Eva zurück an die Seite Adams

Die Diskussion über Geburtenrückgang und Familie treibt manch seltsame Blüte. Teilweise geht sie mittlerweile ins Absurde ¹ über:

[Frauen] sind im beruflichen Kampf gegen die Männer am Ende ihrer Kräfte und Ressourcen angelangt. Sie sind ausgelaugt, müde und haben wegen ihrer permanenten Überforderung nicht selten suizidale Fantasien.

[…] die […] Vorzeigefrauen [sollten sich] fragen lassen, welche Ziele sie eigentlich leiten. Die ehrliche Antwort wäre: Es sind Selbstgefälligkeit und Eitelkeit.

Es darf ihr [der Frauen] Glück nicht allein darin bestehen, Geld zu verdienen und sich in der männlichen Berufswelt zu behaupten.

Es ist die Frau, die in der Wahrnehmung ihres Schöpfungsauftrages die Familie zusammenhalten kann […]

Seit einigen Jahrzehnten verstoßen wir Frauen zunehmend gegen jene Gesetze, die das Überleben unserer menschlichen Spezies einst gesichert haben.

[wir] lähmen […] jede starke Männlichkeit in unseren Partnern, die wir uns in der Tiefe unserer Seelen sehnlichst wieder herbeiwünschen.

Sagt mal, ihr Frauen da draußen, erkennt ihr euch in solchem Geschwurbel wieder? Das da oben sagt nämlich eine Frau über euch. Diese Frau ist Eva Herman und hat im aktuellen Mai-Heft des Cicero einen Artikel verfasst, in dem sie fragt, ob die Emanzipation ein Irrtum war.
Zumindest einige prominente Frauen halten sie nicht für ein Irrtum, lesenswert ist die Antwort von Amelie Fried.

In Hermans Augen hat die Emanzipation die Frauen in den Beruf gezwungen und raubt ihnen damit das Glück und die Erfüllung, die man wohl nur mit Kind und Mann findet. Und Mann und Frau dürfen ruhig wieder in alte Rollenbilder schlüpfen: Frau für den Haushalt und die Kinder, der Mann fürs Geldverdienen und den Hammerschlag auf den Nagel in der Wand. Es ginge ihr nicht, um die „schwärmerische Familienverklärung“, so Herman. Doch, doch, genau darum geht es aber. Da hilft auch nachträgliche die Verneinung der Stoßrichtung des eigenen Artikels nichts.

Wie kommt man als beruflich erfolgreiche Frau, Mutter und Ehefrau eigentlich darauf, dass die Emanzipation falsch sei? Wie kommt man darauf, dass Gleichberechtigung falsch ist? Dass die Emanzipation mitverantwortlich ist für den Geburtenrückgang ist schon klar. Aber was ist daran falsch? Ist das nicht vielmehr ein Ausdruck dafür, sich Frauen endlich für oder gegen Kinder entscheiden dürfen; dafür, dass die jetzt verklärte Großfamilie zumindest von den Frauen oft nicht gewünscht war? Und ist nicht gerade die Freiheit, wählen zu dürfen, die Freiheit, ein eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen, die Errungenschaft der Emanzipation?

Zurück an den Herd?

Das soll nun alles falsch sein, weil es nicht genug Kinder gibt? Sind nicht eher die fehlenden Möglichkeiten einer Vereinbarung von Familie und Beruf der Grund dafür? Frauen müssen sich heute leider vielfach immer noch zwischen Karriere und Familie entscheiden. Aber das ist nicht das Ergebnis der Emanzipation, sondern unzureichender Emanzipation und fehlender Familienfreundlichkeit der Wirtschaft, des Staates und der Gesellschaft: Kinderbetreuung ist unzureichend, teuer und meist nicht an Arbeitszeiten orientiert, Teilzeit wird zu selten angeboten, schon gar nicht in leitenden Positionen, Frauen mit Kind werden oft wegen des Kindes nicht eingestellt.

Wenn die Herman ihr Leben als Familienmutter sieht – bitteschön. Das ist doch das Gute an der Emanzipation: die Wahlfreiheit. Es wird doch keine Frau in den Beruf gezwungen. Und sie soll doch diese Wahlfreiheit den Frauen lassen und nicht zu alten Rollenbildern zurückkehren.
(Frauen lassen sich aber offenbar gerne erzählen, wie sie zu leben haben bzw. wie es sich besser lebt. Wie sonst sind die üppige Frauenliteratur und die unzähligen Frauenmagazine mit Tipps zum besseren Leben und für den vermeintlich richtigen Mann zu erklären?! In Männermagazinen sind Autos, Möpse und Bizepstipps drin, das wars. Kein Magazin will mir erzählen, welche Frau zu mir passt.)

Ein Generationenproblem?

Kann es sein, dass das ein Generationenproblem ist? Die Herman ist schon 47 Jahre alt. Für junge Frauen ist es doch in der großen Mehrheit selbstverständlich, Beruf und Familie nebeneinander zu haben. So jedenfalls meine Erfahrung aus dem persönlichen Umfeld. (Die arbeitende Frau und Mutter ist aber in der DDR schon immer usus gewesen, von daher vielleicht nicht repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik.)
Es ist doch heute eine Selbstverständlichkeit, dass eine Frau als Mutter immer noch ein vollwertiger Mensch sein will, der ein eigenes Leben mit eigenen Bedürfnissen führen will. Wo ist das Problem?

[wird] die Frau zur Konkurrentin des Mannes spürt er weder Bindung noch Verantwortung für sie.

Ich weiß nicht, wo die Herman so einen Blödsinn her hat. Männer mögen keine arroganten, hilferesistenten Zicken, da ist es uns egal, ob sie Hausfrau oder unsere Kollegin oder Chefin ist. Aber auch das ist vielleicht ein Generationenproblem. Mir jedenfalls ist eine kluge Frau, die ein eigenes Leben, einen eigenen Kopf, einen eigenen Willen hat lieber als ein Heimchen am Herd. Ich kann mir nicht vorstellen, mit einer Frau zusammenzuleben, die als Lebensinhalt nur unsere (irgendwann vielleicht mal vorhandenen) Kinder, den Herd und den Putzlappen hat. Ich möchte eine gleichberechtigte Lebenspartnerin an meiner Seite haben.

Sozilogisch? Biologisch? Göttlich!

Die Berufswelt ist faktisch zwar männlich, aber prinzipiell sollte sie es nicht sein. Bei Herman ist die Männlichkeit der Berufswelt aber eine Tatsache, die wohl auch richtig so ist. Schließlich ist es seit „zurückliegenden Jahrtausenden“ so gewesen, dass „der Mann zur Jagd“ ging und später dann halt im Beruf dem Erfolg hinterherjagte, während die Frau sich um „Heim, Herd und Kinder“ kümmerte. Das ist in den Augen Hermans die – und jetzt bitte mal festhalten – die „schöpfungsgewollte Aufteilung“. Auch wenn Frau Herman vom „biologischen und soziologischen Aspekt“ spricht, so meint sie doch, schon im nächsten Satz, die göttliche Schöpfung.

Spätestens hier ist jeder ernsthafte Debatte beendet. Wer die Rolle der Frau altestamentarisch definiert, der kann von der Gleichberechtigung und Selbstbestimmtheit nicht viel halten. Mich wundert ja, dass sie nicht noch drauf hinweist, dass Eva ja aus der Rippe Adams geformt wurde und somit „biologisch und soziologisch“ ein Anhängsel des Mannes ist.

Überhaupt hat es Frau Herman nicht so sehr mit der Biologie. Sie meint nämlich, dass es „eine simple, naturwissenschaftliche Feststellung“ sei, dass, „wenn sich Frauen zunehmend zu maskulinen Wesen entwickeln, werden wir keine Nachkommen mehr haben“. Ja, und wenn uns bald Flügel wachsen, dann können wir uns das Geld für die Flugreise sparen.

Da fällt es kaum noch ins Gewicht, dass sie das Grundgesetz (GG) auch wenig kennt. Frau Hermann meint, dass „das Recht auf Bindung des Kindes zu seinen Eltern“ nicht im GG verankert sei. Schützt nicht aber der Art. 6 mit seinen Absätzen (2) und (3) nicht genau diese?

Also Frau Herman, wenn die Karriere einer Frau nur aus „Selbstgefälligkeit und Eitelkeit“ zu erklären ist, dann hängen sie ihre zahlreichen TV-Jobs an den Nagel, holen ihre Einsichten zur Gesellschaft weiter aus der Bibel, werden sie Hausmütterchen und veröffentlichen Bücher wie „Vom Glück des Kochens“, „Hausfrauen in Deutschland“ und „Mein Mann arbeitet durch“.

¹) Folgende Zitate aus dem Herman-Artikel im Cicero, nur teilweise wiedergegeben im verlinkten Spiegel-Artikel.

4 Gedanken zu „Eva zurück an die Seite Adams

  1. Sandra

    DANKE; DANKE, DANKE und immer wieder: DANKE für diesen Kommentar!!! Und das von einem Kerl, kaum zu glauben. ;o)
    Ich habe diesen unsäglichen Herman-Artikel erst eben gelesen und war einfach nur fassungslos. Anschließend habe ich verzweifelt im Netz nach Reaktionen auf diese niedergeschriebene Logorrhöe (Sprechdurchfall) gesucht, die mir den Glauben an die Menschheit wiedergeben. Das hier gehört eindeutig dazu. Absolut genial ist die Bemerkung zu Frauen- und Männermagazinen! ;o) Die hat mir wirklich die Augen geöffnet, denn bisher ist mir das noch nie so klar geworden…

    Also nochmal ein dickes Kompliment für diesen grandiosen, sachlich geschriebenen Beitrag zu diesem nervenaufreibenden Thema – übrigens von einer klischeegemäß kinderlosen Akademikerin. ;o)

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