Urheberrecht gleichrangig neben Terrorismus

Es wird mal wieder was für die Prävention getan. Bald haben wir keine Kriminalität mehr in Deutschland. Spätestens dann, wenn jeder Bürger 24h Stunden überwacht wird.

Der Bundestag wird morgen verabschienden, was der Wirtschaftsausschuss heute mit der Mehrheit der Koalition beschlossen hat: das Telemediengesetz. Ein Bestandteil darin ist das sog. Elektronische Geschäftsverkehr-Vereinheitlichungsgesetz (ElGVG). Darin ist u.a. festgelegt, wann z.B. ein Provider Daten seiner Kunden herausgeben soll:

für Zwecke der Strafverfolgung, zur Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes oder des Militärischen Abschirmdienstes oder zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum.

Der Bundesrat brachte dann noch die Präventionsklausel mit herein. Demnach gibt es die gewünschten Daten vom Provider auch

zur Gefahrenabwehr durch die Polizeibehörden der Länder.

Ok, bei schweren Straftaten oder in Fällen von – Achtung, argumentative Allzweckwaffe, damit lässt sich eigentlich alles rechtfertigen – Terrorismus ist irgendwie klar, dass die Strafverfolgungsbehörden die Daten von Websitebetreibern oder Nutzern bekommen müssen.

Dann steht da aber noch so ein kleiner Nebensatz, der da irgendwie nicht so recht reinzupassen scheint, so neben MAD, BND und Verfassungsschutz:

zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum

Es gibt ja so Spiele, bei denen man aus einer Reihe von Wörtern herausfinden muss, welches nicht in die Reihe reingehört. Tulpe, Primel, Stiefmütterchen, Hase, Rose. Da würde der Hase nicht passen, weil das ein Tier ist und keine Blume. Hier haben die vermeintlichen Rechteeigentümer, im Grunde aber die Rechtevermarkter – die Musikindustrie – beachtliche Lobbyarbeit geleistet. Da steht ein eher leichtes bis mittelschweres Vergehen*, wie eben Verstöße gegen das Urheberrecht, gleichberechtigt neben schweren Verbrechen oder zumindest Vorbereitungen zu solchen.

Zusammen mit einem zivilrechtlichen Auskunftsanspruch der Musikindustrie gegenüber Providern wird dann eben jene Musikindustrie in den Rang eines Hilfssheriffs erhoben. Dann darf die Musikindustrie (andere Rechteinhaber theoretisch auch, also die Spiele- und Softwareindustrie, aber die sind da bisher nicht so aktiv geworden) am Gewaltmonopol des Staates und an der Justiz vorbei selbst auf Verbrecherjagd gehen.

Das Urheberrecht, pervertiert durch die Verwertungsindustrie, wird neben dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, pervertiert durch abmahnfreudige Anwälte zu einem neuen Fetisch unserer Gesellschaft. Achja, und der „Kampf gegen den Terrorismus“ natürlich auch.

Mehr zum umstrittenen Telemediengesetz drüben bei netzpolitik.org.
*Raubkopierer sind eben keine Verbrecher, auch wenn die Werbekampagne der Musikindustrie anderes suggeriert.

4 Gedanken zu „Urheberrecht gleichrangig neben Terrorismus

  1. Pingback: Mein Parteibuch

  2. Tony

    Naja, der internationale Terrorismus ist ja auch nur ein Propagandamittel, warum sollte der nicht gleichranging mit einem der anderen großen Propagandathemen behandelt werden?

  3. Pingback: tonnenbrand

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