Archiv für den Monat: Mai 2006

Computerbild ist kein journalistischer Freiheitskämpfer

Ausgerechnet Computerbild soll für journalistische Geradlinigkeit stehen? Könnte man jedenfalls denken, wenn man diese oder auch diese Mitteilungen liest.

Der Softwarekonzern Microsoft will in Deutschland die redaktionelle Berichterstattung von Computermagazinen über die Office-2007-Vorabversion kontrollieren. Verlage, die eine Kopie von „Office Professional Plus 2007 Beta 2“ auf den Heft-CDs und -DVDs vertreiben möchten, sollen einen Vertrag unterschreiben. Damit sichert sich Microsoft Mitsprache bei den redaktionellen Inhalten und eine Prüfung der Veröffentlichungen zu.

[…] Sich darauf einzulassen sei eine Bankrott-Erklärung redaktioneller Freiheit.

Ich hatte die Meldung mit der Computerbild und der Weigerung, die CD mit der Beta von Microsoft Office 2007 ins Heft zu bringen, am Montag irgendwo gelesen. Ziemlich gewundert hab ich mich daher gestern, als ich die c’t am Kiosk gekauft habe und besagte CD mit Office 2007 Beta darauf war. Die c’t ist also im Gegensatz zur Computerbild manipulierbar? Die c’t ist also redaktionell bankrott?

Da kann doch was nicht stimmen. Gerade die c’t, die sich bis heute weigert, Testsieger auszurufen und auch sonst wohl das seriöseste Computermagazin ist (wobei die Titelseiten auch reißerischer werden), soll sich auf einen Knebelvertrag mit Microsoft einlassen? In den Worten des Chefredakteurs der c’t, Christian Persson, stellt sich die Sache anders dar.

Es ist wohl eher so, dass die Computerbild, anders als damals beim SP2 von Windows XP nicht bevorzugt wurde, jetzt schmollt und auch gleich die anderen Computermagazine zu denunzieren versucht.

[via: CIO Weblog]

zdf.reporter wird geprüft

Das krawallige Boulevardmagazin zdf.reporter, die öffentlich-rechtliche Version von auf jugendlich getrimmtem Infotainment, soll auf den Prüfstand. Der ZDF-Fernsehrat will sich mit dem Magazin „ausführlich befassen“. Das berichtet das Hamburger Abendblatt.

Anlass für die Überwachung ist der nicht ganz sauber erstellte und möglicherweise sogar inszenierte Beitrag vom 29. März (Text und Video zum Beitrag noch nicht wieder online) über gewaltätige Jugendliche in Hamburg. Geld ist dabei an die Jugendlichen im Beitrag offenbar ohne Gegenleistung geflossen, das Prügel“opfer“ ist mit den Prüglern befreundet, der Arm war nie gebrochen und die Kommentierung war überdramatisiert. Aber natürlich weist man jede Art der Inszenierung weit von sich.

Überprüft das Magazin und dann nehmt es aus dem Programm. Auf diese Art von Themen kann man wohl verzichten. Wir haben schon genug Aufgeregtheit in den Medien. Wer’s wirklich braucht, ist dann bei RTL2 gut aufgehoben.

satt und depressiv?

Gestern in der taz beim obligatorischen Wochenvorausblick mit Friedrich Küppersbusch:

taz: Klar ist: Die Hartz-Reformen schaffen keine Jobs. Die Gewerkschaften glauben, ordentliche Lohnerhöhungen täten dies wegen mehr Kaufkraft, besserer Stimmung etc. Was denken Sie?

Küppersbusch: Ich weiß nicht. Wir diskutieren hier seit 15 Jahren über die Beschaffenheit des Rasens, auf den die Äpfel plumpsen sollen. Ich dachte: Zukunftsfähige, wertbeständige Produkte verkaufen sich am besten, erzielen auch bessere Preise und müssten also die Debatte auf die Unternehmen lenken, die das offenbar nicht ausreichend auf die Reihe bekommen. Ein seriöser Gärtner würde sich das kurz angucken und den einen oder anderen Baum fällen.

Recht hat er. Denn nur wenn Unternehmen Produkte entwickeln und verkaufen, dann brauchen sie auch Leute, die diese Produkte herstellen. Tun sie aber wohl offenbar nicht.

Ähnliches steht heute auch in der Telepolis unter dem Titel „Satt und depressiv“. Tenor dabei: westliche Gesellschaften sind mittlerweile so reich, dass es kaum noch Produkte gibt, die die Menschen brauchen und damit kaufen würden. Als Folge davon kommt es zu Überkapazitäten und Arbeitslosigkeit, allen Anstrengungen der Politik zum Trotz:

Alle diese Rezepte leben von dem Glauben an eine intakte Nachfragekurve, jedoch stellt kein Konzern Leute ein, nur weil die Lohnkosten gesunken sind, wenn gleichzeitig 20 bis 25% der Kapazitäten nicht ausgelastet sind.

Ich glaube zwar nicht so recht daran, dass es keine neuen Produkte für westliche Gesellschaften gibt. MP3-Player, DVD-Player, HDTV-Fernsehgeräte etc. gehen ja weg wie warme Semmeln. An anderer Stelle schafft es die Industrie aber offenbar wirklich nicht, sich neue Produkte zu entwickeln, für die sich Kunden erwärmen könnten. Was ist z.B. aus den sündteuren UMTS-Lizenzen geworden? Keine Killeraplikation dafür in Sicht.

Statt also neue Produkte zu entwickeln sparen die Unternehmen lieber, schrumpfen und konzentrieren sich auf sog. Kerngeschäfte. Und der Staat spart an der (Aus-)Bildung, die die Grundlage für Innovationen sind. Die Debatte um Arbeitsplätze sollte also weg vom Staat hin zu den Unternehmen und Hochschulen gehen.

Rechenfehler statt Kostenexplosion

Was stellt man sich unter einer Kostenexplosion vor? Doch wohl, dass die Ausgaben für irgendetwas sehr viel höher liegen als vorher.

Bei der Diskussion um Hartz IV gibt es eine neue Definition für den Begriff Kostenexplosion: die Ausgaben liegen höher, als man geraten gehofft gedacht erwartet hatte.

Die Fakten sehen allerdings anders aus: Ausgaben für Sozial- und Arbeitslosenhilfe ohne Hartz-IV-Reform: 35,5 Mrd., tatsächliche Ausgaben von Bund, Länder und Kommunen: 37,5 Mrd. Euro. Steigerung: etwa 5%. Explosionen sehen anders aus.

Vielmehr sollte man wohl von einer krassen Fehlkalkulation und unbegründeten Hoffnungen auf ein angebliches Zaubermittel gegen die Arbeitslosigkeit reden. Stattdessen wird von einer Kostenexplosion lamentiert.

Nachtrag (5. Juni): Jetzt ist es sogar offiziell: Es gibt keine Kostenexplosion. Es ist aber wohl kein Zufall, dass Müntefering damit erst nach Verabschiedung von Hartz-IV-Verschärfungen an die Öffentlichkeit geht, oder?

Lesenswert: die taz über Meinungsmache gegen Hartz IV.

Privatfernsehen lernt von der Musikindustrie und sägt am eigenen Ast

Hat die Musikindustrie ein Schulungsprogramm, wie man am besten Kunden vergrault und hat das Privatfernsehen daran teilgenommen? Auf die Idee kann man jedenfalls kommen, wenn man sich die Pläne zur Verschlüsselung der digitalen Fernsehsignale anguckt.

Den Anfang machen Pläne, das Fernsehsignal vom Astra-Satelliten (DVB-S) zu verschlüsseln. Zwar kommen die Pläne von Astra, aber die Privatsender erscheinen nicht, als müsse man sie zum Jagen tragen. Ganz viele tolle neue Spartenkanäle wolle man dem Kunden dann bieten. Das Programm wird nicht dadurch besser, dass man es neu mischt.

Jetzt will der Sender RTL zudem auch DVB-T verschlüsseln. Dazu gibt’s drei Spartenkanäle und „Video on Demand“. Um „neue Umsatzquellen zu erschließen“, wie die RTL-Senderchefin Schäfercordt wissen lässt. Weil der Werbemarkt nicht mehr so dolle ist.

Kommt einem irgendwie bekannt vor, nicht? Die Musikindustrie leidet auch unter Umsatzverlust und versucht mit Gängelei wie Kopierschutzklimbim und DRM die Kunden zu ihrem Glück und zurück in die Arme der Musikindustrie zu zwingen. Jetzt kommen die Privatsender, verschlüsseln ihre Programme, zwingen die Kunden zur Anschaffung neuer Geräte, die auch mit Smartcards zum Entschlüsseln funktionieren und verkomplizieren das so einfache Medium Fernsehen. Und das in Zeiten, in denen die Mediennutzung weg vom Fernsehen und hin zum Internet geht.

Was werden also diejenigen machen, denen das Vollprogramm der Privatsender wurscht ist und sie es nur gucken, weil da ein paar gute Ami-Serien laufen? Genau, sie werden sicher keine Gebühr für das Programm von RTL, Sat.1 oder Pro7 zahlen, sondern werden auf Alternativen ausweichen, legale und illegale. Fernsehserien bekommt man in guter Qualität in der Tauschbörse des Vertrauens, wahlweise auf Englisch oder auf Deutsch. Die US-Networks planen außerdem Downloadportale für TV-Serien, wie es bei iTunes u.a. schon jetzt möglich ist.

Oder man nimmt dann richtiges Pay-TV wie Premiere. Da kriegt man Filme und Serien früher und dann werbefrei. Zahlen werden dann diejenigen, die sich nicht nach Alternativen umschauen und ihre Sehgewohnheiten nicht ändern wollen und sich das auch was kosten lassen. Die „junge Generation“ wird man so sicher nicht „ans Fernsehen heranführen“, wie sich das die Frau Schäfercordt zusammenphantasiert.

Nachtrag: Mir geht grad noch so ein Gedanke durch den Kopf: Für Premiere könnten goldene Zeiten anbrechen.
Ich hab immer gesagt, dass Pay-TV in Deutschland so lange kein Massengeschäft wird, wie wir ein so vielfältiges Free-TV haben. Damit ist es nun bald vorbei. Mit den Gebühren für digitales Privatfernsehen werden die Leute an den Gedanken von Pay-TV gewöhnt. Wenn man nun die Wahl hat zwischen dem Bezahlen fürs Werbefernsehen und dem Bezahlen für Premiere, die Serien und Filme vor den Privaten bringen, dann fällt die Entscheidung nicht allzu schwer, denke ich.

Spiegel-Watchblog

Unter www.spiegelkritik.de findet sich ein Spiegel-Watchblog. Seit März 2006 online, bisher 19 Beiträge.

Beim ersten Durchgucken ist das Blog noch nicht der Brüller, die Einträge sind für meinen Geschmack zu umständlich, zu wenig pointiert in der Herangehensweise an den jeweils kritisierten Artikel. Aber das kann ja noch werden.

Der netzweltspiegel macht zwar wieder unter neuer Führung weiter, schreibt aber offenbar leider nicht mehr oder nur noch sehr sporadisch über die Netzweltrubrik von SpOn.

Heye hat Recht und doch übertreibt er

Uwe-Karsten Heye, derzeit Vorsitzender des Vereins „Gesicht zeigen!“ und Chefredakteur des SPD-Parteiblattes „Vorwärts“ und vormals Regierungssprecher der Regierung Schröder, hat natürlich Recht, wenn er auf Rechtsextremismus im Osten und die Gefahr für nicht Deutschaussehende hinweist. Aber warum muss er so übertreiben, in dem er davon spricht (Transkript, rechts auch das Gespräch als Audio on Demand), dass man aus bestimmten Gegenden in Ostdeutschland „möglicherweise lebend nicht wieder“ herauskommt.

Warum diese sprachliche Eskalation? Die Lage ist schon schlimm genug, da muss man nicht noch mit der verbalen Brechstange daherkommen. Ist doch klar, dass sowas zu Kritik an Heye (statt am Rechtsextremismus) und Relativierungen führt, die dann wiederum in ein „oooch, ist doch alles halb so schlimm“ abgleiten können. Statt sachlicher Debatte um Rechtsextremismus in Ost und West und Nord und Süd geht es um die Aussagen von Heye.

Selbst der Afrikarat drückt sich vorsichtiger aus, wenn er davon spricht, dass es „‚No go Areas‘ – Gebiete, in denen Menschen mit sichtbar afrikanischer Herkunft einem hohen Risiko rassistisch motivierter Gewalt ausgesetzt sind“ gäbe.

Nachtrag (10.02.07): Die These vom ausländerfeindlichen motivierten Überfall ist nicht mehr zu halten.

Funny Google

Witzige oder seltsame Google-Referer kann sicher jeder aus seinen Statistiken fischen. Aber so lustige Kommentare dazu schreiben kann nicht jeder. Ralf kann’s.

P.S.: Meine Highlights in diesem Monat bisher sind „welche rapper kiffen“ (vermutlich jeder) und „drohbrief schreiben“ (eine große Hilfe war mein Blog bei diesem Problem sicher nicht).

Neue Staffel Popstars: Wo ist das nächste Sooonnenlischt

Pro7 scheint offenbar aus der letzten Staffel Popstars nicht gelernt zu haben. Als Band kam Nu Pagadi heraus, die einen Hit hatten und sich danach trennten. Schneller als alle Castingsbands zuvor.

Trotzdem startet Pro7 eine neue Staffel. Diesmal gibts nur 4 Castings, dafür kann man jetzt sein Gesinge als MP3 oder Video einschicken. Jetzt werden sich noch mehr Leute zum Obst machen. Die Videos und Tonproben kann man natürlich bewerten.

Das nächste Sooonnenlischt ist da sicher nicht mehr weit weg.

Eine Schlagzeile und ihre Geschichte: Ströbele und die türkische Hymne

Ströbele fordert die deutsche Nationalhymne auf Türkisch – das ist natürlich eine tolle Schlagzeile, die die B.Z. da hatte. Allein, sie stimmt nicht. Macht aber nix, am nächsten Tag rauschte der Blätterwald gewaltig, jeder durfte mal auf den Grünen eindreschen und Ströbele musste wohl aufpassen, dass ihn nicht gleich die Männer mit dem bunten Auto abholen kommen.

Bei B.Z.-Schlagzeilen (gleiches Kaliber wie die Blödzeitung) sollte man eigentlich vorsichtig sein und vorher mal prüfen, ob sie stimmen. In diesem Fall also: Ströbele anrufen und fragen, ob die B.Z.-Meldung stimmt. Dann hätte man sich viel Peinlichkeit ersparen können. Die Nachrichtenagentur dpa z.B. sah das anders und verbreitete den B.Z.-Mist. Eigene Recherchen waren aber auch nicht besser.

Aber lassen wir doch mal Ströbele selbst zu Wort kommen und hören uns an, wie die Boulevard-Zeitung B.Z. zu ihrer Meldung von der „offiziellen türkischen Version der deutschen Nationalhymne“ gekommen ist (Hervorhebung von mir):

Um es gleich vorwegzunehmen: Ich habe nie gefordert, den deutschen Text der Nationalhymne durch einen türkischen zu ersetzen oder eine türkische offizielle Version in Deutschland einzuführen. Ich will auch niemanden dazu zwingen oder veranlassen, die Hymne nur noch oder einmal in türkischer Sprache zu singen. Ich habe nur nichts dagegen, dass die Nationalhymne ins Türkische übersetzt wird und von denen, die dies gern tun, auch in türkischer Sprache gesungen werden kann. Ich finde das nach wie vor ganz OK.

Die Idee stammt keineswegs von mir. Eine Berliner Boulevardzeitung hatte mich am zweiten Mai – nicht am ersten April – angerufen und gefragt, was ich davon halte, dass die Einwanderer aus Lateinamerika in den USA die US-Nationalhymne auf Spanisch statt auf Englisch singen. Ich finde das als politisches Signal und überhaupt ganz in Ordnung und habe die Frage entsprechend beantwortet. Dann kam die Nachfrage, ob angesichts der vielen Menschen aus der Türkei, die in Deutschland leben, die deutsche Nationalhymne ins Türkische übersetzt und auch in türkischer Sprache gesungen werden könne. Meine Antwort war, dagegen hätte ich nichts, auch das sei OK.

Das liest sich dann schon ein wenig anders – man könnte auch sagen: es ist so ziemlich das Gegenteil von dem, was in den Medien verbreitet worden ist. Aus einer „offiziellen Übersetzung“ (= es gibt eine einheitliche Übersetzung, so stand es in der B.Z.) wird kurzerhand eine „offizielle Version“ (= die Nationalhymne wird künftig zweisprachig, so stand es später dann in den Zeitungen). Aus einem „ich könnte mir sowas vorstellen“ (so hat sich Ströbele ausgedrückt) wird dann ein „ich will“ (das macht die B.Z. daraus) oder „Ströbele fordert“ (Nachrichtenagentur AP). Das ist grob fahrlässig und zeigt die Inkompetenz unserer Presse, wahrheitsgemäß zu informieren oder gar zu recherchieren. Stattdessen gibt es Polemik fürs Volk. Die Idee kommt schließlich von Ströbele, das ist der mit dem muslimischen Feiertag, also wird die Sache mit dem verrückten Grünen schon stimmen. Rein damit ins Blatt.

So wie es Ströbele formuliert hat, verliert die Idee natürlich an Brisanz (und auflagen- und quotenfördernder Schlagzeilen). Ich selbst denke, dass die deutsche Nationalhymne auf deutsch gesungen werden sollte, darum heißt sie ja auch so. Vielsprachigkeit im Alltag ok, aber irgendwo sollte man sich dann doch auf einen gemeinsamen sprachlichen Nenner einigen. Was läge in Deutschland also näher, also die Hymne weiterhin auf Deutsch zu singen. Wenn aber ein türkisch- oder italienisch- oder was-auch-immer-stämmiger Deutscher die Hymne gerne mal in der Sprache der Mutter oder des Vaters singen will, warum dann nicht? (Nur so am Rande: Wichtiger wäre mir, dass die Nationalspieler die Hymne auch mal wirklich mitsingen würden.)

[via: taz]