Irrungen und Wirrungen, Teil 2

Vor wenigen Wochen hatte ich ja von meinen ersten Erfahrungen mit „Fordern und Fördern“ berichtet. Letzten Dienstag war es dann soweit, ich hatte meinen Termin bei der ARGE.

Termin war um 8.30 Uhr, kurz vor 8 Uhr war ich bereits aus der Straßenbahn in Halle/Neustadt ausgestiegen. Diesmal ging es ohne Verlaufen in Richtung ARGE-Hochhaus, vorbei an der Anmeldung, vor der sich schon eine knappe halbe Stunde nach dessen Öffnung eine Schlange von 30 Leuten gebildet hatte. Aber dort musste ich mich glücklicherweise nicht anstellen, ich hatte ja einen Termin.

Dann rein ins Hochhaus, eine Putzfrau fegt und wischt gerade noch den Eingang, Fahrstuhl gerufen und auf die „16“ gedrückt. Im Fahrstuhl pappt ein kleiner Aufkleber mit roter Schrift: „out of order“. Er fährt aber problemlos nach oben. Die 16. Etage ist ein langer Gang mit zahllosen Türen. Am einen Ende unterhalten sich zwei Frauen auf Russisch, am anderen Ende steht ein junges Paar mit Kind.

Ich muss zu „Platz 01“. Gibt es aber gar nicht. Alle Räume haben Nummern von 150 an aufwärts. An einer Tür, an der ein Zettel dem Hinweis „Hier keine Abgabe von Anträgen“ klebt, stehen die Zuordnungen, welche Zimmer Platz 01 bis Platz 03 sind. Aha, hier soll also schon mal Eigeninitiative und ein gewisser Spürsinn bewiesen werden. Es ist immer noch weit vor 8.30 Uhr, also stelle ich mich vor die Tür, die mir der Zuordnungszettel zugewiesen hat. „Leistungsteam“ steht am Schild über drei Namen von drei Frauen. Klingt sehr dynamisch. „Leistung“ hört sich gut an, die hängen sich richtig rein für mich. Und es ist gleich ein ganzes „Team“: jung, motiviert und freundlich.

 


Nach einer Viertelstunde des Wartens und Betrachtens der Stellenangebote, steckt eine kleine, dickliche Frau den Kopf aus der Tür und fragt nach meinem Namen. „Einen Moment bitte noch“, kommt als Antwort auf meine Namensnennung. 5 Minuten später darf ich dann reinkommen. Ihren Namen erfahre ich nicht. Hängt ja auch ein Schild an der Tür mit gleich drei Namen zur Auswahl. Ich setze mich hin, reiche ihr erst meinen Ausweis und danach meinen ALG-II-Antrag. Stempel drauf, die ersten Häkchen werden rauf gemalt. „Haben Sie den Sozialversicherungsausweis dabei?“ – „Nein, aber die Nummer hab ich ja drauf geschrieben.“ Ein paar Zahlen kann ich fehlerfrei abschreiben, denke ich.


Als nächstes möchte sie meinen Mietvertrag und eine Auflistung der Nebenkosten sehen. Mietvertrag hab‘ ich nicht dabei, aber eine Nebenkostenabrechung des letzten Jahres. Da steht alles drauf: Gesamtmiete, Betriebskosten und Heizkosten der letzten 12 Monate. Die Frau aus dem Leistungsteam wirft einen flüchtigen Blick drauf und meint daraufhin, dass sie damit nichts anfangen kann. Woher ich denn die eingetragenen Zahlen im Antrag her habe? „Hab ich ausgerechnet.“ Skeptischer Blick der Frau aus dem Leistungsteam. Falsche Antwort! Selbst rechnen is‘ nich‘. Die Kosten eines Jahres durch zwölf teilen – also nein, das ist nicht amtlich genug, da muss eine Aufstellung vom Vermieter her. Als wenn der was anderes machen würde, als die Jahreskosten durch zwölf zu teilen.


„Das Zusatzblatt 3 hätte ich gerne.“ Fragender Blick von mir: „Das muss man doch nur ausfüllen, wenn man ein Vermögen über 4850 € hat.“ – „Nein, das müssen sie immer ausfüllen.“ Sie möchte nämlich von mir einen Nachweis, dass ich keine weiteren Konten habe. Ok, steht zwar im Widerspruch zum Antragstext und auch zu dem, was die Bundesregierung dazu sagt, ist aber offenbar gängige Praxis. Kontoauszug hab ich auch nicht dabei. Dass ich den mitbringen muss, steht auch nicht im Antrag. (War z.B. beim BAföG-Antrag auch nie nötig.) 


„Was soll ich jetzt mit Ihrem Antrag machen?!“, kommt es mir von der Frau vom Leistungsteam entgegen. Soll ich ihr jetzt sagen, wie sie ihre Arbeit zu machen hat? Draußen am Schild steht ja, dass sie die Frau vom Leistungsteam ist. Ich nehme mal an, das beinhaltet auch, dass sie weiß, was man mit unvollständigen Anträgen macht. Sie kommt dann auch von selbst drauf: Sie nimmt den Antrag nicht an. Ich kann mir also einen neuen Termin besorgen (am 21.10. darf ich wieder hin) und ziehe unverrichteter Dinge wieder ab (Notiz an mich: Umgang mit Behörden lernen, nicht so leicht abspeisen lassen).


Genau so stelle ich mir „Fördern und Fordern“ vor. So klappt das mit dem Abbau der Arbeitslosigkeit gewiss.

2 Gedanken zu „Irrungen und Wirrungen, Teil 2

  1. Karsten

    Nein, wie naiv. Da unterlag doch nicht etwa jemand dem Irrtum, man könne sich über die Prozeduren vorher informieren? Die rechtlichen Grundlagen ermitteln, bevor man bei der ARGE eingetroffen ist? Sich vielleicht gar noch so vorbereiten, dass man nach wenigen Minuten seinen Antrag abgegeben hat?

    Nein, all das kann und darf nicht sein. Denn erstens steigt die Macht des „Leistungsteams“, wenn der „Kunde“ nicht über die Formalien und Rechtsgrundlagen informiert ist. Und zweitens kann man die Auszahlung der Leistungen erheblich verzögern (und den einen oder anderen vielleicht sogar zur Kapitulation bringen), wenn man die „Kunden“ erst sechs- oder siebenmal einbestellt. Spart auf jeden Fall Zinsen.

  2. Wanda

    Ich möchte hier Karsten nicht ganz zustimmen und auch nicht wiedersprechen.

    Ist es wirklich so dass man so weit ist, dass man mit der flachen Hand auf den Tisch schlägt und darauf beharrt was einem zusteht.

    Die ganzen verwirredne Forderungen kann ich nicht nachvollziehen.

    Ungefähr so lief es auch bei mir mit dem Antrag auf die Berufausbildungsbeihilfe BAB ab.

    “Das Zusatzblatt 3 hätte ich gerne.� Fragender Blick von mir: “Das muss man doch nur ausfüllen, wenn man ein Vermögen über 4850 € hat.� – “Nein, das müssen sie immer ausfüllen.�
    Dieses Zitat war fantastisch, habe mich köstlich amüsiert.

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