So, nun haben die Innenminister endlich für ihre Polizei und Geheimdienste das neue Spielzeug bekommen: die Anti-Terror-Datei. Offenbar scheint aber kein so recht zu wissen, wer denn was tun muss, um in diese Datei zu gelangen. Beckstein beispielsweise redet kruden Mist, wenn es um die Religionszugehörigkeit geht:
Man werde lieber zusehen, „dass bei einem liberalen, toleranten Moslem die Religionszugehörigkeit nicht in die Datei aufgenommen wird, bei anderen dagegen schon“. Warum liberale, tolerante Moslems überhaupt in eine Anti-Terror-Datei gehören, ließ Beckstein offen.
(heise online, 04.09.06)
Wie wollen sie eigentlich die Religionszugehörigkeit herausfinden? Das ist ja keinem Menschen auf die Stirn tätowiert. Oder genügt ein irgendwie arabisches Aussehen? Würde es Schläfern helfen, wenn sie nicht mehr in die Moschee gehen?
Auch der Bundesinnenminister Schäuble kann auf die Frage von Tagesthemen-Moderator Tom Burhow nicht erklären, was man tun muss, um eine relevante Person zu sein, die dann in der Terrordatei gespeichert wird. Auch auf die Frage, ob die Terrordatei die Kofferbomber vor der Tat hätte entlarven können, antwortet er ausweichend (soll wohl heißen: nein, man hätte sie vorher nicht erkennen können, weil sie eben vollkommen unauffällig waren), dass man den Bürgen für einen der Kofferbomber besser mal überprüfen hätte sollen. Kein Wort davon ob man das nicht schon mit den bestehenden Gesetzen tun könnte oder nicht.
Der Datenschützer Spiros Simitis sagt im Interview mit tagesschau.de dann auch, dass er Genaues zu den Auswirkungen erst dann sagen kann, wenn Genaues im Gesetzesentwurf steht. Bisher seien „entscheidende Detailfragen ausklammert“ worden. Nichts Genaues weiß man nicht.
Statt nach der Sinnhaftigkeit solch einer Datei zu fragen, kommt bei den sogenannten Sicherheitspolitikern Jubel auf, nun habe man ein weiteres Wundermittel gegen den Terrorismus. Von den Oppositionsparteien kommt schwacher Widerstand, dass das Speichern der Religionszugehörigkeit als ein Verdachtsmoment womöglich verfassungswidrig sein könnte. An der Sinnhaftigkeit wird dagegen nicht gezweifelt.
Es ist eben so, wie Heribert Prantl in einem Kommentar feststellt, dass nach dem 11. September (fast) alles, das mehr Sicherheit verspricht, Zustimmung findet:
[…] der Terrorist besetzt das Denken in den staatlichen Apparaten und den Braintrusts, in denen Gesetze gemacht werden. Er besetzt das Denken der Menschen, die diesen Gesetzen unterworfen sind – mit der Folge, dass jede staatliche Maßnahme, so sie nur mehr Sicherheit verspricht, allgemeine Billigung findet.
[…] Stets ist es just das Gesetz, an dem man gerade arbeitet, von dem angeblich die Zukunft der inneren Sicherheit abhängt.
So war das bei der Kronzeugenregelung; beim Vermummungsverbot; beim Lauschangriff; bei der Ausweitung der Telefonüberwachung; bei der Vorratsspeicherung der Internet-Daten; beim Luftsicherheitsgesetz; beim erleichterten Zugriff der Sicherheitsbehörden auf Daten von Banken, Sozial- und Gesundheitsbehörden; beim biometrischen Personalausweis; bei der Schleierfahndung; bei den diversen Terrorismusbekämpfungs-und ihren Ergänzungsgesetzen.
Also gibt es weiterhin Aktionismus.
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