Archiv für den Monat: November 2007

Musikindustrie: Das Tal der Ahnungslosen

Wo ich gerade beim Thema Musikindustrie bin. Der Chef von Universal Music Group gab wired.com ein Interview, in dem er erstaunliche Dummheit Ahnungslosigkeit zum Besten gibt:

Warum, so fragen wir uns, und fragte ihn der Interviewer, hat Universal, haben die Musikkonzerne dann nicht selbst die Dinge in die Hand genommen? Napster startete immerhin 1998, das ist fast 10 Jahre her. Morris erklärt: „Wir haben niemand in der Firma, der sich mit Technik auskennt. Das wird von der Presse ständig verkannt. Es ist ungefähr so, also würde jemand von Ihnen verlangen, Ihrem Hund eine Niere heraus zu operieren. Was würden Sie tun?“

Und weiter erklärt er: „Wir wussten nicht, wen wir unter Vertrag nehmen sollten. Ich wäre nicht in der Lage, einen wirklichen Technik-Experten zu erkennen. Jeder mit einer geschickten Lügengeschichte hätte mich überzeugt“.

(Zitat aus der Übersetzung vom Bootsektorblog)

Ich soll jetzt glauben, dass sich Multimilliardendollarkonzerne keine anständigen Techniker und Fachleute suchen können? Das soll der Grund sein, warum die MI die neue Zeit verschlafen hat. Dass der 68-Jährige Opi von Universal zwar die CD noch kapiert, nicht aber mehr das Internet, leuchtet mir noch ein. Aber dass ihm keiner verklickern kann, dass mit dem Internet da draußen jetzt die CD als Tonträger irgendwie überflüssig wird, weil nun keiner mehr Musik auf Polycarbonatscheiben aus dem Laden tragen muss, nicht mehr. Und allen anderen Verantwortlichen bei den anderen Majors konnte das auch keiner verklickern? Nee, Jungs, das kauf ich euch nicht ab. Andererseits wäre das eine Bankrotterklärung für einen Manager und er müsste auf der Stelle kündigen.

Für wahrscheinlicher halte ich: Die Tonträgerindustrie wollte und will es nicht kapieren, dass die Zeit der Tonträger vorbei ist.

Johnny vom Spreeblick macht sich auch so seine Gedanken zum Wandel der Musikindustrie.

Jagd auf Filesharer mit Verbindungsdaten? II

Der Bundesrat möchte das kürzlich beschlossene Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verschärfen. Man wolle die Vorratsdaten auch für Verstöße gegen das Urheberrecht (lies: Filesharing) nutzbar machen.

Dieser Wunsch ist nicht neu. Und er ist nur logisch. Sind solche Datenmengen erstmal da, will man sie auch nutzen. Außerdem verfügt die Musikindustrie offenbar über einflussreiche Lobbyisten, wie man schon am Telemediengesetz und der Richtlinie zur Durchsetzung geistigen Eigentums sehen konnte. Beide Gesetze können ihre volle Wirkung nur dann entfalten, wenn erstens Verbindungsdaten vorhanden sind (ist beschlossen) und zweitens die Urheberindustrie darauf zugreifen darf (wird gewünscht).

Das Muster der verschärften „Sicherheits“gesetze ist immer gleich: Die Datensammelleidenschaft wird anfangs immer mit der Verhinderung von super schlimmen Straftaten begründet – derzeit ist es meist der Internationale Terrorismus als argumentative Allzweckwaffe. Dagegen kann kaum jemand etwas einwenden, außer er möchte sich vorwerfen lassen, die Sicherheit Deutschlands zu gefährden. Diesem Vorwurf möchte sich natürlich kein Politiker aussetzen.
Später dann wecken die Datenbestände Begehrlichkeiten. Nach dem Motto „Wo die Daten nun schon mal da sind, kann man sie ja auch nutzen“, gerät man schnell auf eine schiefe Ebene, auf der die Schwere der Straftat sukzessive abnimmt.

Sind dann noch Lobbyisten aus der Privatwirtschaft involviert, ist es sogar möglich, dass absolut nachrangige zivilrechtliche Ansprüche möglich sind.

[via: Augsblog]

Völkermord mit anderen Mitteln

In der taz vom 24. November steht ein Bericht über fast unvorstellbar brutale sexuelle Gewalt, „sexuellen Terrorismus“, im Kongo. Autor Dominic Johnson beginnt den eine Seite langen Bericht mit drastischen Beispielen. Ich möchte hier gar keine Zitate bringen. Der Artikel ist verlinkt, wer ihn lesen mag, kann draufklicken.

Da mutiert der Mensch zum Tier, jede Zivilität ist dahin. Im Kongo wird es real vollzogen, bei uns wird Sadismus in Filmen wie „Saw“ gezeigt, die viele ins Kino locken. Dieses Verhalten lässt sich offensichtlich nicht einfach mit Armut, Kriegswirren o.ä. erklären.

Ich bin beim Lesen von Nachrichten mit Todesfällen normalerweise nicht weiter emotional berührt. Aber wenn Menschenquälerei, Folter und Sadismus im Spiel sind, dann wird mir ganz anders.

Viel wichtiger

Sollen Heizungsmonteure zu Hause bleiben, wenn der Boiler streikt, sollen die Dachdecker nach dem nächsten Sturm sagen, nein, ich komme lieber nicht, sollen die Kassiererinnen bei Aldi und die Kassierer in den Tankstellen das Tippen verweigern. Was da alles lahmgelegt werden kann! Und was wird dann passieren? Es wird sich herausstellen, dass viel mehr Leute viel wichtiger sind, als sie gedacht haben.

Jawollja. Schön, dass ich sowas zum Thema (Bahn-)Streik in einer Zeitung lesen kann. Und nicht immer nur: „Die sollen sich mal zurück nehmen.“ Sowas schreibt ja auch keiner, wenn es um Gewinnmaximierung geht. Oder hat schon mal einer in der Zeitung gelesen, dass eine Gewinnsteigerung in der Höhe der Inflationsrate doch eigentlich auch ausreichend wäre?!Oder anders ausgedrückt: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“ Stand damals im Bundeslied des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins 1863.

[via: Sven Scholz]

Vorratsdatenspeicherung: Der Donaukurier und das Schweigen der deutschen Presse zu diesem Gesetz

Die Regionalzeitung Donaukurier erschien in der Samstagsausgabe mit einer geschwärzten Titelseite – als Protest gegen die Vorratsdatenspeicherung.

Somit zeigt eine Zeitung endlich mal den Protest, den dieses Gesetzesvorhaben längst verdient hätte. Die großen überregionalen Zeitungen brachten bisher nichts dergleichen zustande, ebensowenig wie die Magazine Spiegel, Focus oder Stern. Findet eine Protestkundgebung statt, berichtet man kaum oder gar nicht darüber und auch gerne mit falschen, weil viel zu niedrigen Teilnehmerzahlen. Eigene Journalisten hatte man erst recht nicht vor Ort. Bei einem so wichtigen innenpolitischen Thema verließ man sich nur auf Agenturmaterial.

Apropos berichten: Die Zeitungen (bis auf die Welt) berichten natürlich nicht über die schwarze Protesttitelseite des Donaukurier.
Wäre auch zu peinlich, wenn man die eigenen Leser über die Courage der anderen informieren müsste. Man selbst steht irgendwie – nunja – ein bisschen doof da.
Wer davon berichtet, sind die ewig gleichen, allen voran Heise Online. Dort setzt man sich seit langem und sehr intensiv mit dem Thema auseinander.

So richtig wichtig erscheint das Thema dem deutschen Journalisten nicht. Das Gesetz wurde schlicht über Monate hinweg verpennt. Wer gut informiert sein wollte, musste Heise lesen oder Blogs (z.B. Netzpolitik.org). In der „etablierten“ Presse bauscht man lieber Terrormeldungen auf und sorgt so mit dafür, dass der Eindruck entsteht, ein Mehr an Überwachung sei nötig.
Erst jetzt, wo die Vorratsdatenspeicherung fast verabschiedet ist, wacht der ein oder andere Journalist auf.

Wie war das noch gleich mit der Qualität und der gedruckten Tagesszeitung?

P.S.: Am 6. November sind bundesweite dezentrale Demos gegen die Vorratsdatenspeicherung geplant.

Markus Söder und der gute und der schlechte Angriffskrieg

„Es kann nicht sein, dass ein Land, das in die EU will, einen Angriffskrieg führt“

Sagt Markus Söder, ehemaliger Generalsekretär der CSU und jetzt Minister ohne Ministerium. Das ist eine lustige Sache, die er da sagt. Denn wie wir alle wissen, schließen sich EU-Mitgliedschaft und Beteiligung an einem Angriffskrieg offensichtlich nicht aus.

Der Irakkrieg 2003, ohne UN-Mandat angezettelt und nicht zum Zwecke der Selbstverteidigung geführt, war ein Angriffskrieg. In der Koalition der Willigen, die damals militärisch und politisch beteiligt waren, finden sich viele EU-Mitglieder.

Söder (und bei weitem nicht nur er!) verheddert sich in der unterschiedlichen Billigung bzw. Missbilligung von Kriegen. USA vs. Irak geht in Ordnung, Türkei vs. (Nord-)Irak soll nun nicht mehr ok sein. In sich schlüssig ist diese Argumentation nicht. Die Türkei beruft sich auf das Selbstverteidigungsrecht und auf den Kampf gegen Terrorismus. Genau wie die USA damals im Irak und Israel im Krieg gegen den Libanon.

Mit dieser Argumentation kann nun recht einfach ein Staat gegen einen anderen einen Staat anzetteln. Das Küchenkabinett sprach neulich mal von den Ambivalenzen im Krieg gegen den Terror. Genau das ist das Problem: die Grenzen zwischen richtig und falsch verschwimmen. Kriege lassen sich heute einfacher denn je begründen und rechtfertigen.