Archiv der Kategorie: merkwürdiges

Widersprüchliches, Schünemannsches

Mit einer Bundesratsinitiative will Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ein Verbot von gewaltverherrlichenden Computerspielen erreichen.

[Schünemann] ist Mitglied im Lions Club Holzminden und im Sportschützen-Club Holzminden.

Jaja, privat mit echter Munition und echten Gewehren rumballern, aber virtuelles Geballer in Computerspielen für verbotenswert halten.

[via: kühlschranknotizen]

Einstellung des Mannesmann-Prozess: „berufsrichterliche Arbeitsverweigerung“

Die ehrenamtlichen Richter („Schöffen“) sprechen von „berufsrichterlicher Arbeitsverweigerung„.

Hörtipp: HR2 – Der Tag: „Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich – die deutsche Justiz“ (Podcast, .mp3, 12 MB)

Es geht um die Einstellung des Mannesmann-Prozesses und das Plädoyer für einen Freispruch im Manipulationsprozess im dt. Fußball (mit Schiri Hoyzer). Zwei Böcke der Justiz in einer Woche.

Der erste Teil befasst sich mit dem Fall Mannesmann. Das ist hörenswert (HR2 – Der Tag ist eigentlich sehr oft hörenswert) wegen der interessanten Gäste. U.a. mit Prof. Albrecht, der die Einstellung des Verfahrens kritisiert und generell die Ausuferung dieses Vorgehens – einer Einigung zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung – beklagt (er spricht von „jedem 2. anklagefähigen Fall“!). Dadurch werde das Recht untergraben.

Mannesmann-Prozess: Kein öffentliches Interesse mehr? Von wegen!

Der Mannesmann-Prozess geht ohne Urteil aus. Gegen Geldzahlungen von insgesamt 5,8 Mio Euro (allein Ackermann drückt 3,2 Mio ab, sein Jahreseinkommen beträgt allerdings 20 Mio. Euro) stellt das Gericht das Verfahren ein.

Nach Ansicht des Richters bestünde kein öffentliches Interesse mehr:

Der Vorsitzende Richter Stefan Drees begründete den Beschluss damit, dass die Taten mehr als sechs Jahre zurückliegen und das öffentliche Interesse an einer Fortführung des Prozesses nicht gegeben sei.

Es seien rechtliche Fragen offen, deren Klärung „innerhalb eines überschaubaren Zeitraums … nicht möglich wäre“, meinte der Richter.

Ist der Richter merkbefreit? Der Prozess schlägt seit Jahren hohe Wellen und nun soll kein öffentliches Interesse mehr an einer Aufklärung bestehen? Trotzdem offene rechtliche Fragen mehr bestehen, hat man keine Lust keine Zeit mehr, sie zu klären. Also geht man den Weg des geringsten Widerstandes und stellt das Verfahren gegen Geldzahlung ein, die Angeklagten gelten als unschuldig.

Die Einstellung gegen Zahlung einer Geldbuße mag ja bei Bagatelldelikten eine einfache Möglichkeit sein, ein Verfahren abzuschließen, aber doch nicht bei einem Prozess solcher Größe und Aufmerksamkeit. Außerdem stellt man sich hiermit gegen das Revisionsurteil des Bundesgerichtshofes (BGH), der den Freispruch der ersten Instanz zurückwies, weil er Untreue erkannte:

Der Bundesgerichtshof sieht im Mannesmann-Verfahren bei den Angeklagten Josef Ackermann, Joachim Funk und Klaus Zwickel „den Tatbestand der Untreue verwirklicht“.

Trotzdem der BGH Untreue erkannte, will man nun nicht weiterverhandeln und kehrt die Sache lieber unter den Teppich. Man will offenbar gar nicht mehr wissen, ob es sich wirklich um Untreue handelte. Ja, die Kungelei um Geldzahlungen waren in der Grauzone, ja, das war ein Präzedenzfall. Gerade darum sollte man so ein Verfahren nicht einstellen.

Der Richter ist wirklich merkbefreit:

„Die Höhe der dem Angeklagten Dr. Ackermann auferlegten Zahlung mag gemessen an seinen außerordentlich guten Einkommensverhältnissen als gering erscheinen“, räumte der Richter ein.

Jedoch müsse berücksichtigt werden, dass die Geldstrafe im Falle einer Verurteilung maximal 3,6 Millionen Euro betragen hätte.

Der Unterschied ist aber, Ackermann wäre verurteilt und für schuldig befunden worden. Was interessieren mich die Millionen, die er aus der Portokasse bezahlt. Es geht doch bei solchen Prozessen um die Verurteilung, es geht darum, dass ein Gericht feststellt, dass diese Menschen rechtswidrig gehandelt haben.

Verfassungsschutzbeamte: Video statt Umzug

Schon erstaunlich, welche Kreativität bei Beamten freigesetzt wird, wenn sie das machen sollen, was sie nach Beamtengesetz tun müssen: Dienstanweisungen folge leisten. Wenn z.B. der Bund beschließt, die Dienststelle zu verlegen, müssen sie die Versetzung akzeptieren.

Irgendwas muss ja der Staat davon haben, dass er sich Beamte leistet. Sie sind nunmal Staatsdiener und so kann der Dienstherr sie eben auch versetzen, wenn es nötig ist. Aus Sicht des Beamten natürlich unschön, aber eben auch der Preis für Privilegien wie der Unkündbarkeit, die in der heutigen Zeit ja einiges wert ist.

Rechnung Online: Verheddert in Benutzerkennungen, Passwörtern und Deppenleerzeichen

Seit ein paar Monaten verschickt die Telekom ihre Einzelverbindungsübersicht nur noch verschlüsselt. Will man diese öffnen, benötigt man ein Kennwort:

Zum Öffnen der verschlüsselten Datei benutzen Sie bitte Ihre Rechnung Online Benutzerkennung.

Und wo finde ich diese Rechnung-Online-Benutzerkennung (ja, liebe Telekom, wenn die von euch erfundenen Wörter zu lang werden, dann setzt ihr einfach ein paar Deppenleerzeichen rein)?

In meiner ohne Kennwort zu öffenenden Rechnung habe ich 3 Nummern: Kundennummer, Rechnungsnummer und Buchungskonto. Aber eben keine Rechnungonlinebenutzerkennung.

Die Telekom gibt einen Hinweis, wie man an die Benutzerkennung rankommen könnte:

Die Historie Ihrer Kennwörter für die Verschlüsselung finden Sie auf der gesicherten Webseite Ihrer Rechnung Online unter

www.t-com.de/rechnung

Startseite > Persönliche Einstellungen > Zugangsdaten ändern > EVÜ-Verschlüsselung.

Schnell mal hingesurft. Und wieder muss ich mich wieder einloggen.

login

Wieder mit der „Rechnung Online Benutzerkennung“ (die ich ja immer noch nicht kenne und herausfinden will) und zusätzlich noch mit einem „Rechnung Online Passwort“ (das kenne ich erst recht nicht, aber immerhin wieder schön mit Deppenleerzeichen).

Die lilanen magentafarbenen „vergessen?“-Links, die gucken mich schon ganz neckisch an. Also: druffjeklickt. Der erste Link will meine E-Mailadresse haben, mit der ich mich bei Rechnung Online registriert habe. Keine Ahnung wie ich mich damals registriert habe. Doch wohl mit der Adresse, an die auch meine Rechnung geschickt wird, oder? Also mal eingetragen. Nach einer halben Stunde immer noch nix im Postkasten. Schicken die bei der Telekom die Mails manuell raus? (Nachtrag: Mail kam dann doch noch an)
So komm ich nicht weiter. Also zur Startseite der Telekom hin. Da gibts den Bereich „Meine T-Com“. Da kann man sich auch einloggen. Natürlich weiß ich nicht, wie ich mich dort einloggen kann, mach ich sonst auch nicht. Aber es gibt eine sinnvolle Art, sich den Loginnamen und dass Passwort zu holen: mit der Telefonnummer und der Rechnungsnummer. Das sind doch mal konkrete Angaben! Das klappt dann auch, der Login funktioniert, ich komme darüber auch zu Rechnung-Online. Da steht dann auch meine Benutzerkennung. Der Witz daran: Sie ist, wenn ich es nicht manuell ändere, identisch mit Kundennummer. Das hätten sie aber auch vorher sagen können!

Also, liebe Telekom, schreibt doch einfach in eure Rechnungsmails rein, dass die „Rechnung Online Benutzerkennung“ die Kundennummer ist, die auf der ersten Seite der Telefonrechnung steht. Das spart einen Haufen Zeit und Ärger auf der Suche nach dem richtigen Passwort.

Nach dem Amoklauf: verbieten statt nachdenken

Das war abzusehen nach dem Amoklauf von Bastian Bosse in der Geschwister-Scholl-Realschule in Emsdetten: Ballerspiele sollen verboten werden. Das war so sicher, wie nach dem Blitz der Donner kommt. Und genauso viel Substanz steckt in dieser Forderung auch drin.

Wieder einmal wenn es komplex oder gar komplizert wird, wählt die Politik die Einfachheit und reduziert den Amoklauf auf Ego-Shooter. Wieder einmal zeigt sich die Unfähigkeit von Politikern für komplexe Ursachen, für die es nicht unbedingt eine schnelle oder überhaupt eine Lösung gibt.

Dabei hat der Amokläufer seine Motivation selbst in einem Abschiedsbrief beschrieben: er wollte Rache üben an seinen Mitschülern, die ihn gemobbt haben, so dass er sich als Verlierer fühlte:

Man hat mir gesagt ich muss zur Schule gehen, um für mein leben zu lernen, um später ein schönes Leben führen zu können. […]

Das einzigste was ich intensiv in der Schule beigebracht bekommen habe war, das ich ein Verlierer bin. […] Ich merkte mehr und mehr in was für einer Welt ich mich befand. Eine Welt in der Geld alles regiert, selbst in der Schule ging es nur darum. Man musste das neuste Handy haben, die neusten Klamotten, und die richtigen „Freunde“. hat man eines davon nicht ist man es nicht wert beachtet zu werden. Und diese Menschen nennt man Jocks. Jocks sind alle, die meinen aufgrund von teuren Klamotten oder schönen Mädchen an der Seite über anderen zu stehen. Ich verabscheue diese Menschen, nein, ich verabscheue Menschen.

[…]

Ich habe in den 18 Jahren meines Lebens erfahren müssen, das man nur Glücklich werden kann, wenn man sich der Masse fügt, der Gesellschaft anpasst. […]

[…]

Ich will R A C H E !

[…]

Seit meinem 6. Lebensjahr wurde ich von euch allen verarscht! Nun müsst ihr dafür bezahlen!

Aus diesem Brief lässt sich doch allerhand extrahieren. Natürlich passt das nicht in eine Schlagzeile oder in ein 30-Sekunden-Statement. Lösungen lassen sich auf die Schnelle schon gleich gar nicht präsentieren. Er hat sich von seinen Mitschülern, von der Gesellschaft, vom Leben gefickt in den Arsch getreten gefühlt. Die Konsumgesellschaft verantwortlich zu machen oder die Arschlöcher in der Schule, die immer die besten Mädels abkriegen (welcher Junge kennt das nicht?), ist genauso naiv wie die Ballerspieltheorie.

Da ist jemand ausgetickt. Lässt sich nie ganz verhindern. Auch wenn man es noch schwieriger macht, an Schusswaffen heranzukommen. Dann nimmt er das nächste Mal halt eine Machete oder sonstwas.

Man könnte aber das Thema Mobbing an der Schule im Unterricht thematisieren. Alles mögliche wird uns in der Schule beigebracht, wie wir aber mit unseren Mitmenschen umgehen sollen, dass sollen wir so en passant mitlernen. Warum reden wir in der Schule, in der Gesellschaft nicht häufiger darüber, wie wir miteinander umgehen wollen? Wie gehen wir mit denen um, die sich als Verlierer fühlen? Wen stellen wir ihnen zur Seite? Warum kommen Psychologen erst dann in die Schule, wenn die Kugeln geflogen sind?

Exzellente Pläne

Letzten Freitag wurde die deutsche Forschungselite benannt. Wurde sie? Nein, wurde sie nicht. Es wurde festgelegt, wo demnächst Spitzenforschung stattfinden soll. Anders als es den Eindruck machte, ging es beim Wettbewerb der Exzellenzinitiative nicht darum zu bestimmen, welche Unis die beste Wissenschaft betreiben, sondern es sollten Orte zukünftiger Spitzenforschung festgelegt werden, über die dann ein Geldsegen hereinbricht.

Wie würde man normalerweise vorgehen, wenn man Spitzenunis küren will? Dazu muss man erstmal wissen, was man unter „Spitze“ versteht. Unter Spitze in diesem Wettbewerb verstand man den Bereich Forschung. Es ging also nicht um die Lehre, gute Betreuung von Studenten, hohe Motivation des Lehrpersonals, gute Lernbedingungen für Studenten etc.

Ok, kann man so machen, ist eine politische Entscheidung. Wie könnte man also bei der Forschung Exzellenz feststellen. Nun, da könnte man nach Publikationen der Wissenschaftler gucken, wieviel sind davon da, wo wurden sie publiziert, welchen Wert hatten diese Publikationen. Zudem könnte man gucken, wie mit dem erforschten Wissen umgegangen wird. Gibt es Produktentwicklungen, gibt es Patente, gibt es Ausgründungen aus der Uni heraus? Darf man allerdings nicht überbewerten, sonst würde die Grundlagenforschung, die sich vorerst nicht um Anwendungen kümmert, benachteiligt.
So könnte man herausfinden, welche Unis oder welche Fakultäten oder welche Fachbereiche gute Forschung betreiben. Dort, wo schon gute Forschung betrieben wird, belohnt man das, indem man es gezielt fördert.

Das ist alles nur geplant

Man kann das Pferd aber auch von hinten aufzäumen. So geschehen bei der Exzellenzinitiative. Dort wurden die Unis aufgefordert, Anträge und Pläne für zukünftige Forschungsvorhaben vorzulegen. Konkret ging es um den Aufbau sog. Graduiertenschulen (vergleichbar mit Graduiertenkollegs) und Exzellenzclustern, an denen dann internationale Spitzenforschung stattfinden soll. Diese Pläne wurden dann in Gremien und Kommissionen (PDF) begutachtet und dann wurde ohne nachvollziehbare und ohne öffentlich bekannte Kriterien die besten Anträge und Pläne gekürt.

Um das nochmal zu verdeutlichen: die besten Pläne wurden ausgezeichnet. Wer also besonders gut und blumig beschreiben kann, was er in den nächsten Jahren so vorhat, wird ohne Vorleistung und im Voraus mit dem Titel „exzellent“ geadelt.

Am Freitag wurden 3 Hochschulen (LMU München, TU München und TH Karlsruhe) „Zukunftskonzepte zum projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenforschung“ bescheinigt. Weil das sperrig klingt, wurde daraus der Begriff Spitzenuniversität. Sind das wirklich Spitzenunis? Nein. Sie haben nur in den beiden Föderbereichen „Graduiertenschule“ und „Exzellencluster“ schon erfolgreich abgeschnitten. Aufgrund zweier (vermeintlich) guter Pläne erteilt man der dazugehörigen Hochschule dann die Auszeichnung „Eliteuni“. Auch hier wieder, ohne dass überhaupt eine Leistung erbracht wurde. Es interessiert auch nicht, wie furchtbar schlecht der Rest die Uni ist.

Das kann man alles so machen, wie es geschehen ist. Nur dann sollte man die ganze Aktion eine Nummer tiefer hängen. Wir haben nämlich hier noch keine Spitzenforschung, wir sind erst beim Aufbau. Schon gar nicht haben wir Spitzenunis gefunden, wir drei Unis gesagt, sie sollen welche werden. Fürs Jubeln ist es also noch zu früh.

Vor allem sollte man aber nun nicht die Hände in den Schoß legen und sich freuen, dass wir nun bald deutsche Harvards haben. Deutsche Hochschulen sind nach wie vor chronisch unterfinanziert, viele Hörsäle und Seminare immer noch überfüllt, die Betreuung durch Professoren und anderes Lehrpersonal ist immer noch verbesserungswürdig.

Lesenswert im Zusammenhang der Exzellenzinititive sind die Artikel von Jürgen Kaube in der FAZ.

Pfusch bei Edelman

Genauso hab ich mir die Arbeit von PR-Leuten vorgestellt: Ein paar mit wichtig klingenden englischen Titeln, auf dem Papier topausgebildete und sicher hochbezahlte Leute machen irgendwas. Machen viel Wind darum, basteln ein paar Diagramme und Grafiken und stellen dann ihr Ergebnis vor. Eigentlich haben sie von der Materie keine Ahnung und die Zahlen sind auch nicht belastbar, macht aber im Normalfall nichts. Der Kunde hat ja von der Materie noch weniger Ahnung, sonst würde er nicht für viel Geld externen (vermeintlichen) Sachverstand kaufen.

Diesmal ist alles anders. Man zeigt die Zahlen nicht in einem Konferenzraum mit einem runden Holztisch, Getränken und Knabbergebäck, sondern man macht sie öffentlich amtlich: die einflussreichsten Blogs in Deutschland, Frankreich und Italien. Schon die Grafik zu den Top-Ten-Blogs aus Deutschland enthält zwei Schreibfehler und zwei eher unbekannte Blogs. Hier wurde also gepfuscht.

Wie durchgängig der Pfusch ist, zeigt der Popkulturjunkie, der auch die deutschen Blogcharts aus den Technoratidatenbanken extrahiert. Wenigstens der Blogger und Edelman-Angestellte Wolfgang Lünenbürger-Reidenbach („Der Haltungsturner“) gibt Fehler zu und entschuldigt sich. Erklären kann (oder will) er den Pfusch allerdings auch nicht. Blödsinn aus meiner Sicht ist es allerdings, die Zahlen jetzt nachträglich als „vorläufig“ darzustellen. Eine Profi-Agentur geht nicht mit falschen Zahlen an die Öffentlichkeit und lässt dann die Fehler wie in einem Betatest vom Publikum herausfinden. Selbst vorläufige Zahlen, so man sie veröffentlicht, sollten tendenziell richtig sein. Wie der PKJ aber zeigt, ist der Fehler in der Edelman-Statistik grundsätzlicher Natur.

Halten wir fest: ein PR-Agentur erstellt Statistiken. Schon bei weniger genauem Hinsehen erkennt man Fehler, die sich bei genauerem Hinsehen als grobe Pfuscherei und heiße-Nadel-Stickerei entpuppen.
Stellt sich mir die Frage: arbeiten die immer so und fällt es sonst nur nicht auf, weil die Empfänger der Zahlen ahnungslos von der Materie sind?

(Über Sinn und Unsinn von Blogcharts lässt sich streiten. Auch darüber, ob man aus der Anzahl der Links eine wie auch immer geartete Relevanz oder einen Einfluss innerhalb der Blogosphäre herauslesen kann. Man auch wunderbar darüber streiten, wie zuverlässig die Zahlen von Technorati überhaupt sind angesichts der nicht seltenen Ausfälle des Pingservices dort. Wie zuverlässig kann überhaupt eine Statistik sein, die auf unzuverlässigen Rohdaten basiert?)

Nachtrag (16.10.06): Letzten Donnerstag gab es bei Edelman eine schon länger angesetzte Gesprächsrunde, die anders geplant war und jetzt also kleines Krisengespräch umfunktioniert wurde. Mit dabei waren Johnny Haeusler, Felix Schwenzel, Nico Lumma, Jens Schröder als Blogger und Peter Hirshberg von Technorati und David Brain von Edelman Europe.
Aus der (mitgefilmten) Diskussion (lesenswert nacherzählt beim Blogruf) wurde eine Präsentation von Technorati durch Technorati, die erste halbe Stunde des Videos war todlangweilig, der Rest soll nicht besser sein. Schlechte Arbeit bleibt einfach schlechte Arbeit, da helfen auch viele Worte und langatmige Präsentationen nicht. Die Präsentation wirkte routiniert, so macht man das wohl immer bei den PR-lern, eine Diskussion war nicht erwünscht, ist wohl auch nicht üblich, der Kunde will Zahlen haben. Nur saßen hier keine Kunden am Tisch, sondern Vertreter des Untersuchungsmaterials „Blogosphäre“.

Freies Geldverdienen

Ich wünschte mir, die jetzt klagenden Abgeordneten wären in anderen Situationen so engagiert für das „freie Mandat“ eingetreten wie jetzt bei der der Klage gegen die Offenlegung ihrer Nebentätigkeiten. Koalitionszwang, Fraktionsdisziplin und in Hinterzimmern ausgekungelte Gesetze wären gute Gründe, für ein freies Mandat zu kämpfen.

Das Grundgesetz spricht davon, dass Abgeordnete „Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen [sind]“. Da steht aber nicht, man darf als Abgeordneter die Zeit lieber in Aufsichtsräten, Beiräten, sonstigen Gremien oder in der eigenen Anwaltskanzlei verplempern.

Die Freiheit des Mandats wird aber jetzt interpretiert, dass es die Öffentlichkeit nichts angehe, wieviel ein Abgeordneter nebenbei noch so verdiene. Dabei geht es nicht mal um die genaue Höhe sondern nur um drei Kategorien: zwischen 1000 und 3500, bis 7000 oder mehr als 7000 Euro im Monat (!). Im Interview versucht Jörg van Essen, Geschäftsführer der FDP-Fraktion, die als gesamte Fraktion hinter der Klage steht, dann auch irgendwelche Gründe für die Klage anzugeben. So richtig gut gelingt es ihm nicht.

Wenn Freiberufler oder Rechtsanwälte ein Problem damit haben, dass jemand wissen könnte, wieviel sie mit ihrer Tätigkeit verdienen, dann sollen sie halt kein Abgeodneter werden. Es geht ja gerade darum, dass man mal nachgucken kann, wieviel Abgeordneter XYZ nebenher verdient. Darauf lässt sich dann nämlich auch schließen, was sein eigentlicher Nebenjob ist: das Mandat oder der Beruf.

Die Transparenz der Abgeordneten muss m.E. soweit gehen, dass nicht nur bezahlte Tätigkeiten veröffentlicht werden müssen, sondern sämtliche (auch ehrenamtlichen) Mitgliedschaften in Vereinen, Verbänden, Gremien, Beiräten etc. Für ein grundsätzliches Verbot von Nebentätigkeiten bin ich nicht.

Fehldarstellungen

„An einer deutlichen Senkung der Steuertarife für die Unternehmen führt kein Weg vorbei, will Deutschland zurück zu mehr Wachstum und Beschäftigung“, sagte ein Sprecher des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) am Dienstag in Berlin.

Bräunig zufolge wird die steuerpolitische Diskussion in der Öffentlichkeit „von längst widerlegten Fehldarstellungen überfrachtet“. Dem würden jetzt Fakten gegenüber gestellt.
(Förderland via ddp, 26.09.06)

In einer Broschüre (PDF) mit „Fakten für die politische Diskussion“ legt dann der BDI lang und breit dar, warum die deutschen Industrieunternehmen zuviel Steuern zahlen und warum da dringend was getan werden muss.

„Fehldarstellungen“ ist dabei ein gutes Stichwort: manchmal gibt es Zufälle, die glaubt man kaum. Genau am selben Tag, an dem der BDI die hohe Steuerlast beklagt, legt das Handelsblatt eine Studie vor, nach der die Unternehmen in der Lage sind, ihre tatsächlich bezahlte Steuerquote kräftig zu senken:

Deutsche Aktiengesellschaften zahlen im Schnitt 28,2 Prozent Ertragssteuern und damit etwa zehn Prozent weniger als theoretisch nach der Gesetzgebung fällig wäre. Fast drei Viertel der 130 Industrie-, Handels- und Dienstleistungskonzerne schaffen es sogar, die Steuerquote auf weniger als 38,6 Prozent [der nominale Ertragssteuersatz] zu drücken.

Bund und Gemeinden müssen deshalb auf 7,3 Mrd. Euro Steuereinnahmen verzichten. Die Unternehmen nutzen gesetzliche Möglichkeiten zur Steuergestaltung wie Abscheribungen und niedrigere Steuersätze im Ausland.

Jaja, die armen Unternehmen, brechen fast zusammen unter der Steuerlast, nagen sozusagen am Hungertuch. Finanzminister Steinbrück nutzte auch gleich die Zahlen des Handelsblatt bei einer Rede vor dem BDI, will aber trotzdem wie bisher die Unternehmen um 5 Milliarden Euro entlasten. Er will bei der geplanten Unternehmenssteuerreform die Nominalsätze auf knapp unter 30% senken, dabei aber gleichzeitig Steuerschlupflöcher schließen.

Wenn man sieht, wie man die Steuerlast runterrechnen kann, klingt das vernünftig.