Schlägt jetzt, nach der übertriebenen Empörung und Überraschung über die Leichenfotos aus Afghanistan, das Pendel in die andere Richtung aus? Nämlich in die Richtung, dass alles nicht so schlimm ist, dass es halt Soldaten sind, da sei ein gewisses Maß an Verrohung normal, diese Jungs wollen nur Stress abbauen und überhaupt sollten wir uns hier im kuscheligen Deutschland nicht so haben mit unseren moralischen Maßstäben, wenn halt mal so ein Schabernack publik wird.
Dieses Gefühl habe ich jedenfalls, wenn ich z.B. die Berichte der FAZ zum Thema lese und ganz besonders, wenn ich dann die Leserkommentare lese. Den Tenor der Leserkommentare habe ich oben zusammengefasst.
Ja, geht’s noch? Ich kann Stress in einem Krisengebiet, jugendliche Lockerheit und Gruppendynamik durchaus als Erklärungen anerkennen, aber nicht als Entschuldigung. Wo kommen wir denn hin, wenn wir für Soldaten andere Maßstäbe ansetzen. Da geraten wir auf eine schiefe Ebene und dann früher oder später bei Abu Ghuraib. Damals war die Empörung (zu Recht) riesig und wir haben uns über die Amisoldaten das Maul zerrissen, über Gleichgültigkeit an der Heimatfront und die geringen Strafen den Kopf geschüttelt. Und jetzt kommt auch aus Deutschland, von der Heimatfront, ein „support our troops“?
Natürlich sind Soldaten extremen Situationen ausgesetzt, die an den Nerven zerren. Aber das trifft auf Ärzte und Feuerwehrleute auch zu. Niemand käme auf die Idee, ihnen besondere Rechte einzuräumen. Man darf auch nicht vergessen, dass die Bundeswehr nicht in einem Kampfeinsatz ist, sondern Wiederaufbauhilfe leistet. Es ist also keine Mission, die das Töten von Menschen zur Absicht hat und somit per se die moralischen Maßstäbe auf den Kopf stellt.
Man sollte das auch nicht als bloßen Schabernack abtun, denn in einigen Bildern geht es um Dominanz- und Machogehabe bis hin zur Demütigung.
Wir waren bisher zu Recht stolz auf unsere bei der Bevölkerung im Einsatzgebiet hoch angesehenen Bundeswehrsoldaten. Das kommt aber nicht von ungefähr. Wir legen, mit dem Leitbild des „Staatsbürgers in Uniform“ und der „Inneren Führung“, einen hohen moralischen Anspruch an unsere Soldaten an. In echten Kampfeinsätzen lässt sich das wohl kaum einhalten. Aber in Wiederaufbaumissionen ist sie zwingend notwendig, denn anders als mit diesem zurückhaltenden und respektvollen Umgang mit der Bevölkerung geht es nicht. Sonst wird man von der Bevölkerung als Besatzer wahrgenommen, abgelehnt und abgeschossen. Um es bildlich zu formulieren: die Amis benehmen sich wie die Axt im Walde und kriegen dafür richtig was auf die Fresse.
Kampfeinsätze werden heute von Raketen und Flugzeugen und nicht von bewaffneten Soldaten durchgeführt. Eine moderne Armee braucht also keine menschlichen Kampfmaschinen, die funktionieren und alles umnieten, was sich ihnen in den Weg stellt, sondern landeskundige Wiederaufbauhelfer, die zwar bewaffnet sind, aber ansonsten diplomatisch und helfend zu Werke gehen. Der Krieg wird mit Waffen, der Frieden aber mit einer zivilisierten Armee gewonnen.
Wehrpflicht gerade jetzt nicht mehr nötig?
Angeblich um die Bundeswehr zu einer solchen modernen Armee zu machen, will man die Wehrpflicht abschaffen. Dass heißt, FDP, Grüne und Jusos wollen sie abschaffen. Ich war eigentlich immer gegen die Wehrpflicht. Ich habe diesen Zwangsdienst (ich selbst war Zivi) für anachronistisch gehalten in einer Zeit, in der wir von Freunden umstellt sind und keine Menschenheere unter Waffen brauchen. Aber ich sehe mehr und mehr die Gefahr einer reinen Berufsarmee. An den USA kann man gut erkennen, was für eine Armee man dann bekommt: eine Unterschichtenarmee.
Ich sehe auch mehr und mehr die Vorteile der Wehrpflicht. Zum einen wäre da die Kontrolle. Ständig werden tausende junge Männer durch die Armee geschleust, die aus dem zivilen Leben kommen und dort auch wieder hingehen. Sie werfen ein Licht der Öffentlichkeit in die Armee. An den jungen Männern hängen ja Freunde, Familie und Verwandte dran, die sich auch für die Vorgänge in der Bundeswehr interessieren, wenn der Junge zum Bund muss. Man bekommt also eine öffentliche Kontrolle ins System Bundeswehr. In einem abgeschotteten militärischen System kommt es m.M. nach viel häufiger zu Schweinereien.
Durch die Wehrpflicht kriegt man eben nicht nur die Unterschicht in die Armee, sondern es kommt ein Querschnitt der Gesellschaft herein. Also auch die gebildeteren, die gemäßigteren und sozialkompetenteren Leute. Gut, die gehen vielleicht zum großen Teil als Zivis verloren, aber nicht jeder mit einer eigenen Meinung verweigert den Kriegsdienst. Potentiell steht der Bundeswehr ein Querschnitt der Gesellschaft zur Verfügung und das kann nicht zum Schaden sein.
Eine moderne Armee ist weniger eine Armee aus tumben Killermaschinen als eine Armee aus Staatsbürgern in Uniform. Klingt altmodisch, ist aber moderner denn je. Das lässt sich vielleicht am besten realisieren mit einer Wehrpflicht, auch wenn die Wehrpflichtigen selbst nicht an Auslandseinsätzen teilnehmen. Es sorgt aber für eine Verankerung in der Gesellschaft, so dass deren Normen und Werte auch in der Armee gelten.
ach, da steckt doch der plastinator dahinter: http://www.polylog.tv/carsten/videocast/3320/
Sehr geehrte Damen und Herren,
wer selbst als Wehrdienstleistender bei der Bundeswehr war,
der weis, dass man als Wehrdienstleistender keinerlei Rechte
hat und diesem Unterdrückungsapparat hilflos ausgesetzt ist.
Wehrdienstleistende haben keinerlei Einfluß bei der Bundeswehr
und werden dort unterdrückt und ihrer Menschenwürde beraubt.
Das geht so lange bis man richtig durchblickt (so etwa nach einem
halben Jahr). Der Wehrpflichtige ist in dem undemokratischen
System der Bundeswehr macht- und hilflos gegenüber allen
Formen der Unterdrückung. Zusätzlich werden Wehrdienstleistende
auch noch finanziell vom Staat ausgebeutet. Ein Strafgefangener
ist in vielen Beziehungen besser dran als ein Wehrdienstleistender,
dem man wertvolle Lebenszeit und viel Geld bei der Bundeswehr stiehlt.
Die Befürworter dieses Zwangsdienstes haben in der Regel diesen
nicht geleistet.
Mfg. U.Strobel