Archiv der Kategorie: nachdenkliches

Einfluss und Relevanz von Blogs

Alexander Trust auf Sajonara.de hat sie angestoßen und Raphael Raue vom Onezblog hat sie fortgeführt: eine weitere kleine Diskussion (unbedingt auch die Kommentare darunter lesen) über den Einfluss politischer Blogs auf den öffentlichen Meinungsdiskurs.

Den öffentlichen Diskurs beeinflussen Blogs bisher kaum. Was in der Blogosphäre diskutiert wird, dringt nur selten nach außen. Bei nichtpolitischen Blogs liegt’s sicher an den Themen, die entweder zu (blog)spezifisch oder zu technikaffin sind.

Für mich ist der einfachste Grund für den geringen Einfluss politischer Blogs einfach die geringe Verbreitung und die nach wie vor überschaubare Leserschaft. In der Masse mag es inzwischen etliche Hunderttausende Blogleser geben, die verteilen sich aber auf etliche Tausend Blogs. Die Vernetzung der thematisch ähnlichen Blogs ist auch noch nicht sonderlich hoch.
Dadurch ähneln Diskussionen auf Blogs denen in Fachzirkeln oder Uniseminaren: die Inhalte mögen gut sind, nach außen dringt davon nur wenig und der Einfluss ist entsprechend gering.

Kommt Zeit, kommen Leser, kommt Einfluss

Die meisten Blogs sind auch noch nicht sehr alt, oft erst ein oder zwei Jahre online. Andere Mulituser-Politblogs, von denen ich mir mehr erhofft hatte, inhaltlich nicht so gut und erfolgreich wie ich das am Anfang dachte. Auf lautgeben.de aus der Spreeblick-Familie seit mehr als 10 Monaten kein Beitrag mehr erschienen, im Küchenkabinett scheint auch die Diskussionsluft raus zu sein. Die Zersplitterung, einerseits gut, weil dadurch erst Vielfalt entsteht, sorgt dafür, dass die Wahrnehmung in anderen Medien gering ist. Braucht es Beispiele für Blogs im Fernsehen oder in Zeitungen, wird das Bildblog oder Spreeblick genannt. Es fehlt für Außenstehende so ein Einstiegspolitblog.

Das Wachstum findet also allein aus der Blogosphäre selbst heraus statt und die Anzahl der Blogleser wächst nun auch nicht wahnsinnig stark. Das Blog ist halt noch ein Medium mehr, das um die knappe Zeit der Menschen konkurriert. Also wird es u.U. Jahre dauern, bis Blogs und Information im Internet jenseits der Onlineableger der etablierten Medien zum Alltag gehören.

Die Relevanz nimmt zu

Der Einfluss mag sich ja noch als reine Leserzahl ausdrücken lassen, Relevanz jedoch nicht. Je mehr die klassischen Medien relevanten Themen nur spärlich behandeln, desto mehr werden sich Menschen nach Alternativen umsehen. So z.B. beim Themakreis Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung, Datenschutz, Fantastereien von Innenministern und Urheberecht in der digitalen Welt. Für Zeitungen und das Fernsehen sind das offenbar immer noch reichlich nerdige Themen, die wenn überhaupt auf den hinteren Seiten kurz behandelt werden. Blogs hingegen sind voll davon und es wird reichlich gegen dumme Gesetze in diesen Bereichen angeschrieben. Für eine zunehmende Zahl von Menschen sind das aber für sie und ihren persönlichen Lebensbereich wichtige Themen. Sehr viele haben auf ihren Blogs den Banner vom AK Vorratsdatenspeicherung zu kleben.
Bei klassischen Politikthemen gucke ich gerne in die Zeitung, bei den neuen Themenfeldern sind für mich eher Blogs relevant, weil ich dort mehr und bessere Informationen erhalte. Bis ein Interview mit einem CCC-Mitglied in der Süddeutschen oder bei tagesschau.de steht (in die TV-Sendung schafft wohl so schnell keiner), sind die Argumente längst rauf und runter bei Heise online und in der Blogosphäre diskutiert worden.

So wachsen nach und nach die Relevanz und darüber wahrscheinlich langfristig auch der Einfluss von Blogs.

Was den Einfluss der politischen Blogs erhöhen könnte, wäre eine Art gemeinsames Portal. Damit man als Außenstehender, als unregelmäßiger Blogleser, einen leichten Einstieg findet. Sowas wie Jurablogs.com.
Die Zersplitterung ist ja Teil des Prinzips von Blogs, aber für den Einstieg ins Bloglesen und um den Überblick zu behalten, sehe ich das als größeres Hemmnis. Trackbacks und Kommentare sind als Verknüpfungen gut, reichen aber nicht immer aus, um eine Diskussion mitzubekommen oder ihr zu folgen.
Da draußen wird soviel Gutes gedacht und geschrieben und es ist einfach immer noch furchtbar schwer, es unter dem vielen, was sonst noch da in diesem Internet steht, zu finden.

Fragmente. Oder: Was am Ende übrig bleibt

So ein Blog ist ja eine feine Sache. Aber ein Eintrag allein ist oft nur ein Teil des Ganzen: im Zusammenspiel mit Links ergibt sich ein rundes Bild. Hier ein weiterführender Link gesetzt, dort einen anderen Aspekt einer Diskussion verlinkt und wieder woanders steht eine Zusammenfassung, die verlinkenswert ist.

Soweit die Theorie. In der Praxis wird dieses Zusammenspiel gestört, weil nach einiger Zeit die gesetzten Links ins Leere führen. Bei Nachrichtenseiten verschwindet eine Meldung im Archiv oder wird nach einigen Wochen standardmäßig gelöscht (wie z.B. bei den Yahoo-News) oder verschwindet anderweitig. Wenn ich mal in meinen älteren Beiträgen stöbere, finde ich immer wieder Links, die ins Leere gehen.

Oder nehmen wir Flickr. Nach der Aufregung um Zensur löschen dortanscheinend nicht wenige ihre Fotos. Jeder Link zu einen Bild oder jedes direkt eingebundene Bild in Blogs oder sonstwo ist dann futsch, der damit aufgehübschte Blogeintrag ist gleich weniger hübsch.

Oder die verlinkten Blogs werden aufgegeben, abgeschaltet und gelöscht. So wie beispielsweise das Blog YAMB von Jörg-Olaf Schäfers. Natürlich kann jeder mit seiner Webseite/seinem Blog machen was er will. Aber viele haben zu YAMB verlinkt (besonders in der StudiVZ-Zeit) und diese Linkungen verlieren nun ihren Bezug (Technorati zählt an die 2000 Links). Übrig bleiben Fragmente. Wird man bestimmte Debatten in zehn oder fünfzehn Jahren überhaupt noch mal nachvollziehen können, wenn dann nur noch ein Bruchteil der Blogs mit ihren Einträgen online ist?

Ich hab auch gerne mal zu Jörg-Olaf verlinkt und dann einen kleinen Kommentar dazu abgegeben. Ohne den Link steht der Blogeintrag nun ein bisschen doof da. (Abgesehen davon finde ich gerade die Schließung seines Blogs schade. Es war eines meiner ersten regelmäßig gelesenen Blogs, ich mochte sein Art des Schreibens und seine unaufgeregte Art.)

Was lerne ich daraus? Wieder alles selbst machen, mich auf mich selbst verlassen und Blogeinträge so schreiben und mit Zitaten von verlinkten Blogs füllen, dass man sie hinterher auch ohne Links kapiert. Redundanzen sind gut.
Woanders hinlinken, wo das Ganze viel besser und ausführlicher steht ist zwar schön und gut, nutzt aber wenig, wenn in ein paar Monaten diese Informationen nicht mehr zugänglich sind. (Gefällt mir aber auch nicht, alles noch einmal wiederkäuen, das schon woanders viel besser steht. Macht meinen Eintrag länger und schlechter lesbar.)

Das Blog, der Kommerz, der äußere Zwang

Der René von Nerdcore darf für 4 Tage in ein Hamburger Designer-Hausboot ziehen, um dort die neue Playstation 3 (PS3) auszuprobieren. Dafür zahlt Sony „ein Monatsgehalt“ plus PS3 plus Playstation Portable (PSP).

Hat René damit das Bloggen verraten, die Blogosphäre? Nö, hat er nicht. Aber in den Augen seiner Leser (ich bin seit einigen Monaten einer davon) hat er vielleicht seine Ideale verraten. Der René, der macht ja gerne einen auf antikommerziellen Rebell und vor nicht mal einem Jahr fand er Werbung auch noch total doof. Da war von „vor einen Karren spannen lassen“ und von „keine Werbung ins Blog kacken“ die Rede. (Sven von der Thüringer Blogzentrale stellt von Worte von damals und heute gegenüber.)
Bei dem Mathias Winks oder dem Nils Bokelberg stört sich keiner dran, dass die für Sony bloggen. Die bloggen eh für jeden (Opel, Coca-Cola), der mit ein paar Scheinen winkt und ansonsten keine kleinen Kinder frisst.

Noch pappt der René an seine von Sony für ein Monatsgehalt (1000 Euro, 1500, 2000?) gekauften Beiträge einen großen Button dran. So kann man gleich sehen, dass es Werbung PR ist. Das ist aber auch das Mindeste, dass man erwarten darf, wenn man noch glaubwürdig bleiben will.
Was hindert René daran, seine Meinung über diese Disclaimer-Buttons nicht in ein paar Monaten wieder zu ändern, wenn ein Angebot von – sagen wir: fünf – Monatsgehältern auf dem Tisch liegt?

Nichts.

Eben das ist das Problem. Bloggen stand und steht für mich für eine andere Art des Schreibens. Schreiben ohne äußere Zwänge, ohne äußere Einflussnahme auf Inhalt und Richtung der Beiträge.

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Sicherheitsgesetze: Evaluierung bitte

Wie wäre es, wenn bei allen neu beschlossenen oder gewünschten sog. Sicherheitsgesetzen eine Evaluation stattfände? Jedes Gesetz wird ja damit begründet, dass man es unbedingt braucht, weil man sonst zusehen muss, wie der Terrorist dieses Land unterwandert und dann in die Luft jagt.

Das müsste sich ja im Nachhinein nachweisen lassen. Wieviele Terroristen wurden überwacht, überführt und gefasst, wieviele bei der Planung oder Ausführung von Anschlägen behindert?

Ich könnte mir vorstellen, dass sich hinterher, also nach ein paar Jahren, alles als heiße Luft heraustellt. Bessere Argumente gegen freiheitsbeschränkende Sicherheitsgesetze kann ich mir kaum vorstellen. Natürlich muss die Evaluierung von unabhängiger Seite geschehen und nicht von denen die das Gesetz ausführen und ggf. verschärfen wollen. Sonst kann man sich das auch schenken.

Das seltsame Verständnis vermeintlicher Elite von der Demokratie

Die vermeintliche Elite scheint früher oder später die Bodenhaftung, die Erdung zu verlieren. Dann macht sich ein gewisses Gefühl der Ãœberlegenheit gegenüber der Masse, die man nur noch von Weitem sieht, breit. Ja, man könnte fast sagen, es entsteht ein Ekel bei dem Gedanken, dass diese Menschen da unten, die es nicht „geschafft“ haben, könnten nun trotzdem was zu sagen haben, könnten was mitbestimmen.

So kommt es dann, dass Horst Teltschik ein bisschen mit der Diktatur flirtet:

Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.

Alles aufgebauscht? Mag sein, aber das Schutzbedürfnis der „Elite“ verspürt auch Prof. Vaubel:

[…] Abgesehen von Zwei-Kammer-Systemen und qualifizierten Mehrheitserfordernissen finden wir in der Verfassungsgeschichte noch eine dritte Lösungsmöglichkeit, wie die Leistungseliten vor der Tyrannei der Mehrheit geschützt werden können. […]

[…] Welche Vorkehrungen trifft unsere Verfassung, um die Leistungseliten vor der Mehrheit zu schützen? […]

(Beitrag von Vaubel am 01.02.07 in seinem Blog „Wirtschaftliche Freiheit“ unter dem Titel „Der Schutz der Leistungseliten in der Demokratie“)

Das wäre noch zu definieren, was die Leistungselite wäre. Für Vaubel sind das die finanziell Potenten. Eine seltsame Definition. Einerseits gibt es eine Menge Menschen, die lediglich durch Erbschaft zu sehr viel Geld gekommen sind. Andererseits gibt es viele Menschen in sozialen Berufen (Krankenwesen, Betreuungswesen), die kaum finanzielle Potenz haben, aber für das Funktionieren des Gemeinwesens eine bedeutende Rolle spielen. Darüber sollte Vaubel nachdenken, wenn er sich ins Auto setzt oder das nächste Mal aufs Uniklo geht, das von Putzfrauen gesäubert wird.

Aber davon abgesehen, dass Vaubels Definition von Elite über das Vermögen oder das Einkommen ziemlich Schlagseite bekommt, so offenbart es doch ein gravierendes Missverständnis von Demokratie. Die funktioniert nunmal auf der Basis, dass jeder Menschen die gleichen Rechte, jede Stimme das gleiche Gewicht hat.

Außerdem wüsste ich nicht, wo wir in Deutschland ein Problem damit hätten, dass die Elite von der „Tyrannei der Mehrheit“ bedroht wäre. Es ist wohl eher so, dass die wirtschaftliche und finanzielle Eliten in Form von Lobbyisten gehörigen Einfluss ausübt. Mehr als ihnen zusteht.

Die Gefahr vor der Masse verspüren aber nicht nur Sicherheitsberater oder VWL-Professoren. Auch andere vermeintliche Eliten aus dem Bereich der Publizistik haben ähnliche Bedenken, wenn jetzt jeder plötzlich von seinen demokratischen Rechten Gebrauch macht.

Wenn mich was richtig ankotzt, dann ist es Überheblichkeit und Selbstgefälligkeit.

Das Problem der Elite mit der gemeinen Mehrheit des Volkes ist aber nicht neu. Schon im antiken Griechenland wurde die Demokratie als Ochlokratie Рals P̦belherrschaft Рverunglimpft.

[via: Statler & Waldorf]

Onlinedurchsuchung: maximal invasiv

Der Wunsch nach einer Onlinedurchsuchung* von unseren Antiterrorministern geht konsequent einen falsch eingeschlagenen Weg weiter: der Staat muss jederzeit überall hingucken können.
Egal ob Großer Lauschangriff**, Wunsch nach präventiver Telefonüberwachung, Kameraüberwachung des öffentlichen Raums, Vorratsdatenspeicherung, Kontoabfrage oder eben jetzt die Online-Durchsuchung von privaten Rechnern.

Der Große Lauschangriff erlaubt das Abhören von Privatwohnungen. Er erlaubt aber, nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, kein Mitschneiden von privat Gesprochenem. Eine Onlinedurchsuchung ginge noch viel weiter als der Große Lauschangriff. Der ist „vergleichsweise ‚minimal invasiv‘:

Die Behörden können mit Hilfe eines entsprechenden so genannten „Bundes-Trojaners“ den heimischen Computer sogar komplett fernsteuern: Webcam einschalten, akustische Raumüberwachung per Mikrofon, Abhören von Internet-Telefonaten, Mitlesen von Chat und Email, Live-Ãœbertragung von Webseitenabrufen – dagegen ist selbst der „Große Lauschangriff“ vergleichsweise minimal-invasiv. Denn die „Online-Durchsuchung“ geht weit über den Lauschangriff hinaus: Nicht nur das aktuell gesprochene Wort wird registriert, sondern die Ermittler bekommen Zugriff auf archivierte und möglicherweise verschlüsselte Daten, für die sonst ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht.

Naturgemäß liefe eine Übernahme und Durchsuchung des Rechners heimlich ab. Heimlich heißt aber auch immer, es ist hinterher im Strafprozess nicht mehr zu untersuchen, ob alles mit rechten Dingen abgelaufen ist. Aber gerade die Klarheit der Methoden, die nachträgliche Überprüfbarkeit ist ein Merkmal des Rechtsstaats.

Ein Merkmal dieses Rechtsstaates ist es auch, dass er nunmal nicht alles machen darf, was vielleicht zur Durchsetzung eines Ziels unter Umständen nötig ist. Er darf z.B. auch nicht foltern. Irgendwie scheint ein grundlegendes Verständnis dafür, dass es eine Errungenschaft ist, dass der Rechtsstaat sich an Regeln zu halten hat, verloren zu gehen. Ein vages Versprechen für „mehr Sicherheit“ scheint zu reichen, damit der öffentliche Protest weitgehend erlahmt ist.

* Es gibt ja Leute, die halten Onlinedurchsuchungen für ein Hoax, für schlechte Recherche und nicht machbar. Demnach würden BGH, Bundesanwaltschaft und Innenminister nur einem Hoax hinterherrennen. Man sollte aber davon ausgehen, dass das Hacken eines Rechners von mehr oder weniger Computerlaien kein Problem darstellt. Die entsprechenden staatlichen Stellen dürften ihre Mittel und Methoden haben.

** Der Große Lauschangriff wurde damals (1998) mit dem Kampf gegen die Organisierte Kriminalität (OK) begründet. Das war der politische Propagandabegriff für jedes Gesetz, bevor mit dem „Kampf gegen den Terror“ ein noch viel besserer „Grund“ auftauchte. Die Methode damals war die gleiche: Angstmacherei.

Wie geht’s weiter bei SELFHTML?

Thomas Stefan Münz, der Gründer von SELFHTML hat sich von seinem Projekt zurückgezogen (Gründe nennt er im Projektforum). Das Projekt wurde seit 2004 von einem Team verantwortet, Münz selbst war eher eine Art „urväterlicher Berater“. Das war wohl mehr hinderlich als förderlich:

[I]ch möchte erreichen, dass die Developer endlich ohne dieses etwas unangenehme „Ãœberich“, als das ich ihnen immer erschienen sein muss, arbeiten koennen.
Vielleicht befruchtet das ja sogar alles.

Hinter den Kulissen gab (und gibt) es eine Diskussion, wie es mit SELFHTML weitergeht, wie Version 9 umgesetzt werden solle. Die einen (u.a. Münz) wollten ein Wiki, die anderen was anderes.

Interessant finde ich, wenn Münz die Sinnfrage für ein Projekt wie SELFHTML stellt:

Ausserdem entdeckt dieses eigentlich typische Stammpublikum von SELFHTML, die „Normalos“, so ganz allmaehlich, dass man im Web auch ohne HTML und all das publizieren kann. Ganz schicke Sachen gibt es da, allein schon, was man mit einem kostenlosen Google-Account alles veroeffentlichen kann, oeffentliche Kalender, Notebooks, Spreadsheets, Web-Alben, Videos, Blogs, eigene Diskussionsgruppen … die Leute lernen allmaehlich, dass aktives Webworking nicht mehr zwangslaeufig bedeutet, sich erst mal lange und demuetig irgendwelchen voellig unbekannten Programmiersprachen und Netzprotokollen zu widmen.

Mich persoenlich interessiert es jedenfalls mittlerweile mehr, was da alles vor sich geht, als mich in immer akademischer werdende Fachdiskussionen rund um HTML, CSS und verwandten Sprachen zu ereifern. [..] aber die Beschreibungs- und Programmiersprachen im Web haben fuer mich ihre fruehere Bedeutung als „Eintrittskarte in die Welt des Webworkings“ verloren. Und aus dem gleichen Grund auch SELFHTML, so hart das klingen mag.

Im Grunde ist das der springende Punkt: Wer heute ein private Webseite erstellen möchte, tut das in den wenigsten Fällen, in dem er HTML in einen Texteditor tippt. Er nimmt ein Content-Managmentsystem (echte CMS wie Joomla, Typo3 oder Drupal; Blogsoftware oder Wikis) oder meldet sich bei einem Anbieter an, der das bietet (myblog, livejournal etc.). Für eine Blogsoftware oder ein CMS sind zwar HTML-Kenntnisse hilfreich, aber nicht notwendig.

Meine erste Webseite habe ich damals (2002) auch mit einem Texteditor – seinerzeit Phase5 – zusammengebaut. Was ich dazu wissen musste, habe ich mir mit SELFHTML beigebracht. Fand ich großartig, dass es eine so verständliche Dokumentation gab. Hab mich viel bei SELFHTML rumgetrieben, um mehr über HTML und darüber, wie das Web technisch funktioniert, zu lernen. Hab sogar für neue Server gespendet.
Meine gebastelte Webseite sah nicht schön aus. Musste sie auch nicht, es sollten nur ein paar Dokumente fürs Semester zum Download drauf gepackt werden.

Für ein anständiges Layout hat es nie gereicht, das war mir zuviel Frickelarbeit, so mit CSS und HTML und Bereiche definieren und tralala. Was war ich dann froh, als ich auf WordPress gestoßen bin. Fertiges Layout, fertiger Code, fertige Plugins – einfach auf den Server packen und los gehts.
Das geht wohl vielen ähnlich: warum sich mit dem Quelltext abmühen, wenn man fertige Templates bekommt. Ein bisschen Wissen kann nicht schaden, wenn man seine Templates anpassen will. Die klassische private „Homepage“ wird technisch mehr und mehr mit fertigen Systemen erstellt. Heute kann jeder gutaussehende Website betreiben, ohne dass er sich mit HTML oder CSS auskennen muss. Das finde ich großartig, das ist ein echter Fortschritt. (Natürlich gibt es immer noch große Designer vor dem Herrn mit CSS. )
Mit Blogs bzw. CMS kann ich mich auf den Inhalt konzentrieren und brauche mich um die technische Basis nicht sonderlich kümmern.

So stellen sich für SELFHTML zwei Fragen:
Die aktuelle: Wie wird Version 9 technisch umgesetzt.
Die langfristige: Was ist die Bedeutung von SELFHTML in Zeiten von CMS, Blogs und Wikis?

[via: Sajonara]

CDU möchte ein Ermächtigungsgesetz

„Der Bundestag soll die Bundesregierung zu Beginn einer Legislaturperiode ermächtigen, den internationalen Organisationen Truppen anzubieten.“

Nein, das ist kein Zitat von 1933, sondern eins vom CDU-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff aus der Financial Times Deutschland vom 24. Januar 2007.

Der Plan: der Bundesrat gibt der Bundesregierung ein Mandat auf Vorrat, Bundeswehreinsätze im Rahmen von EU oder Nato selber zu veranlassen. Das Parlament dürfte aber innerhalb von 90 Tagen eine Rückholaktion beschließen.
Bisher muss jeder Einsatz vom Bundestag beschlossen werden. Das sein angeblich zu langwierig, lamentiert jetzt die CDU/CSU.

Einen Einsatzautomatismus für Einsätze der Nato- oder EU-Truppen fänd ich gruselig. Klar ist der Parlamentsvorbehalt komplizierter und langwieriger. Hier geht es aber immerhin um den Einsatz bewaffneter Truppen in einem anderen Land. Das sollte auch gut – in der Öffentlichkeit und im Parlament – diskutiert werden. Das will ich nicht von der Exekutive allein geregelt wissen.
Ein Bundeswehreinsatz muss Hürden haben, damit man sich den Einsatz gut überlegt. Die Armee darf niemals von der Regierung so nebenbei mal irgendwohin geschickt werden, das muss immer das allerletzte Mittel sein, wenn gar nichts mehr geht.

Das Rückholrecht ist ein Placebo. Wenn die Truppen erstmal rausgeschickt sind, wird man sie nicht so schnell zurückholen. Diesen Ansehensverlust der Bundesrepublik möchte sicher keiner verantworten.

Urheberrecht gleichrangig neben Terrorismus

Es wird mal wieder was für die Prävention getan. Bald haben wir keine Kriminalität mehr in Deutschland. Spätestens dann, wenn jeder Bürger 24h Stunden überwacht wird.

Der Bundestag wird morgen verabschienden, was der Wirtschaftsausschuss heute mit der Mehrheit der Koalition beschlossen hat: das Telemediengesetz. Ein Bestandteil darin ist das sog. Elektronische Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz (ElGVG). Darin ist u.a. festgelegt, wann z.B. ein Provider Daten seiner Kunden herausgeben soll:

für Zwecke der Strafverfolgung, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum.

Der Bundesrat brachte dann noch die Präventionsklausel mit herein. Demnach gibt es die gewünschten Daten vom Provider auch

zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder.

Ok, bei schweren Straftaten oder in Fällen von – Achtung, argumentative Allzweckwaffe, damit lässt sich eigentlich alles rechtfertigen – Terrorismus ist irgendwie klar, dass die Strafverfolgungsbehörden die Daten von Websitebetreibern oder Nutzern bekommen müssen.

Dann steht da aber noch so ein kleiner Nebensatz, der da irgendwie nicht so recht reinzupassen scheint, so neben MAD, BND und Verfassungsschutz:

zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum

Es gibt ja so Spiele, bei denen man aus einer Reihe von Wörtern herausfinden muss, welches nicht in die Reihe reingehört. Tulpe, Primel, Stiefmütterchen, Hase, Rose. Da würde der Hase nicht passen, weil das ein Tier ist und keine Blume. Hier haben die vermeintlichen Rechteeigentümer, im Grunde aber die Rechtevermarkter – die Musikindustrie – beachtliche Lobbyarbeit geleistet. Da steht ein eher leichtes bis mittelschweres Vergehen*, wie eben Verstöße gegen das Urheberrecht, gleichberechtigt neben schweren Verbrechen oder zumindest Vorbereitungen zu solchen.

Zusammen mit einem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch der Musikindustrie gegenüber Providern wird dann eben jene Musikindustrie in den Rang eines Hilfssheriffs erhoben. Dann darf die Musikindustrie (andere Rechteinhaber theoretisch auch, also die Spiele- und Softwareindustrie, aber die sind da bisher nicht so aktiv geworden) am Gewaltmonopol des Staates und an der Justiz vorbei selbst auf Verbrecherjagd gehen.

Das Urheberrecht, pervertiert durch die Verwertungsindustrie, wird neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, pervertiert durch abmahnfreudige Anwälte zu einem neuen Fetisch unserer Gesellschaft. Achja, und der „Kampf gegen den Terrorismus“ natürlich auch.

Mehr zum umstrittenen Telemediengesetz drüben bei netzpolitik.org.
*Raubkopierer sind eben keine Verbrecher, auch wenn die Werbekampagne der Musikindustrie anderes suggeriert.

War Operation „Mikado“ legal?

Auf einer Pressekonferenz am Dienstag wurde von der Staatsanwaltschaft Halle und der Soko „Mikado“ der jüngste Ermittlungserfolg gegen Kinderpornografie verkündet. Das Besondere daran: man „bat“ die Kreditkartenunternehmen darum, ihre Datenbestände nach einer bestimmten Kontobewegung zu durchsuchen. Damit wollte man die Nutzer einer Kinderpornoseite drankriegen.
Erstaunlich dabei, dass die Kreditkartenunternehmen auf dieses „Bitten“ eingegangen sind. Eine schwammige Drohung, dass eine Nichtzusammenarbeit juristische Folgen für die Unternehmen haben könnte, reichte dafür aus.

Was ich mich frage: war die Methode koscher? (Ich lasse jetzt mal den Aspekt, dass es hierbei um eklige Kinderpornografie geht, außen vor, denn der Zweck heiligt in meinen Augen nicht die Mittel. Schließlich könnte das Beispiel Schule machen und auch für andere Ermittlungen eingesetzt werden.) Erstaunlich ist, dass bisher offenbar noch keiner auf diese Methode der Rasterfahndung gekommen ist – oder es sich noch keiner getraut hat, weil sie nicht ganz legal ist.

Auf die Frage, warum dieses Mal das erste Mal so ermittelt wurde erklärte Oberstaatsanwalt Vogt: “Wir haben gedacht, es müsste doch machbar sein�.
(aus der Pressekonferenz, dokumentiert im RA-Blog)

„Es müsste doch machbar sein“ klingt nicht sehr juristisch. In der Pressekonferenz lies man den § 161 StPO fallen. Die Frage von mir, ob das als Begründung reicht, wurde leider nicht beantwortet. Vielleicht ist die Beantwortung auch gar nicht so leicht. Die Datenschützer jedenfalls hatten kein Problem mit der Abfrage.

Fakt ist, es gab keine richterliche Anordnung zur Herausgabe der Kreditkartendaten. Andererseits muss aber auch nicht jede staatsanwaltschaftliche Ermittlung richterlich angeordnet werden. Damit sind wir bei der Frage von oben: War die Aktion koscher?

Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) meint eher Nein. Der Lawblogger Udo Vetter meint auch Nein und will die Rechtswidrigkeit der Aktion gerichtlich feststellen lassen. In der Presse ist von rechtlichen Bedenken keine Rede, viel zu sehr ist man damit beschäftigt, die Ermittlung von 320 mutmaßlichen Kinderpornogucker als Erfolg zu feiern. Rechtliche Bedenken stören da nur, wer will auch schon dem Verdacht aussetzen, sich auf die Seite der Pädophilen zu schlagen.

Udo Vetter führt an, dass das Vorgehen der Staatsanwaltschaft Halle „rechtswidrig, jedenfalls aber unverhältnismäßig“ war. Rechtswidrig, weil kein Anfangsverdacht bestand (es gab ja nur die KiPo-Webseite), weil es sich um Rasterfahndung handelte, bei der eine richterliche Anordnung und eine „erhebliche Bedeutung“ der Tat vorliegen müssen. Unverhältnismäßig, weil die Daten von 22 Millionen Kreditkartennutzer gescannt wurden.

Mir geht es mit diesem Eintrag gar nicht darum, mich zum Anwalt Pädophiler zu machen (eigentlich überflüssig das zu erwähnen, ich tue es vorsichtshalber trotzdem mal, damit keine Missverständnisse aufkommen).
Ich frage mich lediglich: Ist sowas legal? Denn wenn es das ist, kann man davon ausgehen, dass ähnliche Aktionen auch bald bei anderer Gelegenheit passiert. Natürlich erstmal bei der allgegenwärtigen Terrorabwehr. Dagegen regt sich sicher auch kaum Widerstand. Und dann kommt es schleichend auch bei anderen Delikten.

Nachtrag (02.02.07): Es gibt ein eigenes Blog, das sich mit der Nachbetrachtung der Aktion „Mikado“ beschäftigt . Geschrieben wird es von Udo Vetter und Carsten Hoenig.