Die Readers Edition (RE) ist nun wirklich kein Selbstläufer. Das Citizen-Journalismus-Projekt kämpft seit dem Start mit geringer Beitragsdichte und mangelnder Bedeutung. Nur ganz, gaaanz selten stoße ich beispielsweise in Blogs auf einen verlinkten RE-Beitrag. Die Artikel der RE sind nicht Fisch und nicht Fleisch. Sie haben nicht die Relevanz von „klassischen“ Medien und nicht die persönliche Note von Blogeinträgen. Sie liegen irgendwo dazwischen, dort, wo es uninteressant ist. Die Nachrichtenbeiträge sind wegen ihrer Bemühung um Distanz und Ausgewogenheit langweilig oder man hat sie anderswo schon früher und besser gelesen. Die Kommentare sind selten pointiert oder bissig.
Kurzum: Es lohnt sich nicht, die RE zu lesen.
Felix Schwenzel ist vor einiger Zeit schon mal näher auf die Probleme der RE eingegangen:
ich sehe zwei versäumnisse der netzeitung:
* masse schaffen, eine breite userbasis
* anreize schaffen für die RE zu schreiben
* themen und hilfestelllung vor dem schreiben leisten und so zum schreiben animieren
Man scheint sich der Probleme bei der RE auch innerhalb der RE bewusst zu sein und thematisiert das selbstkritisch in einem Beitrag:
Nach dem Wechsel der Projektleitung steht das im Juni 2006 mit großem Applaus gestartete Projekt Readers Edition der Netzeitung am Scheideweg.
Wie kann es gelingen, »20 Millionen Mitarbeiter« zu gewinnen, wenn nach einem halben Jahr kaum 150 Autoren jeweils mehr als vier Artikel veröffentlicht haben? Sollen professionelle Autoren angesprochen und motiviert werden, um die wenigen aktiven Moderatoren, die sich zeitaufwändig mit Schreibversuchen von Laien abmühen, zu entlasten? Soll es redaktionsähnliche Strukturen geben mit Zuständigkeitsbereichen, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten? Wo liegen die Schmerzgrenzen beim Qualitätsbegriff? Wer ist die Zielgruppe der Online-Publikation, und wie ist ihr Verhältnis zu Blogs?
Die zentrale Frage lautet (wie bei Felix Schwenzel) auch für mich: Warum sollte ich (oder allgemein: man) für die RE schreiben, was bringt mir das? Schreibe ich hier etwas in mein Blog, dann ist das meins. Die Aufmerksamkeit für einen vielleicht gelungenen Artikel gehört dann mir. Schreiben wir nicht alle auch ein bisschen für das eigene Ego?
Die RE ist keine Marke, hat keinen Ruf, es fehlt der Anreiz, für sie zu schreiben. Man muss also die Schreiberlinge da draußen dazu bringen, interessante Texte lieber in die RE zu schreiben als ins eigene Blog (oder für sich zu behalten, indem sie gar nicht schreiben). Dazu braucht die RE einen Ruf, dass man dort Aufmerksamkeit bekommt. Die Leserzahlen der RE dürften die eines kleinen Blogs wie dem meinigen hier bei weitem übertreffen. Aber die Relevanz ist nach wie vor bescheiden. Es interessiert wohl keinen, wenn man für die RE schreibt.
Mal ein Beispiel: Jörg-Olaf Schäfers schreibt seit Wochen (zusammen mit Don Alphonso) über das StudiVZ und gräbt dabei nach und nach weitere Probleme und Fehler beim Studentennetzwerk aus. Das beschert ihm ordentlich Traffic, Aufmerksamkeit in der Blogosphäre und darüber hinaus. Ich gönne ihm den Besucherstrom voll und ganz, denn er schreibt ein interessantes Blog (war eines meiner ersten Blogs im Feedreader) auch über das StudiVZ-Thema hinaus. Jetzt sieht er sein Blog wachsen und gedeihen, die Leserzahlen werden auch nach dem Abebben der StudiVZ-Welle höher sein als vorher. Er kann sich weiterhin über Interesse und Aufmerksamkeit an seinen Texten freuen.
Aber stellen wir uns jetzt mal vor, Jörg-Olaf hätte seine StudiVZ-Recherchen nicht auf seinem Blog sondern in der Readers Edition veröffentlicht. Was hätte er davon gehabt? Für die RE wäre das fraglos ein Knaller gewesen und vielleicht sogar der Durchbruch. Für Jörg-Olaf hätte es wohl gar nichts gebracht. Außer der Gewissheit, die RE kräftig gepusht zu haben.
Die RE möchte jetzt die Phase zwei zünden:
Phase zwei heißt Weiterentwicklung der Website als die führende deutschsprachige Citizen-Journalism-Plattform. Wir wünschen uns natürlich mehr Beiträge, wollen den Prozess vom Einstellen von Beiträgen bis zum Veröffentlichen beschleunigen, also die Fakten-Kontrolle und den Redaktionsarbeit für die (ehrenamtlichen) Moderatoren einfacher und attraktiver machen sowie Autoren mehr Hilfe anbieten bei der Recherche und beim journalistischen Schreiben.
So richtig visionär klingt das noch nicht. Es gibt schon mal ein Konzeptweblog, in dem Ideen unter Anleitung von Hugo E. Martin ausgebrütet werden sollen. Ich hoffe, man packt den Punkt „Anreizstrukturen schaffen“ an und findet dafür ein Lösung. Ich habe leider keine.
[via: basicthinking]
Hi! In der Readers Edition wurde auch schon über das StudiVZ geschrieben: http://www.readers-edition.de/2006/08/28/das-digitale-poesiealbum-400000-studenten-im-studiverzeichnis
In der Diskussion zum Artikel meldeten sich auch die Gründer des StudiVZ zum Vorwurf, das StudiVZ sei nur eine Kopie von Facebook. Der Artikel wurde neulich auch auf Spiegel.de verlinkt, die Readers Edition wird also doch gelesen.
In der RE wurde ein eher an PR erinnernder Artikel zum StudiVZ geschrieben. Die Kritik, dass es eine Akupferung von Facebook sei, fand in den Kommentaren statt, die Sicherheitslückendebatte kam aus der Blogosphäre. Dazu lese ich keinen Artikel in der RE.