Heribert Prantl schrieb am vergangenen Freitag in der Süddeutschen Zeitung einen klugen Kommentar. Darin schreibt er über die abnehmende Bereitschaft der Bürger, sich ehrenamtlich zu engagieren. Er geht den Gründen dafür nach und stellt fest, die üblichen Verdächtigen „Egoismus“ und „passive Konsumentenhaltung“ als Erklärungsmuster „zu schmal“ sind:
[…] die Scheu vor Aufgaben, die Kontinuität erfordern, ist sehr gewachsen. Das hat nicht einfach mit der Degeneration von Empathie und Verantwortungsbewusstsein zu tun, sondern mit einer grundlegenden Veränderung der Art zu arbeiten, zu leben und zu wirtschaften. Vor etwa einer Generation hat die Verdichtung der Lebens- und Arbeitswelt begonnen; der Druck, flexibel zu sein, hat zugenommen; der Doppelverdienerhaushalt ist der Normalfall geworden. Die Menschen sind schon froh, wenn sie Beruf und Familie einigermaßen unter einen Hut bekommen. Es ist daher viel schwieriger geworden, verlässlich Zeit für Ehrenämter aufzubringen [….]
Weiter schreibt er:
Die Erwerbstätigkeit der Frauen war und ist ein emanzipatorischer Segen. Aber es ist nicht unbedingt ein gesellschaftlicher Segen, dass die bisherige maskuline Art, in Vollzeit und unter Ausschluss von Familienarbeit zu arbeiten, einfach dupliziert und auf Frauen abgepaust worden ist.
Prantl führt einen unheimlich wichtigen Punkt an: ein Ehrenamt braucht Zeit. Die ist nicht vorhanden, wenn Menschen Vollzeit arbeiten, flexibel und mit der Bereitschaft zu Überstunden, dazu Pendelzeiten und berufsbegleitender Fort- und Weiterbildung. Hinzu kommen befristete Verträge, die eben jenen Qualifizierungsdruck erzeugen und Umzüge wahrscheinlich machen. Das alles lässt die Lust aufs Ehrenamt schwinden.
Ich selbst habe einige Jahre ehrenamtlich u.a. im Vorstand eines Vereins mitgearbeitet. Seit ich zwei Kinder habe, musste ich mein ehrenamtliches Engagement stark zurückfahren. Die meiste Arbeit im Verein wird von Rentner gestemmt. Unter den jüngeren Menschen sind es Studenten oder diejenigen ohne Kinder. Familienväter und -mütter mit Erwerbsarbeit sind die Ausnahme. Auch wenn sie vorher aktiv waren, ziehen sie sich dann zurück. Einfach weil der Alltag schon so ungeheuer zeitraubend ist, dass kein Platz fürs Ehrenamt ist.
Das muss anders werden. Prantl schreibt zum Ende:
Unserer Art des Arbeitens und des Wirtschaftens fehlt die soziale und fürsorgliche Dimension. Die Krise des Ehrenamts ist ein Indiz.
Dem möchte ich mich gern anschließen.