien und Kommissionen (PDF) begutachtet und dann wurde ohne nachvollziehbare und ohne öffentlich bekannte Kriterien die besten Anträge und Pläne gekürt.
Um das nochmal zu verdeutlichen: die besten Pläne wurden ausgezeichnet. Wer also besonders gut und blumig beschreiben kann, was er in den nächsten Jahren so vorhat, wird ohne Vorleistung und im Voraus mit dem Titel „exzellent“ geadelt.
Am Freitag wurden 3 Hochschulen (LMU München, TU München und TH Karlsruhe) „Zukunftskonzepte zum projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenforschung“ bescheinigt. Weil das sperrig klingt, wurde daraus der Begriff Spitzenuniversität. Sind das wirklich Spitzenunis? Nein. Sie haben nur in den beiden Föderbereichen „Graduiertenschule“ und „Exzellencluster“ schon erfolgreich abgeschnitten. Aufgrund zweier (vermeintlich) guter Pläne erteilt man der dazugehörigen Hochschule dann die Auszeichnung „Eliteuni“. Auch hier wieder, ohne dass überhaupt eine Leistung erbracht wurde. Es interessiert auch nicht, wie furchtbar schlecht der Rest die Uni ist.
Das kann man alles so machen, wie es geschehen ist. Nur dann sollte man die ganze Aktion eine Nummer tiefer hängen. Wir haben nämlich hier noch keine Spitzenforschung, wir sind erst beim Aufbau. Schon gar nicht haben wir Spitzenunis gefunden, wir drei Unis gesagt, sie sollen welche werden. Fürs Jubeln ist es also noch zu früh.
Vor allem sollte man aber nun nicht die Hände in den Schoß legen und sich freuen, dass wir nun bald deutsche Harvards haben. Deutsche Hochschulen sind nach wie vor chronisch unterfinanziert, viele Hörsäle und Seminare immer noch überfüllt, die Betreuung durch Professoren und anderes Lehrpersonal ist immer noch verbesserungswürdig.
Lesenswert im Zusammenhang der Exzellenzinititive sind die Artikel von Jürgen Kaube in der FAZ.
Hallo Tobias,
mich hat diese ganze Eliteuni-Geschichte unsäglich wütend gemacht. Ich kann nur sagen, Gott sei Dank bin ich nicht mehr an der Uni. Den meisten geht es eh schon dreckig genug, und nun noch diese Schmach, daß gleich zwei Münchner Unis „abgeräumt“ haben – weil sie die besseren Pläne hatten.
Winnacker hat ja auch in seinen Interviews und Chats gar kein Geheimnis daraus gemacht, daß und warum es die Müncher „verdient“ hätten. Und zwar in einer Weise, daß klar war, daß es eigentlich nur noch darum ging, eine bereits beschlossene Sache („In München installieren wir eine Elite-Uni“) an den Mann zu bringen.
Auf die gleiche Weise laufen auch alle Evaluierungen ab. Wenn ein Institut oder Teil eines Instituts geschlossen werden soll, dann wird halt solange „evaluiert“, bis es endlich die passende Begründung für den „notwendigen“ Schritt gibt.
Ich sperre mich nicht einmal unbedingt gegen den Gedanken der Elite-Uni (obwohl mir gleichzeitig beim Wort „Elite“ die Haare zu Berge stehen wollen). Ich hasse nur diese Heuchelei. Es war von Anfang an klar, wohin es gehen sollte – und wohin auf jeden Fall nicht (Berlin? Um Gottes Willen! Mittelgebirgsprovinz, Pott, Norden? I pfui).
Es ist alles nur eine Posse, ein Geschiebe, Lobbyismus.
Gruß,
Michael
Och, ich hätte gar nichts gegen Eliteunis. Aber nur unter der Bedingung, dass der Rest darunter nicht zu leiden hat. Die Durchschnittsuni in den USA beispielsweise steht schlechter da als die deutsche Durchschnittsuni. Das wird in der Diskussion um Spitzenunis und „Leuchttürme“ gerne vergessen.
das ist ein riesenquark. die weltweit am meisten anerkannte uni deutschlands, rwth (aachen) wurde mal kurzerhand untern tisch fallen gelassen.
karlsruhe als eliteuni ist lächerlich… da wäre ja selbst bremen noch besser gewesen. tu münchen kann man aktzeptieren. das wars dann aber auch. aus meiner sicht wurde einmal mehr eine chance vergeben, gutes auszubauen und zu fördern.. stattdessen wurden seilschaften gepflegt.
Dass es bei einem so seltsamen Gutachterverfahren auch Seilschaftenpflege gibt, lässt sich nicht vermeiden. Das sollte wohl auch so sein, um eine gewisse Steuerung der Ergebnisse in den Händen zu halten.
Man hat sich halt komplett auf die Begutachtung von Vorschlägen als Maßstab der Exzellenz verlassen. Hätte man auf die schon erreichten Ergebnisse von Fachbereichen oder Arbeitsgruppen in der Forschung geschaut, wäre das Ergebnis der Exzellenzinitiative wohl anders gewesen.
Dass die RWTH Aachen nicht gesamt als Eliteuni gefördert wird, hat mich auch gewundert. Nach allem, was ich so lese, betreibt man dort international konkurrenzfähige Forschung.
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