Die Bildblogger schlagen zurück. Fotografiert Kai Dieckmann! heißt die Aktion und soll eine Replik auf die Bild-Leserreporter und die Nichtachtung der Privatsphäre prominenter Leute im Allgemeinen in der Blöd-Zeitung sein. Die Leser des Bildblog werden dazu aufgefordert, den Bild-Chefredakteur
in Badehose am Strand oder in einer Bäckerei oder auf dem Parkplatz oder am Flughafen oder im Flugzeug oder eingenickt im Flugzeug oder beim Shopping oder beim Nase-Bohren nachdenklich oder frischverliebt auf Sylt oder mit seiner Familie aus einem Nobel-Restaurant kommend oder in einer Tankstelle oder beim Italiener oder bei der Arbeit oder ganz ungeschminkt oder ganz entspannt mit einem Bierchen in einer Bar oder beim Pinkeln beim Pinkeln oder oder…
zu fotografieren und dann die Bilder einzuschicken. Die „besten“ davon sollen dann ausgewählt und veröffentlicht werden.
Die Blogosphäre beschäftigte sich entsprechend mit dem Thema. Manche fanden die Aktion gut, andere werfen dem Bildblog vor, sich auf Bild-Niveau herabzubegeben. Die Gutfinder meinen, Dieckmann hätte es nicht anders verdient und man muss gegen die Bildzeitung mit entsprechend scharfen Waffen vorgehen. Die Nicht-Gutfinder meinen, auch Onkel Dieckmann habe ein Persönlichkeitsrecht, dass man nicht mit Füßen treten sollte, auch wenn er es mit seiner Bildzeitung jeden Tag tut, man darf nicht Gleiches mit Gleichem vergelten, man kann sich nicht über die Leserreporter echauffieren, um sie dann selbst auf Dieckmann zu hetzen.
Im ersten Moment war ich auch einer der Nicht-Gutfinder, aus den genannten Gründen. Je mehr ich darüber gelesen habe und je länger ich darüber nachdenke, dann ist es keine Aktion der Marke „Auge um Auge, Zahn um Zahn“.
Es ist ein doppeltes Experiment: Wir wollen sehen, was für Fotos man auf diese Weise bekommen kann. Und wie Kai Diekmann damit umgeht, wenn er sich der gleichen Aufmerksamkeit ausgesetzt sieht, wie sie dank der Aufrufe seiner Zeitung andere Prominente ertragen müssen.
Wir werden im Gegensatz zu “Bild� mit eventuellen “Schnappschüssen�, die wir bekommen, verantwortungsvoll umgehen.
(beide Zitate von Stefan Niggemeier beim Blogruf)
Natürlich haben wir mit kritischen Reaktionen auf die BILDblog-Aktion „Fotografiert Kai Diekmann!“ gerechnet. Diese Debatte ist eines ihrer Ziele. Aber in vielen Fällen erscheint mir die Kritik bislang sehr reflexhaft.
Als ob es einen Konsens gebe, dass solche Fotos von jemandem, die nicht bei offiziellen Auftritten entstehen, eigentlich unzulässig sind. Das Gegenteil ist der Fall: Es gibt einen breiten Konsens in unserer Gesellschaft, jenseits irgendwelcher Gesetze, dass solche Fotos zulässig sind. Dass Prominente sich sowas gefallen lassen müssen. Alle Medien sind voll von solchen Aufnahmen, nicht nur „Bild“. Auch der „Stern“, die „Bunte“, ARD und ZDF, die Boulevardmagazine der Privatsender. Das ist nichts besonderes mehr, das ist Alltag, ob mir das gefällt oder nicht. (Mir gefällt es nicht.) So zu tun, als sei diese Art von Fotos geächtet und nur das vermeintliche Schmuddelblatt „Bild“ würde sich darüber hinwegsetzen, ist absurd.
(beide Zitate bei Stefan Niggemeier selbst)
Es ging also darum, eine Debatte anzustoßen. Nicht nur über die Bildzeitung oder über die Leserreporter oder die Blödzeitung und ihren Schmuddeljournalismus oder über Kai Dieckmann. Es geht m.E. erstens darum, wie normal es die meisten doch finden, wenn Prominente in der Öffentlichkeit in privaten Situationen fotografiert werden. Denn was unterscheidet eigentlich Dieckmann von den vielen Prominenten, die ein Anrecht auf Privatheit* haben? Eigentlich gar nichts. Und doch erregt der Aufruf, Dieckmann zu fotografieren ungleich mehr die Gemüter als die tägliche Fotografiererei durch professionelle Paparazzi oder Leserreporter.
Die „etablierte“ Presse, die Teil des Problems ist, hat bisher nur wenig auf die Aktion der Bildblogger reagiert.
Zweitens geht es wohl auch darum, Dieckmann eins auszuwischen und unter Druck zu setzen. Vielleicht will man sogar eine Klage provozieren, in deren Verlauf sich Dieckmann öffentlich von den Richtern sagen lassen muss, dass er für sich keine Rechte einklagen kann, die er anderen nicht zugesteht.
Und vielleicht geht auch darum zu gucken, zu welchen Stalking-Fähigkeiten die Bildblogleser in der Lage sind. Ob sie Dieckmann wirklich in kompromittierenden oder wenigstens peinlichen Situationen erwischen können. Wenn wirklich Bilder von Dieckmann im Bildblog erscheinen sollten, traue ich den Bildblogger soviel Verstand zu, dass sie sich eben nicht auf der Bildniveau runterziehen lassen und höchstens banale Alltagsbilder von Dieckmann zeigen werden. Genauso banal nämlich, wie das meiste der Promibildchen auch.
* Es gibt da natürlich auch eine Sorte Prominenter, die nur zu gern ihr Privatleben in der Boulevardpresse ausbreiten, um im Gespräch zu bleiben. Nur wenn es gerade im Privatleben nicht gut läuft, dann wollen sie die Presse plötzlich ausperren. In solchen Fällen ist die plötzliche (Wieder-)Entdeckung der Privatheit grenzwertig und nicht so recht einzusehen.