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Hollande als Weckruf für die SPD?

Der Sieg von Francois Hollande bei den französischen Präsidentschaftswahlen wird teilweise als Weckruf für die europäische Linke und auch für die deutsche SPD gesehen. Für die europäische Linke mag das vielleicht stimmen, also der Entsprechung der Linkspartei in Europa. Aber für die SPD? Wohl kaum. Die Bloggerkollegen von Wiesaussieht haben dankenswerterweise das 60-Punkte-Programm vom neuen französischen Präsidenten Hollande übersetzt. Und wenn man da mal reinguckt, dann könnte man glauben, man guckt ins Wahlprogramm der Linkspartei.

Und hier zeigt sich auch, wie weit sich die SPD in den letzten Jahren von der sozialdemokratischen Idee entfernt hat: angefangen bei Schröders Nacheifern von Tony Blair, der großen Koalition mit Merkel und der Kuschelopposition der letzten zweieinhalb Jahre. Und damit wird deutlich, was für ein Problem die SPD in Wahrheit mit Hollande bekommen wird. Denn will sie ihm nacheifern, seine Ideen gutfinden und sich am Ende sogar zu eigen machen, dann muss sie einiges von dem, was sie in den letzten Jahren gemacht oder gesagt hat, zurücknehmen. Und das wiederum ist nicht glaubwürdig mit dem Personal, dass lange Zeit für das gegensätzliche Programm zu Hollande stand. Mit ein bisschen Strategiedebatte wird es nicht getan sein. Die SPD muss sich vielmehr re-sozialdemokratisieren, wenn sie mit Hollande mithalten will. Dass sie es tut, daran glaube ich allerdings nicht. Für die Menschen in Europa und Deutschland wäre es aber besser.

Wir brauchen eine andere parlamentarische Diskussionskultur

Heute ging es im Bundestag um die Abstimmung über den „Eurorettungsschirm“ und die Aufstockung der Bürgschaften darin. Nicht alle der Regierungskoalition waren damit einverstanden. Das ist ja erstmal nicht weiter schlimm.

Der Hammer ist aber: CDU/CSU und FDP wollten diese „Abweichler“ vor dem Bundestag nicht sprechen lassen, die wollten keine echte Debatte zulassen, die wollten nur Pro-Gesetzes-Entwurfs-Redner haben. Erst der Bundestagspräsident hat zwei Abgeordneten (je 1x CDU u. 1x FDP) das Recht eingeräumt, direkt in der Debatte sprechen zu dürfen. Das gab dann auch gleich mächtig Knatsch:

„Diese Entscheidung halte ich für falsch“, ärgerte sich nach der Abstimmung Unions-Fraktionschef Volker Kauder. „Wenn alle reden, die eine von der Fraktion abweichende Meinung haben, dann bricht das System zusammen“, befürchtet der Christdemokrat.

Mit „System“ ist der Fraktionszwang gemeint, das System, das alle schön in Reih und Glied stehen und ja keine Diskussion aufkommt lässt. Dass der Bundestagspräsident überhaupt eingreifen muss, ist allein schon ein Armutszeugnis, dass es hinterher auch noch Gemoser gibt, macht es noch schlimmer. Dabei heißt es in Art. 38 GG, dass Abgeordnete „nur ihrem Gewissen“ verpflichtet sind. Aber wehe es wagt einer mal, das ernst zu nehmen.

Andererseits: wenn im Parlament keine Diskussion mehr stattfindet, können wir uns die ganze Veranstaltung auch ersparen, dann ist es eine sinnlose Sache.

Man gucke sich auch mal die Reden von Klaus-Peter Willisch von der CDU und Frank Schäffler von der FDP an. Das ist kein Scheiß, den die da erzählen, das ist sind ernsthafte Bedenken, die nicht an den Haaren herbeigezogen werden. Man muss dem inhaltlich nicht zustimmen, aber totschweigen sollte man es erst recht nicht.
Und dann bekommen die beiden nicht mal Anstandapplaus, das Plenum bleibt totenstill. Was für eine Schande – für die Ja-Sager! Von solchen Leuten werden wir regiert, von solchen Diskussionsverweigerern, solchen geringster-Widerstand-Gehern. Ich hatte das letztens mal im Zusammenhang mit der Piratenpartei erwähnt: wir brauchen eine andere Diskussionskultur innerhalb der Parteien und in den Parlamenten, die Menschen wollen eine andere Diskussionkultur. Solche Abstimmungsinszenierungen sind wunderbar geeignet, um die Politikerverdrossenheit noch ein bisschen höher zu treiben.

P.S.: Die Opposition von SPD und Grüne ist in diesem Fall ein Totalausfall: die haben mit der Regierungskoalition gestimmt (von je einem Abgeordneten aus SPD [Wolfgang Gunkel] und Grüne [H.-Chr. Ströbele] abgesehen). Die LINKE hat geschlossen dagegen gestimmt.

Und auch noch Kritik an den Medien: mit ihrem Aufbauschen der Tatsache, dass die Regierung Merkel einpacken kann, am Ende ist, wenn sie keine eigene Mehrheit zustande bringt, führt zu solchen Auswüchsen. Einerseits wird der Eindruck erweckt, als müsse es immer Einstimmigkeit bei Parlamentsbeschlüssen geben (dann brauchten wir aber kein Parlament mehr) und andererseits wird viel Druck auf die Abgeordneten selbst erzeugt, die im Zweifel lieber mit der Fraktion stimmen, statt so, wie sie es für richtig halten.

EU-Parlament verschärft Stabilitätspakt

Um die Euro-Staaten zur Einhaltung bestimmter Verschuldungskriterien zu animieren, gab es bisher auch schon den Stabilitätspakt. Da gab es auch schon Sanktionsmaßnahmen, wenn bestimmte Verschuldungshöchstgrenzen überschritten wurden. Weil das aber bisher keinen gekratzt hat (bisher wurden auch noch keine entsprechenden Sanktionen verhängt), hat das EU-Parlament heute eine Verschärfung beschlossen. Das war eine ganze Weile in der Diskussion und ich hatte mich bisher gefragt, worin diese Sanktionen denn bestehen sollten. Die werden doch nicht – so dachte ich – Geldstrafen verhängen?! Das wäre ja ein bisschen schwachsinnig, einem Staat, der zu wenig Geld hat, auch noch Geld abzunehmen. Das wäre ja so, als würde man einem Hungernden mit Nahrungsentzug drohen. Aber genau das machen die:

Wer die Regeln bricht, muss zum Auftakt eines Verfahrens ein Pfand von 0,2 Prozent der Wirtschaftsleistung hinterlegen. Das wären für Deutschland rund fünf Milliarden Euro. Das Pfand wird in eine Geldbuße umgewandelt, wenn die betroffene Regierung nicht entschieden genug spart. Für chronische Defizitsünder wird es noch teurer. Dann werden Bußen von bis zu 0,5 Prozent der Wirtschaftsleistung fällig.

Und überhaupt, wie sollen Geldstrafen etwas bewirken? Das bringt ja nur etwas, wenn man dann weniger Geld zur Verfügung hat, wenn also ein realer Verlust droht. So wie bei Privatpersonen oder Unternehmen. Bei Staaten allerdings ist das ja nicht so, dann werden halt noch ein paar Kredite mehr aufgenommen. Das ist reiner Aktionismus, reine Symbolpolitik.

Piratenpartei zieht mit 15 Abgeordneten ins Berliner Abgeordnetenhaus ein

Ein bisschen hatte ich die Piraten ja schon abgeschrieben. Nach meinem Empfinden war es in letzter Zeit recht ruhig um sie geworden. Aber nun melden sie sich zurück mit dem furiosen Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus: 8,9% der Stimmen. Da muss der Berliner Landesverband eine Menge richtig gemacht haben.

8,9 Prozent – das sind nicht nur ein paar Nerds oder solche, die einfach mal aus Jux ihr Kreuzchen woanders gemacht haben. Ich sehe da auch keine Protestwähler, jedenfalls nicht von der Sorte, die einen „Denkzettel“ verpassen wollten.
Die vielen vorherigen Nichtwähler deuten eher darauf hin, dass hier Menschen eine echte Wahlalternative gefunden haben, jenseits der etablierten Parteien, dass die Piraten ein Wahlprogramm hatten, mit dem sich einige besser identifizieren konnten als mit den anderen Angeboten. Kurz: das ist kein Zufall.

Was ich gut an den Piraten finde und was, glaube ich, auch andere ganz gut fanden: diese Partei ist ein interessant anderes Projekt. „Interessant anders“ im Sinne von: keine Berufspolitker, kein staatstragendes Getue, keine Endlossätze ohne Aussage, aber dafür basisdemokratisch organisiert und mit einem Anspruch an Transparenz (den es nun gilt, in die Tat umzusetzen). Ganz sympathisch, aber auch ein bisschen fremd, wenn die neuen Landtagsabgeordneten im Pulli da rumsitzen man sich die Pressekonferenz der Berliner Piraten vom Tag nach der Wahl anguckt. Aber sollte das nicht auch so sein, dass da Leute wie du und ich sitzen? Macht das nicht am Ende Demokratie auch aus?

Ob das am Ende reicht, ob das sich so durchzuhalten lässt, wie lange man die Bodenhaftung behalten kann, ob nicht irgendwann Berufspolitiker nötig sein werden – man wird sehen. Zumindest erinnert vieles sehr stark an die Anfangszeit der Grünen, wenn man sich mal Parteitage Delegiertenkonferenzen von denen aus den 80er Jahren anguckt. Deren Entwicklung und die Verankerung grüner Ideen in der Gesellschaft könnten Vorbild sein. Was ja auch gleichzeitig eine (Be-)Drohnung ist: vom Revoluzzertum, vom Anderssein bleibt am Ende nicht viel übrig (auch wenn mir die Grünen immer noch sympathischer sind als CDUSPDFDP).

Ich habe auch wenig Illusionen: das wird noch ordentlich krachen innerhalb der Piraten. Da wird es noch ordentlich Richtungsstreit geben. Und bei diesen transparenten Strukturen wird auch kaum was unter der Decke bleiben. War ja in der Vergangenheit nicht anders. Aber Politik besteht nun mal aus Streit, aus gegensätzlichen Meinungen, aus Diskussion und Debatte. Wäre schön, die Piraten einen anderen Stil in die Politik reinbringen würden: Transparenz, Offenheit, Diskussionsfreude und auch mal zu sagen: „Moment, da hab ich gerade keine Lösung, darüber muss ich erstmal nachdenken.“

Nachtrag (22.09.11): Sascha Lobo schreibt in seiner SpOn-Kolumne einen klugen Kommentar zum Wahlerfolg der Piratenparte.

Guttenberg im „Zustand der Dauervergesslichkeit“

Die Kommission „Selbstkontrolle in der Wissenschaft“ der Uni Bayreuth macht das Offensichtliche offiziell und kommt zum Schluss, dass Karl-Theodor zu Guttenberg vorsätzlich getäuscht hat. Eben diesen Vorsatz hat Guttenberg bis heute immer bestritten.

Die Kommission vermag nicht nachzuvollziehen, dass jemand, der über Jahre Quellen für seine Dissertation bearbeitet, derart in einen Zustand der Dauervergesslichkeit gerät, dass ihm die allerorten in seiner Arbeit nachweisbaren Falschangaben vollständig aus dem Bewusstsein geraten.

Das steht im Abschlussbericht (S. 22) der Bayreuther Kommission. Auf gut deutsch: So blöd kann keiner sein, dass er massenhaft Textstellen in die eigene Doktorabeit kopiert und dann immer wieder die Fußnoten vergisst.

Der Abschlussbericht liest sich durchaus unterhaltsam. Besonders an den Stellen, an denen die Kommission versucht, Guttenbergs Erklärungsversuche, warum er das Setzen der Fußnoten versäumt hat und somit nur aus Versehen plagiiert hat, nachzuvollziehen. Guttenberg erklärt z.B. die Plagiate mit seiner „chaotischen“ Arbeitsweise, überall habe er Schnipsel gesammelt, auf über 80 Disketten und verschiedenen Laptops. Glaubhaft ist das nicht, denn zur leichten Variation von Textstellen, zum Austauschen von einzelnen Worten hat es ja gereicht.

Aber nehmen wir mal für einen Moment an, Guttenberg hat tatsächlich die Fußnoten nur vergessen. Dann bestünde seine Doktorarbeit ja fast nur aus Zitaten. Knapp zwei Drittel (63,8%) seiner Zeilen sind nicht gekennzeichnete Zitate – zusätzlich zu den korrekt benannten etwa 1200 Fußnoten (=Zitate). Was bliebe dann noch an Eigenleistung übrig?

Was mich aber auf die Palme bringt, ist die Arroganz und die Süffisanz mit der Guttenberg geleugnet hat, absichtlich betrogen zu haben. Eine Guttenberg-Show bis zum Schluss.

Apropos Show: Wer immer noch glaubt, Guttenberg wäre ein solider und kompetenter Politiker, der sei nochmal an Guttenbergs Arbeit als Verteidigungsminister erinnert: in der Kundusaffäre hat er eine mehr als schlechte Figur abgegeben, ebenso in der Gorch-Fock-Affäre und die von ihm eingeleitete Bundeswehrreform ist keinesfalls so gut vorbereitet, wie Guttenberg behauptet hat. Hier wie dort, mehr Schein als Sein; geht was schief, sind andere schuld.

P.S.: Gerade ist Doktortitel-Kegeln angesagt: Stoibers Tochter hat ihren Dr. schon verloren, Koch-Mehrin steht offenbar kurz davor und ein MdL der CDU aus BaWü hat wohl auch mehr gemogelt als erlaubt ist.

Schlichte Gemüter hüben wie drüben

Im aktuellen Spiegel sagt Volker Kauder:

Als Christ gibt es für mich das Böse in der Welt. Osama war böse. Und man darf sich als Christ freuen, wenn es weniger Böses auf der Welt gibt.

Das Böse. Aja. Ich dachte, wir wären schon weiter. Ich dachte, wir würden die Welt nicht mehr pauschal in Gut und Böse einteilen, in schwarz und weiß. Ich dachte, diese Einteilung in Gut und Böse wäre ein Sache von eher schlichten Gemütern oder religiösen Fanatikern – wobei hier die Grenze fließend sein dürfte. Unvergessen ist ja Bush mit seiner „Achse des Bösen“.
Volker Kauder ist ja nun auch nicht irgendwer, sondern Vorsitzender der Regierungsfraktion. Solche Leute bestimmen maßgeblich über die Gesetze in diesem Land. Menschen mit solchen schlichten Kategorien, mit einem solchen schlichten Weltbild machen Politik in unserem Land. Ein bisschen beunruhigend finde ich das schon. Wenn man sich die Wikipedia-Seite von dem anguckt, dann passt Kauders Aussage zu Gut und Böse allerdings ins Gesamtbild.

Vergeltung, aber keine Gerechtigkeit

Justice has been done

Der Gerechtigkeit wurde genüge getan. So hat Obama die Tötung von Osama bin Laden heute kommentiert. In meinen Augen ist das keine Gerechtigkeit, das ist Vergeltung. Offenbar hatte man auch gar nicht vor, bin Laden gefangen zu nehmen. Das war eine Tötungsmission im Auftrag von Obama.
Dazu gibt es dann noch Freudenfeiern in New York und Washington.

Unsere deutschen Politiker sind natürlich kein bisschen besser. Bundeskanzlerin Merkel z.B. sagt dazu:

Ich habe dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama meinen und unseren Respekt für diesen Erfolg und für diese gelungene Kommandoaktion mitgeteilt.

[…]

Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, bin Laden zu töten.

Ich bin einigermaßen fassungslos, dass von Politikern Freude über die gezielte Tötung an einem Menschen geäußert wird. Stattdessen hätte es eher Bedauern geben müssen, dass er nicht gefangen genommen werden konnte und es so kein ordentliches Gerichtsverfahren gegen bin Laden geben wird.

Wir bilden uns im Westen soviel ein auf unsere Werte, auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Und dann wird nach einer gezielten Erschießung Freude geäußert und von Gerechtigkeit gefaselt. Gerecht wäre einzig und allein ein Gerichtsverfahren gewesen. Die Auslegung, man sei mit bin Laden im direkten Krieg gewesen und darum sei ein Tötung von ihm nach Kriegsvölkerrecht legitim gewesen, halte ich auch für sehr weit hergeholt.

Wahrscheinlich hat man ein Gerichtsverfahren vermeiden wollen. Möglicherweise hätte man bin Laden nicht mal die Urheberschaft für die Terrorattentate nachweisen können. Das FBI beispielsweise sucht ihn nicht mal wegen der Attentate vom 11. September, sondern „nur“ wegen Anschläge auf US-Botschaften. Außerdem wären dann die guten Kontakte von bin Laden und seinen Mudschaheddin zur CIA und US-Politikern während des sowjetisch-afghanischen Krieges zur Sprache gekommen. Kurz: ein Gerichtsverhandlung wäre möglichweise für USA peinlich geworden. Aber das darf ja keine Kriterium sein, ob es zu einem Gerichtsprozess oder Kopfschuss kommt.

Mit der Erschießung von bin Laden hat man eine große Chance vertan zu zeigen, dass dem Westen Rechtsstaatlichkeit, Moral und Werte was wert sind. Stattdessen hat man auf Rache und Vergeltung gesetzt. Ich bin von Obama enttäuscht, von ihm hätte ich was anderes erwartet.
Wie ich an anderer Stelle schon mal schrieb: Wir verraten die Werte, die wir zu verteidigen glauben.

Nachtrag (09.05.11): Wer immer noch glaubt, man habe versucht, bin Laden gefangen zu nehmen und dabei habe man ihn leider erschießen müssen, weil er Widerstand geleistet hätte, der lese sich mal den Artikel von der NY Times bzw. von tagesschau.de durch.  Kurzfassung: es gab so gut wie keinen bewaffneten Widerstand, einmal wurde auf die Elitetruppe geschossen. Bin Laden selbst war mit seiner Frau im Schlafzimmer.  Eine Pistole und ein Maschinengewehr waren „in Reichweite“, er hatte es also nicht in der Hand.  Mit anderen Worten: er war unbewaffnet. Und trotzdem hat man ihn nicht nur kampfunfähig gemacht, sondern eben mittels Kopfschuss getötet. Mir braucht dann keiner erzählen,  die USA hätten bin Laden lieber gefangen genommen.

Der verlogene Krieg gegen Libyen

Der Krieg der NATO gegen Libyen war für mich von Anfang an seltsam. Eigentlich geht es in der entsprechenden UNO-Resolution nur darum, die Zivilbevölkerung vor den Übergriffen der Gaddafi-Truppen zu schützen.

Das war nie sonderlich glaubwürdig. Im Grunde ging es von Anfang an darum, Gaddafi zu stürzen. Man unterstützt mit Gaddafis Gegner mit Militär-Beratern, diskutierte deren Bewaffnung und die Geheimdienste waren natürlich auch schon gegen Gaddafi im Einsatz. In Libyens Hauptstadt Tripolis kam es zu Angriffen aus Gaddafis Residenz. Und heute wurden ein Sohn von Gaddafi und drei seiner Kinder bei einem Luftschlag getötet. Nur wenn man die UNO-Resolution seeehr großzügig auslegt – erst wenn Gaddafi weggebombt ist, sind die Zivilisten sicher – lässt sich das noch rechtfertigen. Bei normaler Auslegung der Resolution geht hier die NATO weit über ihre Befugnisse hinaus.

In noch einem anderen anderen Punkt machen sich die Libyen-Krieger und Vertreter eine bellizistischen Außenpolitik unglaubwürdig: Man war angetreten, Menschenrechte zu verteidigen und die Souveränität von Staaten hinter die Rechte und den Schutz der Bevölkerung zu stellen. Endlich werde interveniert, wenn irgendwo auf der Welt die Bevölkerung von ihrem Diktator umgebracht wird: Menschenrechte vor Völkerrecht.
Und nun ist das Syrien. Auch dort gehen die Menschen auf die Straße und auch dort werden die Regimegegner umgebracht.

Es wird teurer werden

Nachdem nun alle ganz schnell aus der Atomenergie aussteigen wollen, kommt nun so langsam die Diskussion in Fahrt, was das alles kosten könnte. Da werden dann wild ein paar Zahlen in den Raum geworfen, die kaum einer überprüfen kann und die vor allem viel Wind machen und so ganz nebenbei den Umbau des Energieversorgungssystem als Preistreiber diskreditieren soll. Das Stromnetz muss umgebaut werden, wenn es für die erneuerbaren Energien, die eine ganz andere Struktur der Stromeinspeisung haben als träge Atomkraftwerke, taugen soll. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern schon länger bekannt, es muss halt jetzt nur ein bisschen schneller gehen, wenn die AKWs schneller vom Netz sollen.

Wobei eines natürlich klar ist: teurer wird’s schon. Das ist aber eine ganz generelle Feststellung, wenn wir über Nachhaltigkeit reden. Denn eins ist klar: unser ressourcenverschleudernder Konsumstil ist nicht durchzuhalten, wenn wir in ein paar Jahrzehnten noch einen bewohnbaren Planeten haben wollen. Das alles kann nur so preiswert oder so billig sein, weil die Umweltkosten überwiegend nicht eingepreist sind in die Produkte, die wir kaufen.

Beispiel 1: Wenn wir keine Massentierhaltung mehr wollen, dann geht’s eben mit extensiver Landwirtschaft. Das bedeutet weniger Ertrag pro Hektar Ackerland bzw. pro m² Stallfläche. Dann wird das Steak oder die Wurst oder das Müsli halt teurer.

Beispiel 2: Wenn wir Metalle nicht mehr von im Raubbauverfahren aus der Erde pflügen, wenn wir die Arbeiter in den Minen und später in der Produktion menschenwürdig bezahlen, dann kostet der Fernseher keine Dreieurofuffzig mehr beim Saturn. Und die Rohstoffknappheit kommt dann noch preistreibend oben drauf.

Aus dem Grunde denke ich auch, dass die große Bewährungsprobe für die derzeit akute Nachhaltigkeits- und Umwelteuphorie erst noch kommt. Nämlich dann, wenn es ans Eingemachte, ans Portmonaie geht. Wenn wirklich Lebensstile in Frage gestellt werden, wenn z.B. das Autofahren viel teurer oder der Urlaub per Flugreise nicht mehr bezahlbar wird, weil das dabei in die Luft geschleuderte CO2 auf den Kraftstoffpreis drauf gepackt wird.

Oder wenn wir sagen müssen, wir können Wirtschaftswachstum nicht mehr durch Produktionswachstum an Gütern und Waren erzeugen, weil die Ressourcen auf dem Planeten endlich sind.

Wie es sich auch entwickeln wird, wenn wir es ernst mit der Nachhaltigkeit meinen, dann gehört auch die Wahrheit dazu, dass Konsum teurer und der materielle Wohlstand stagnieren, vielleicht sogar leicht fallen wird. Zu glauben, wir pinseln unseren Lebensstil einfach nur grün an und damit ist es getan, irrt sich. Ich bin gespannt, wer sich von den Parteien als erstes mit dieser Wahrheit an die Öffentlichkeit traut. Und diese Partei wird mit Sicherheit Prügel beziehen dafür. Erinnert sich noch einer an den 5-Mark-Benzinbeschluss der Grünen auf dem Parteitag 1998 in Magdeburg? Und an den Absturz der Grünen danach? Auch wenn die Grünen im Augenblick auf einer Sympathiewelle reiten (24% bundesweit in den Umfragen und damit knapp vor der SPD), das kann alles sehr schnell vorbei sein.

Aber irgendwann wird die Wahrheit auf den Tisch kommen müssen. Ich bin sogar optimistisch, dass eine nicht unerhebliche Anzahl Menschen bereit zum materiellen Verzicht sind.

Zensursulas Netzsperrengesetz wird aufgehoben

Es wurde beschlossen und dann in der Anwendung ausgesetzt, jetzt soll es rückgängig gemacht werden: Zensursulas Netzsperrengesetz. Ausgedacht und beschlossen hat es anno 2009 die Große Koalition, federführend dabei von der CDU natürlich Ursula von der Leyen und von der SPD Brigitte Zypries. Es folgte ein große Politisierung und Mobilisierung der Netzszene.
Nach dem Regierungswechsel kam es dann erstmal nur Nichtanwendung des Gesetzes und die Praxis des „Löschen statt Sperren“ sollte ausprobiert werden.

Das Ergebnis dieser Evaluation kann nicht weiter überraschen, weil der AK Zensur es schon gezeigt hatte: das Löschen funktioniert. Nach 4 Wochen sind 99% der Inhalte nicht mehr erreichbar. Das musste nun sogar unser CSU-Innenminister Friedrich einsehen. Hinterher heißt es dann vom CSUler, man sei immer schon fürs Löschen gewesen. Was natürlich nicht stimmt. Der AK Zensur hat aber schon recht, wenn er von einem „Erfolg der Vernunft“ spricht.

Auch hier sehen wir wieder das Prinzip, Gesetze gegen die Vernunft, gegen den Rat von Fachleuten und damit wider besseres Wissen zu erlassen. Wieder, weil es ja schon beim Atomausstiegsrumgeeier so war. Insofern gab es wirklich einen „Aufbaustudiengang Realpolitik“.

Ich glaube allerdings nicht daran, dass sich das Thema Netzsperren damit erledigt hat. Es wird wieder ein Vorwand ergeben und dann ist das Ding wieder auf der Tagesordnung. Und an der Vorratsdatenspeicherungsfront geht es ja immer noch weiter.