Piratenpartei zieht mit 15 Abgeordneten ins Berliner Abgeordnetenhaus ein

Ein bisschen hatte ich die Piraten ja schon abgeschrieben. Nach meinem Empfinden war es in letzter Zeit recht ruhig um sie geworden. Aber nun melden sie sich zurück mit dem furiosen Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus: 8,9% der Stimmen. Da muss der Berliner Landesverband eine Menge richtig gemacht haben.

8,9 Prozent – das sind nicht nur ein paar Nerds oder solche, die einfach mal aus Jux ihr Kreuzchen woanders gemacht haben. Ich sehe da auch keine Protestwähler, jedenfalls nicht von der Sorte, die einen „Denkzettel“ verpassen wollten.
Die vielen vorherigen Nichtwähler deuten eher darauf hin, dass hier Menschen eine echte Wahlalternative gefunden haben, jenseits der etablierten Parteien, dass die Piraten ein Wahlprogramm hatten, mit dem sich einige besser identifizieren konnten als mit den anderen Angeboten. Kurz: das ist kein Zufall.

Was ich gut an den Piraten finde und was, glaube ich, auch andere ganz gut fanden: diese Partei ist ein interessant anderes Projekt. „Interessant anders“ im Sinne von: keine Berufspolitker, kein staatstragendes Getue, keine Endlossätze ohne Aussage, aber dafür basisdemokratisch organisiert und mit einem Anspruch an Transparenz (den es nun gilt, in die Tat umzusetzen). Ganz sympathisch, aber auch ein bisschen fremd, wenn die neuen Landtagsabgeordneten im Pulli da rumsitzen man sich die Pressekonferenz der Berliner Piraten vom Tag nach der Wahl anguckt. Aber sollte das nicht auch so sein, dass da Leute wie du und ich sitzen? Macht das nicht am Ende Demokratie auch aus?

Ob das am Ende reicht, ob das sich so durchzuhalten lässt, wie lange man die Bodenhaftung behalten kann, ob nicht irgendwann Berufspolitiker nötig sein werden – man wird sehen. Zumindest erinnert vieles sehr stark an die Anfangszeit der Grünen, wenn man sich mal Parteitage Delegiertenkonferenzen von denen aus den 80er Jahren anguckt. Deren Entwicklung und die Verankerung grüner Ideen in der Gesellschaft könnten Vorbild sein. Was ja auch gleichzeitig eine (Be-)Drohnung ist: vom Revoluzzertum, vom Anderssein bleibt am Ende nicht viel übrig (auch wenn mir die Grünen immer noch sympathischer sind als CDUSPDFDP).

Ich habe auch wenig Illusionen: das wird noch ordentlich krachen innerhalb der Piraten. Da wird es noch ordentlich Richtungsstreit geben. Und bei diesen transparenten Strukturen wird auch kaum was unter der Decke bleiben. War ja in der Vergangenheit nicht anders. Aber Politik besteht nun mal aus Streit, aus gegensätzlichen Meinungen, aus Diskussion und Debatte. Wäre schön, die Piraten einen anderen Stil in die Politik reinbringen würden: Transparenz, Offenheit, Diskussionsfreude und auch mal zu sagen: „Moment, da hab ich gerade keine Lösung, darüber muss ich erstmal nachdenken.“

Nachtrag (22.09.11): Sascha Lobo schreibt in seiner SpOn-Kolumne einen klugen Kommentar zum Wahlerfolg der Piratenparte.

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